GKV und PKV
Spahn mahnt Kassen zu mehr Qualität
CDU-Politiker Jens Spahn geht mit der Krankenversicherung hart ins Gericht. Er kritisiert: Sowohl die GKV als auch die PKV tun zu wenig, um die Versorgung zu verbessern.
Veröffentlicht:ESSEN. Der Wettbewerb im Gesundheitswesen muss verstärkt für eine bessere Qualität der Versorgung genutzt werden, fordert der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn.
Das gelte für den Wettbewerb zwischen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung, die Konkurrenz der Krankenkassen untereinander und für alle im Gesundheitswesen Tätigen, sagte Spahn bei der Festveranstaltung "10 Jahre Gesundheitsökonomik in Essen" der Universität Duisburg-Essen.
Bei den privaten Krankenversicherern (PKV) habe der Aspekt der Versorgung bislang eine viel zu geringe Rolle gespielt, kritisierte Spahn. "Die PKV hat den Fokus zu stark auf den Vertrieb gelegt und nicht auf die Versorgungsangebote, die man den Versicherten macht."
Die Tatsache, dass in den vergangenen Jahren der Kampf um die Neukunden das Geschäft der PKV geprägt habe, ist für ihn falsch verstandener Wettbewerb.
Nur kurzfristige Erfolge im Blick
Auch von den gesetzlichen Krankenkassen erwartet Spahn mehr Engagement bei den Versorgungsangeboten. Die Politik habe ihnen in den vergangenen Jahren deutlich größere Spielräume zugestanden.
Durch den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich lohne es sich für die Kassen, chronisch kranke Versicherte möglichst effizient zu versorgen. "Das ist die eigentliche Idee hinter dem ganzen Konstrukt."
Dafür müssten die Kassen aber betriebswirtschaftlich denken und nicht nur die kurzzeitigen finanziellen Auswirkungen im Blick haben. "Das Schielen auf den Zusatzbeitrag schadet dem Versorgungsmanagement", sagte er.
Spahn forderte die Kassen auf, bei Ausschreibungen mehr auf die Qualität zu achten. Das europäische Vergaberecht schreibe nicht vor, dass man sich am billigsten Preis orientieren müsse, sondern räume auch der Qualität Bedeutung ein. "Qualität muss eine größere Rolle für die Krankenkassen spielen", forderte er.
Vertragsfreiheiten für Kassen
Der Finanzwissenschaftler Professor Wolfram Richter, der als "Vater" des Gesundheitsfonds gilt, hält größere Vertragsfreiheiten für die Krankenkassen für notwendig. "Das selektive Kontrahieren muss von der Politik forciert werden", sagte er.
Die Kassen sollten sich seiner Meinung nach an den Angeboten der privaten Versicherungswirtschaft orientieren.
Er verwies auf die sogenannten Kasko-Select-Tarife in der Autoversicherung, bei denen die Kunden Prämien sparen, wenn sie ihre Autos nur in Vertragswerktstätten reparieren lassen.
"Ich wundere mich, dass es keine Select-Tarife in der Krankenversicherung gibt", sagte Richter.
Die hohe Bedeutung der freien Arztwahl in Deutschland sollte dabei kein Hindernis sein. "Es ist die Entscheidung des Versicherten, ob er sich dem Verzicht auf die freie Arztwahl unterwirft oder nicht."
"Sozialgebundener Wettbewerb"
Günter Wältermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg, hält solche Tarife für nicht umsetzbar. Die Kassen hätten andere Aufgaben, sagte er. "Wir brauchen eine Grundversorgung und wir müssen sicherstellen, dass jeder Zugang zu den Leistungen hat."
In den vergangenen Jahren hätten die Kassen über den Wettbewerb schon einiges für ihre Kunden erreicht. "Aber wir brauchen keinen Wettbewerb wie zwischen Aldi und Lidl", betonte Wältermann. Für die Krankenversicherung sei ein "sozialgebundener Wettbewerb" passender.
Auch ein PKV-Vertreter sah Richters Vorschlag skeptisch. Auto- und Krankenversicherung seien schwer zu vergleichen, betonte der Chef der Barmenia Josef Beutelmann.
Einige PKV-Unternehmen hätten Hausarzttarife im Angebot, die aber nicht sehr nachgefragt würden. "Der Kunde will die freie Arzt- und Krankenhauswahl", sagte Beutelmann.
Wasem will Morbi-RSA ändern
Auch für den Gesundheitsökonomen Professor Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen müssen für den Wettbewerb in einem sensiblen Bereich wie dem Gesundheitswesen besondere Spielregeln gelten. "Wir brauchen Mindestanforderungen an die Qualität", sagte er.
Wasem hält Änderungen am morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich für nötig, um die Bereitschaft der Kassen weiter zu erhöhen, krankheitsbezogene Verträge abzuschließen.
Es dürfe nicht sein, dass die Kassen nur deshalb vor Versorgungsangeboten zurückschrecken, weil sie Angst haben, dadurch für bestimmte Patientengruppen attraktiv zu werden - mit unabsehbaren finanziellen Folgen.
"Nach der Bundestagswahl müssen wir einen Anlauf unternehmen, um bestimmte Unter- und Überdeckungen im Risikostrukturausgleich abzubauen."