Trisomie 21: Der Bluttest und die Ethik

Weniger Risiko für Schwangere, sagen die einen. Raster-Fahndung bei Ungeborenen, sagen die anderen: Ein neuer Gentest entfacht eine hitzige Debatte - und illustriert die ethische Ambivalenz des medizinischen Fortschritts.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Lächeln mit Down-Syndrom: Ein neuer Pränataltest sorgt für heftige Debatten.

Lächeln mit Down-Syndrom: Ein neuer Pränataltest sorgt für heftige Debatten.

© Armando Babani / epa / dpa

NEU-ISENBURG. "Uns erreichen unzählige Anfragen": Höflich bittet das Unternehmen LifeCodexx aus Konstanz darum, von Anrufen abzusehen.

LifeCodexx will voraussichtlich noch im Juli den PraenaTest® auf den deutschen Markt bringen. Selten hat ein Medizinprodukt vor dem Marktstart einen solchen Wirbel verursacht.

Dieser nicht-invasive, molekulargenetische Diagnostiktest wird vom Hersteller als "risikolose Ergänzung" der vorgeburtlichen Untersuchungsmethoden zur Bestimmung von Trisomie 21 angeboten.

Nach Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie komme es in Deutschland jährlich bei 600 bis 700 Schwangeren zu einem spontanen Abort, heißt es bei LifeCodexx - andere Quellen gehen von rund 200 Fällen aus.

"Raster-Fahndung" nach dem Down-Syndrom?

Die teilweise schrillen Töne, die die Markteinführung begleiten, machen deutlich: Es geht mehr als um einen Test - die wachsenden Möglichkeiten der genetischen Diagnostik machen eine Standortbestimmung nötig, wie eine Gesellschaft mit Menschen mit Behinderungen umgehen will. Wie schwierig das ist, zeigen die Einschätzungen zum neuen Test.

So funktioniert der Bluttest auf Down-Syndrom

Der PraenaTest® zum nicht-invasiven Nachweis einer Trisomie 21 im mütterlichen Blut hat eine Spezifität und Sensitivität von bis zu 100 Prozent. Insbesondere kann er Auffälligkeiten weiter abklären, die beim Ersttrimester-Screening auftreten. Das verringert den Bedarf an invasiver Diagnostik (Chorionzottenbiopsie oder Amniozentese).

Die molekulargenetische Untersuchung erfolgt ab der zwölften Schwangerschaftswoche. Dazu werden 20 ml venöses Blut der Schwangeren in einem Spezialröhrchen ins Labor geschickt. Dort werden kleine DNA-Bruchstücke isoliert, die frei im mütterlichen Blut zirkulieren.

Etwa ein Zehntel dieser zellfreien Erbsubstanz stammt vom ungeborenen Kind. Sie wird aus abgestorbenen Plazentazellen frei und fortwährend in den Blutkreislauf der Schwangeren abgegeben. Nach Aufreinigung, Vervielfältigung und Sequenzierung der fetalen DNA werden die Bruchstücke von Chromosom 21 quantitativ erfasst.

Mit einem Algorithmus wird berechnet, ob die Menge die eines euploiden Chromosomensatzes überschreitet. Vor der Blutentnahme und nach Vorliegen des Testergebnisses muss die Schwangere gemäß Gendiagnostikgesetz beraten werden. (St)

Der Behinderten-Beauftragte der Bundesregierung, der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe, nennt den Test "illegal".

Es handele sich um ein "nicht verkehrsfähiges Medizinprodukt", das die "Raster-Fahndung nach Menschen mit Down-Syndrom" verstärken werde, sagte Hüppe und verwies auf ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten des Bonner Rechtsprofessors Klaus Ferdinand Gärditz.

Die für das Medizinproduktegesetz zuständigen Bundesländer hätten es nun in der Hand, zu verhindern, dass der Test auf den Markt kommt.

Gärditz begründet seine Einschätzung damit, Paragraf 15 Absatz 1 Gendiagnostik-Gesetz erlaube Untersuchungen "nur zu medizinischen Zwecken". Der Test dagegen diene dazu, "im Falle einer festgestellten Behinderung die Schwangerschaft abzubrechen".

Die staatliche Zulassung des Tests sei mit Artikel 3 Grundgesetz unvereinbar - danach darf niemand wegen einer Behinderung diskriminiert werden.

Allerdings räumt Gärditz ein, dass seine Interpretation bestreitbar ist. Denn der Schutz des Ungeborenen in Einzelgesetzen (so im Embryonenschutz-Gesetz oder im einschlägigen Paragrafen 218a Strafgesetzbuch) ist nicht frei von Widersprüchen - und die ließen sich "nicht friktionslos durch Interpretation beseitigen", so Gärditz.

Die stramme Forderung Hüppes, die Markteinführung des Tests zu verbieten, stieß denn auch auf ein überwiegend skeptisches Echo. Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Professor Christiane Woopen, bezeichnete den Test als "durchaus diskriminierend", weil nur das Merkmal Trisomie 21 nachgewiesen wird.

"Für illegal halte ich den Test nicht", sagte Woopen. Der Hersteller LifeCodexx entgegnete auf das Rechtsgutachten, das Diagnostikum sei verkehrsfähig, man habe alle Bestimmungen des Gendiagnostik-Gesetzes beachtet.

Abseits der juristischen Scharmützel verdeutlicht die Debatte, das ein gesellschaftlicher Konsens über Sinn und Grenzen der Pränataldiagnostik ferner denn je ist.

"Das Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen", erklärte Ärzte-Präsident Dr. Frank Ulrich Montgomery. Er erinnerte daran, dass schon heute 95 Prozent der Ungeborenen, bei denen Trisomie 21 entdeckt wird, abgetrieben werden.

"Es ist kein Dammbruch zu befürchten"

Auch die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) erklärte, mit dem neuen Test werde "kein ethisches Neuland" betreten.

Beratungspflicht und alle Vorgaben des Gendiagnostik-Gesetzes gälten unverändert: "Es ist kein Dammbruch oder eine sprunghafte Zunahme von Schwangerschaftskonflikten zu befürchten", so die DGGG.

Das Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft (IMEW), das von Verbänden der Selbsthilfe behinderter Menschen und der Behindertenhilfe getragen wird, forderte ein "Innehalten", um Entwicklungen in der Pränataldiagnostik "zu überdenken".

Das Institut beklagt in einer Stellungnahme, die gezielte Suche nach nicht therapierbaren Krankheiten und Behinderungen sei "meist motiviert durch kaum reflektierte, angstbesetzte Vorstellungen über das Leben mit Behinderung".

Dabei nehmen die Autoren auch Ärzte nicht aus. Die Kommunikation zwischen Ärzten und Schwangeren müsse "dringend verbessert werden".

Lesen Sie dazu auch: Grünes Licht für Trisomie-21-Test

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