Pandemie

Spahn weist Kritik am Verlauf der Corona-Impfungen zurück

Zu wenig Dosen und zu langsam? Gesundheitsminister Jens Spahn mahnt mit Blick auf die Corona-Impfungen mehr Realismus an – und spricht von Zahlen, die Hoffnung machten.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Gesundheitsminister Jens Spahn und Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité, bei der Pressekonferenz zur aktuellen Corona-Lage.

Gesundheitsminister Jens Spahn und Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité, bei der Pressekonferenz zur aktuellen Corona-Lage.

© Michael Kappeler/dpa

Berlin. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat Kritik am Verlauf der Corona-Impfungen zurückgewiesen. Zwar würde auch er sich wünschen, dass „schneller mehr Impfstoff verfügbar“ sei und mehr Menschen geimpft würden. „Allerdings müssen wir auch realistisch bleiben“, sagte Spahn am Freitag.

Es sei klar gewesen, dass der Impfstoff „zu Beginn“ knapp sein werde. Deshalb habe es im Dezember auch eine Debatte zur Priorisierung der Impfungen gegeben, betonte Spahn.

60 Prozent der Heimbewohner geimpft

Außerdem sei bei den Immunisierungen bereits viel erreicht worden, sagte Spahn. Aktuell seien in Deutschland mehr als 1,5 Millionen Menschen gegen Corona geimpft worden. Gut 100.000 hätten bereits eine Zweitimpfung bekommen. 60 Prozent aller Pflegeheimbewohner hätten eine erste Impfung gegen das Virus erhalten. Ein Großteil des Personals sei ebenfalls schon geimpft.

In Westfalen-Lippe etwa hätten sich in mehr als 1000 Pflegeeinrichtungen knapp 80 Prozent der dortigen Pflegekräfte impfen lassen, so Spahn. „Angesichts der Debatten der letzten Wochen ist auch das ein ermutigendes Signal.“ Er sei zuversichtlich, dass die Impfteams – wie von Bund und Länder beschlossen – allen Pflegeheimen bis Mitte Februar ein Impfangebot machen könnten.

Hinweise, andere Länder in Europa oder der Welt impften schneller und effektiver als Deutschland, nannte Spahn „nicht per se sinnvoll“. Die Länder verfolgten unterschiedliche Impfstrategien. In Italien beispielsweise sei zuerst in Krankenhäusern geimpft worden. „Das geht schneller.“

Deutschland habe sich dagegen bewusst dafür entschieden, zuerst Menschen in Altenheimen zu impfen, so Spahn. „Das ist aufwendiger, schützt aber die besonders Gefährdeten.“

Im Sommer Impfangebot für alle

Ziel der Bundesregierung sei es, „im Sommer jedem, der möchte, ein Impfangebot zu machen und die Pandemie zu überwinden“. Schon kommende Woche sei – „Stand heute“ – die Zulassung des Impfstoffs des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca zu erwarten.

Dennoch werde der Winter „hart“, räumte Spahn ein. Kontaktbeschränkungen dürften nicht zu früh gelockert werden. Spahn verglich die Situation mit der Einnahme eines Antibiotikums: „Wenn man es zu früh absetzt, kann daraus noch größerer Schaden und Resistenzen entstehen.“

Eine „Null-COVID-Strategie“ für Deutschland wies Spahn zurück. Deutschland liege in der Mitte eines Kontinents, „deswegen sehe ich Null als dauerhafte Zielmarke nicht als das, was in einem Land wie Deutschland mit unserer Lage und Situation funktionieren kann.“ Die Initiative „Zero COVID“ macht sich für einen kompletten europaweiten Shutdown stark, um die Infektionszahlen drastisch nach unten zu drücken.

Wieler: Leicht positiver Trend

„Nach wie vor sind die Fallzahlen insgesamt zu hoch. Aber wir sehen einen klar leicht positiven Trend“, sagte der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Professor Lothar H. Wieler. Das sei „klar“ Ergebnis des seit Mitte Dezember geltenden Lockdowns.

Sorge bereite ihm weiter die Situation in Pflege- und Altenheimen. Aktuell gehe das RKI von bis zu 900 Einrichtungen aus, die von Corona-Ausbrüchen betroffen seien. Wahrscheinlich gebe es auch eine Dunkelziffer. Die Einrichtungen müssten Hygienekonzepte konsequent anwenden und bräuchten zudem mehr personelle Unterstützung.

Die Gesundheitsämter hatten dem RKI zuvor rund 17.870 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages und knapp 860 neue Todesfälle im Zusammenhang mit Corona gemeldet.

Mutationen um bis zu 35 Prozent ansteckender

Der Direktor des Instituts für Virologie an der Berliner Charité, Professor Christian Drosten, wies daraufhin, dass die aufgetauchten Virusmutationen deutlich infektiöser seien. Dazu lägen inzwischen „robustere“ Daten vor. Drosten sprach von einem um bis zu 35 Prozent höheren Ansteckungsgrad. Die Gefahr, dass sich eine Mutante stärker verbreite, steige damit erheblich. „Das ist leider ein Faktum, mit dem wir umgehen müssen.“

Drosten betonte, die Datenlage zu den Mutationen sei bisweilen noch „anekdotisch“. Gesundheitsämter und Labore hätten seinem Institut gegenüber keine Meldepflicht.

Der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Professor Gernot Marx, berichtete, aktuell würden knapp 4790 Patienten mit einer COVID-19-Erkrankung intensivmedizinisch behandelt – etwa 2700 von ihnen müssten invasiv beatmet werden. Anfang Januar hätten noch 5800 COVID-19-Patienten auf Intensivstationen versorgt werden müssen. „Das war die kritischste Situation, seit es intensivmedizinische Behandlung in Deutschland gibt.“

Momentan sei „ein deutlicher Trend“ bei den schweren COVID-19-Fällen nach unten zu erkennen, sagte Marx. Auch lasse sich bislang kein „Weihnachts-Silvester-Peak“ erkennen. Der Lockdown wirke. Deutschland sei aber noch weit weg von einer Situation, „in der von Entspannung die Rede sein kann“, so Marx.

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