Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung
Vergaberecht blockiert Versorgung sterbenskranker Menschen
Unklare Zukunft für die spezialisierte ambulante Palliativversorgung: Weil Verträge europaweit ausgeschrieben werden müssen, herrscht vielerorts Stillstand. Verbände beobachten eine zunehmende Unsicherheit – und pochen auf eine Ausnahmeregelung.
Veröffentlicht:KÖLN. Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) und die Bundesarbeitsgemeinschaft SAPV fordern die Politik auf, klare rechtliche Grundlagen für die weitere Entwicklung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) zu schaffen. Das ist notwendig, weil der Abschluss neuer Versorgungsverträge seit einem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) ins Stocken geraten ist.
Am 15. Juni 2016 hatte der Vergabesenat des OLG entschieden, dass SAPV-Verträge dem Vergaberecht unterliegen und europaweit ausgeschrieben werden müssen. In der Folge kam es in den Regionen, in denen noch keine Verträge abgeschlossen worden sind, zum Stillstand. Zudem: "Es gibt eine Riesen-Unsicherheit bei den SAPV-Teams", berichtet Heiner Melching, Geschäftsführer der DGP.
Wettbewerbsrecht hat aktuell Priorität
Am liebsten wäre es der Gesellschaft, wenn die SAPV ganz aus dem Vergaberecht genommen würde. "Die Versorgung von schwerstkranken und sterbenden Menschen darf nicht in erster Linie durch wettbewerbsrechtliche Bestimmungen geprägt sein", sagt DGP-Präsident Professor Lukas Radbruch. Von schwerer Erkrankung betroffene Patienten und Angehörige müssten sich vor Ort auf eine gut koordinierte und vernetzte Versorgung verlassen können.
Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft SAPV sähe das Vergaberecht gern außen vor. "Es gibt aber klare Signale der Politik, dass es für die SAPV keine Ausnahme geben wird", sagt die Vorsitzende Michaela Hach der "Ärzte Zeitung". Die Organisation hat juristische Expertise zum Thema eingeholt und einen Vorschlag entwickelt. Sie hält ein transparentes Vergabeverfahren für sinnvoll, fordert aber ein eigenes Gesetz für die Vergabe und Beauftragung von SAPV-Teams.
Ein solches Gesetz muss das Prinzip der Regionalität gewährleisten, sagt Hach. "In der SAPV müssen die Leistungserbringer in der Region verankert sein, sonst funktionieren die Netzwerke nicht." Es sei möglich, für die SAPV ein eigenes Vergabeverfahren zu implementieren, wie es das bereits für Verträge zur Weiterentwicklung der Versorgung (Paragraf 63 SGB V) und zur besonderen Versorgung (Paragraf 140a) gibt. Sonst drohe die "Industrialisierung" des Bereichs, warnt die Arbeitsgemeinschaft.
"Es muss schnell etwas passieren"
Sie plädiert dabei für ein Zulassungsmodell: Jeder qualifizierte und regional vernetzte Leistungserbringer soll gegenüber den Krankenkassen seine Leistungen erbringen und abrechnen können. "Es muss schnell etwas passieren, damit wir in der SAPV endlich die Flächendeckung erreichen", betont Hach. Nach wie vor gebe es viele weiße Flecken. Die ersten Teams seien wegen des Stillstands bereit bankrott, berichtet sie.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft hat ihren Vorschlag Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz unterbreitet. In einem nächsten Schritt sollen die Politiker auf Länderebene mobilisiert werden.
"Es muss jetzt ein deutliches Signal von der Politik kommen", sagt auch DGP-Geschäftsführer Melching. Die Politik müsse dafür sorgen, dass die Krankenkassen sich nicht unter Verweis auf die OLG-Entscheidung zurücklehnen und keine Verträge mehr abschließen. "Es darf auch nicht dazu kommen, dass die Kassen die Anbieter auswählen, die am günstigsten sind, und nicht die mit der höchsten Qualität", sagt er. Die Musterverträge für die SAPV enthielten strenge Vorgaben zur Qualität der Leistungen. "Wer diese Kriterien erfüllt, soll sich an der SAPV beteiligen dürfen."