Kommentar
Tarifeinheitsgesetz - Scheitern ist absehbar
Heute wird der Bundestag das Gesetz zur Tarifeinheit verabschieden. Die Frage ist - warum? Denn es ist ein schlecht gemachtes Gesetz.
Ohne die große Koalition mit ihrer riesigen Stimmenmehrheit wäre der Gesetzentwurf längst in der Versenkung verschwunden. Aus gutem Grund. Es finden sich nur wenige Juristen, die ihn für verfassungskonform halten. Die Wahrscheinlichkeit, dass er vor dem Bundesverfassungsgericht scheitert, ist groß.
Dafür gibt es gute Gründe. Das Gesetz würde die Rechte kleinerer Gewerkschaften erheblich einschränken. Gelten soll nur der Tarifvertrag, der mit der mitgliederstärksten Gewerkschaft in einem Betrieb geschlossen wurde.
Gefährdet wären auch Arzttarifverträge, weil der Marburger Bund in kaum einer Klinik die stärkste Gewerkschaft ist. Viele Juristen sehen in dem Gesetz einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG.
Hier heißt es: "Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig."
Ein schlechtes Gesetz durch zu peitschen, grenzt an politische Dummheit
Kleine Gewerkschaften sollen mit Streiks Deutschland nicht lahmlegen können. Ein Gesetz, das dafür Vorkehrungen trifft, ohne die Macht kleiner Gewerkschaften massiv einzuschränken, wäre sinnvoll. Vorschläge für solche Regelungen liegen vor.
So regt der Arbeitsrechtler Professor Gregor Thüsing an, bei konkurrierenden Gewerkschaften ein Einigungsverfahren zwischen Unternehmen und Gewerkschaften in einem Gesetz zu verankern, das rivalisierende Zuständigkeiten - wie jetzt bei der Bahn - ausschließt.
Das Einigungsverfahren soll vorgeschaltet werden, wenn eine der beteiligten Parteien es beantragt. Die Übernahme soll nur auf freiwilliger Basis erfolgen. Passiert das nicht, könne gestreikt werden.
Der Grundsatz lautet: "Bevor man streikt, soll man gleichberechtigt und mit dem ernsten Willen der Verständigung miteinander reden."
Warum ein solch kluger Vorschlag im Gesetzgebungsverfahren nicht berücksichtigt wurde, bleibt das Geheimnis der Bundesarbeitsministerin.
Das Bundesarbeitsgericht hat 2010 den Grundsatz "ein Betrieb - ein Tarifvertrag" gekippt. Eine der Begründungen: In einer immer spezialisierteren Arbeitswelt müssen die Interessen der unterschiedlichen Berufsgruppen berücksichtigt werden.
Der MB hat die Tarifgemeinschaft mit Verdi vor Jahren gekündigt, weil sich die Ärzte nicht mehr ausreichend vertreten fühlten.
Diese Entwicklungen zu ignorieren, nur weil es politisch gerade möglich ist, ein schlechtes Gesetz durch den Bundestag zu peitschen, grenzt an politische Dummheit.