Angespannte COVID-19-Lage
Spahn rät zu Corona-Auffrischungsimpfungen
Die Corona-Inzidenz steigt weiter. Gesundheitsminister Jens Spahn empfiehlt daher mehr Drittimpfungen. Intensivmediziner erwarten ähnliche Zustände wie im Winter 2020 – allerdings mit einem Unterschied.
Veröffentlicht:Berlin. Angesichts steigender Corona-Fallzahlen setzt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auf mehr Auffrischungsimpfungen. „Jeder, der sich boostern lässt, der das mit seinem Arzt bespricht, der tut auch was dafür, dass wir sicher durch den Winter kommen“, sagte der CDU-Politiker am Freitag im „rbb-Inforadio“.
Das Beispiel Israel zeige, dass sich mit Drittimpfungen eine neue Welle brechen lasse, so Spahn. Jemand, der eine Auffrischungsimpfung erhalten habe, sei „tatsächlich“ weniger infektiös. Laut Impfdashboard haben in Deutschland bislang etwa 1,9 Millionen Bürger eine Drittimpfung erhalten.
Spahn verwies darauf, dass die Gesundheitsminister von Bund und Ländern seit September Boosterimpfungen empfehlen. Das gelte insbesondere für Ältere und Pflegebedürftige, Menschen mit Vorerkrankungen wie auch für medizinisches und pflegerisches Personal. Boostern lassen sollten sich aber auch „unbedingt“ diejenigen, die mit Vaxzevria® und der COVID-19-Vakzin Janssen geimpft worden seien.
Deutlich mehr Impfstoff-Bestellungen in Praxen
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt das Boostern bislang für Menschen ab 70 Jahren sowie für bestimmte Risikogruppen. Nach Angaben des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hat die STIKO-Empfehlung die Zahl der Impfstoff-Bestellungen in den Praxen deutlich nach oben gehen lassen.
Seit Anfang August seien wieder gut eine Million Dosen pro Woche geordert worden, teilte das Zi am Freitag mit. Die verabreichten Booster-Impfungen lägen nun bei über 100.000 Dosen am Tag.
„Von einer schleppenden Umsetzung der Booster-Impfkampagne durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, wie vereinzelt von Gesundheitspolitikern behauptet wird, kann keine Rede sein“, sagte Zi-Chef Dr. Dominik von Stillfried. Allerdings werde die Terminkoordination in den Praxen wegen fehlender Einzeldosen erschwert.
Chronik der Entwicklung und Ereignisse
Alles zur Corona-Impfung
Gesundheitsminister Spahn (41) hatte sich diese Woche eine Auffrischungsspritze verabreichen lassen. Er war im Oktober 2020 an Corona erkrankt und hatte sich im Frühjahr mit Vaxzevria® impfen lassen.
Eine Boosterimpfung sei auch für all diejenigen „möglich“, die nicht zu den genannten Personengruppen gehörten, sagte Spahn. Impfstoff gebe es „mehr als genug“ – sogar so viel, dass man die Vakzine mit anderen Ländern teilen könne. Deutschland werde bis Ende des Jahres 100 Millionen Impfdosen an die Welt abgeben.
Anstieg der Inzidenz erwartbar
Dass die Zahl der Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus derzeit wieder steige, sei erwartbar gewesen, betonte Spahn. Die Menschen hielten sich vermehrt in Innenräumen auf, wo das Infektionsrisiko höher liege. Wichtig seien jetzt – außer den Boosterimpfungen – Schutzkonzepte für besonders vulnerable Gruppen etwa in Alten- und Pflegeheimen. Bei den Ländern werbe er daher dafür, dass sie Testkonzepte für Pflegeeinrichtungen wieder verpflichtend machen.
Der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), Bernd Meurer, sagte, die Strategie, mehr zu testen, reiche zum Schutz der Heimbewohner nicht aus. „Corona lässt sich schon seit eineinhalb Jahren nicht wegtesten, das müsste der geschäftsführende Minister Spahn inzwischen wissen.“
Die Bundesregierung traue sich offenbar nicht, den Bürgern Einschränkungen zum Schutz der Allgemeinheit zuzumuten, kritisierte der bpa-Chef. Die Pflegeeinrichtungen wendeten bereits ausgereifte Test- und Schutzkonzepte an. Auch die Impfquote dort liege weit über der in der übrigen Bevölkerung.
Schmidtke: Impfschutz mit weiterem Piks verstärken
Auch die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Professor Claudia Schmidtke, schaltete sich in die Diskussion ein. „Die erneut sehr schnell steigenden Infektionszahlen machen deutlich, wie wichtig es ist, den Impfschutz mit einer Auffrischungsimpfung zu verstärken. Ich empfehle allen, denen aktuell eine Auffrischung empfohlen wird, die Booster-Impfung auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen“, warb Schmidtke für die Drittimpfung.
Laut Robert Koch-Institut (RKI) ist die Sieben-Tage-Inzidenz im Vergleich zur Vorwoche in allen Altersgruppen deutlich gestiegen. Hohe Fallzahlen – das heißt mehr als 100 je 100.000 Einwohner – seien in den Altersgruppen der 5- bis 49-Jährigen sowie der Über-90-Jährigen zu beobachten, schreibt das RKI in seinem aktuellen Wochenbericht.
„Deutlich“ mehr Infektionsausbrüche verzeichnet das RKI in Alten- und Pflegeheimen. Betroffen seien auch geimpfte Personen. Daher sollten diejenigen, für die eine Boosterimpfung empfohlen sei, diese Möglichkeit wahrnehmen. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz gab das RKI am Freitag mit knapp 140 an. Am Vortag hatte der Wert bei 130 gelegen, vor einer Woche bei 95.
DIVI: Operationen müssen wieder verschoben werden
Der Präsident der Intensivmediziner-Vereinigung DIVI, Professor Gernot Marx, sagte dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Freitag, er erwarte in diesem Winter eine ähnliche Corona-Lage wie 2020.
Er gehe diesmal jedoch davon aus, dass alle Patienten vollumfänglich versorgt werden können. Allerdings müssten Operationen erneut abgesagt und Pflegepersonal aus anderen Bereichen abgezogen werden, so Marx.
BMG gibt sich optimistisch
Ganz so pessimistisch schätzt das Bundesgesundheitsministerium die Lage nicht ein. Wenn die vorhandenen Instrumente wie 2G- und 3G-Vorgaben sowie die AHA-Regeln im Herbst und Winter eingehalten würden, werde es möglich sein, dass die Krankenhäuser nicht übermäßig belastet sein werden, sagte ein Sprecher von Gesundheitsminister Jens Spahn am Freitag.
Im Fernverkehr der Bahn sowie im Öffentlichen Personennahverkehr empfiehlt das Bundesverkehrsministerium auch nach Auslaufen der epidemischen Lage ab dem 25. November weiterhin eine Maskenpflicht. Die Entscheidung liege allerdings ab dann in den Händen der Länder, räumte das Ministerium ein.
Das Bundesjustizministerium verwies am Freitag darauf, dass das Fälschen von Impfausweisen „ein strafwürdiges Unrecht“ darstelle. Ein Sprecher von Justizministerin Christine Lambrecht deutete an, dass wohl nicht gegen gefälschte Blanko-Impfausweise vorgegangen werden solle. Davon gehe keine Gefahr aus. Druckerpapier könne auch zur Urkundenfälschung genutzt werden. (Mitarbeit: af)