Zwischenbilanz
Verhaltene Resonanz auf die Grippe-Impfung in der Apotheke
Die Grippeschutz-Impfung in der Apotheke testet die AOK Nordwest in Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein. Die Kasse will damit Menschen erreichen, die nicht oder selten zum Hausarzt gehen. Nun zieht sie ein Zwischenfazit.
Veröffentlicht:Dortmund/Kiel. Ein Modellversuch zu Grippeschutzimpfungen in Apotheken in Teilen von Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein hatte im vergangenen Jahr Kritik in der Ärzteschaft ausgelöst. Die Spitzen aus ärztlichen Institutionen und Verbänden machten klar, dass sie dieses Angebot für überflüssig halten.
Über ein Jahr nach dem Start zeigt sich, dass die Resonanz der Bevölkerung auf das Angebot bisher noch überschaubar ist. Die AOK Nordwest, in beiden Bundesländern Vertragspartner für den Modellversuch, zieht dennoch ein positives Zwischenfazit.
„Durch das niedrigschwellige Angebot konnten in beiden Modellregionen bislang in der ersten Grippesaison über 1100 Versicherte der AOK Nordwest in einer Apotheke gegen Influenza geimpft werden. Das ist ein gutes Ergebnis“, sagte AOK-Chef Tom Ackermann auf Anfrage der Ärzte Zeitung.
Zahlen könnten steigen
Die Zahlen im Detail: In Westfalen-Lippe haben in dieser Saison bis Mitte März 79 Apotheken aktiv geimpft, und zwar 980 Mal. Dem gemeinsamen Modellversuch mit dem Apothekerverband Westfalen-Lippe beigetreten sind aber schon 142 Apotheken, die Zahl der Impfungen könnte in der nächsten Grippe-Saison also deutlich steigen.
In Schleswig-Holstein hatten bis Mitte März erst elf Apotheken aktiv geimpft, und zwar 157 Mal. Dem Modellversuch beigetreten sind 37 Apotheken. Vertragspartner der AOK in Schleswig-Holstein ist die Gehe Pharma Handel GmbH aus Stuttgart. Auch im Norden ist der Modellversuch auf bestimmte Regionen begrenzt.
Wo in Apotheken geimpft wird
Westfalen-Lippe: Dortmund, Lippe, Höxter, Bielefeld, Herford, Minden-Lübbecke, Paderborn und Gütersloh sowie die Kreise Olpe, Hochsauerlandkreis und Märkischer Kreis.
Schleswig-Holstein: Kiel, Lübeck, Flensburg, Schleswig, Rendsburg und Eckernförde sowie die Landkreise Dithmarschen, Nordfriesland , Schleswig-Flensburg, Rendsburg-Eckernförde, Plön und Ostholstein. (di)
Die AOK nutzt bei den Modellversuchen im Westen und Norden den Gestaltungsspielraum, den der Gesetzgeber mit dem 2020 in Kraft getretenen Masernschutzgesetz eröffnet hat. Ackermann will in den Regionen Versorgung aktiv mitgestalten und die Impfquote deutlich steigern.
„Die liegt in Deutschland bei den über 60-jährigen bei etwa 35 Prozent, laut Weltgesundheitsorganisation sollten es 75 Prozent sein. Da ist also noch viel Luft nach oben“, sagte Ackermann.
In anderen Ländern konnte die Impfquote gesteigert werden
Er verweist auf Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern wie etwa Frankreich oder Großbritannien, wo die Impfquote durch Einbeziehung der Apotheken gesteigert werden konnte. „Angesprochen wurden dort vor allem Menschen, die sich sonst nicht haben impfen lassen“, sagte Ackermann. Diese Zielgruppe wollen auch die Apotheken in den deutschen Modellregionen erreichen: Menschen, die keinen Hausarzt haben oder diesen nur selten aufsuchen.
Ackermann betont: „Deshalb sehen wir hier auch kein konkurrierendes Angebot zu den Ärztinnen und Ärzten, sondern ein zusätzliches Angebot für die Versicherten.“ Er hofft, dass das Ziel, die Impfquote zu erhöhen, bei allen Beteiligten im Vordergrund steht.
Ob die bis Mitte 2024 befristeten Modellversuche verlängert werden, ist noch offen. Dies soll nach ersten Trendberichten aus der Evaluation entschieden werden. Eine Ausweitung der Modellregionen ist in den Verträgen nicht vorgesehen.
Auch die Chance, dass es vergleichbare Modellversuche zu anderen Impfungen geben könnte, ist derzeit gering. Die gesetzliche Grundlage dafür fehlt und zumindest aktuell gebe es für weitere Modelle keine Bestrebungen, betonte die AOK. Zunächst sollten die konkreten Ergebnisse aus den begonnenen Modellversuchen bewertet werden.