EU-Ratspräsidentschaft
Vorbehalte gegen Gesundheitsunion bleiben bestehen
Gesundheitsminister Jens Spahn sieht trotz Widerständen Chancen auf mehr europäische Gesundheitspolitik. Von den Zulassungsbehörden für Impfstoffe erwartet er Arbeiten rund um die Uhr.
Veröffentlicht:Berlin/Brüssel. Das Anliegen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, das European Center für Disease Control (ECDC) für künftige Pandemien weiter zu ertüchtigen, ist noch nicht in trockenen Tüchern.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zeigte sich am Rande des virtuellen Gesundheitsministertreffens der Europäischen Union am Mittwoch gleichwohl zuversichtlich. Er sehe keinen mehrjährigen Entscheidungsprozess auf die Union zukommen. Er gehe vielmehr davon aus, dass in der Frage, das Mandat der ECDC zu erweitern, im kommenden Jahr Fortschritte sichtbar würden, sagte Spahn.
Die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides stellte sich hinter die Pläne, die europäischen Gesundheitsagenturen zu stärken. „Niemand kann sicher sagen, dass die nächste Bedrohung der Gesundheit in Europa nicht schon irgendwo wartet“, sagte Kyriakides.
Mehr Kompetenzen für die ECDC
Konkret geht es darum, das ECDC – ähnlich wie das Robert Koch-Institut in Deutschland – in die Lage zu versetzen, Risikovorsorge für die EU zu betreiben. Dazu müsste das ECDC Zugang zu Gesundheits- und Infrastrukturdaten der Mitgliedsländer erhalten. Zudem soll, so die Pläne der Kommission, das ECDC ein Referenznetzwerk europäischer Laboratorien aufbauen, um Diagnose- und Testverfahren europaweit zu harmonisieren. Im Hintergrund scheint an dieser Stelle die Idee einer europäischen Gesundheitsunion auf.
Europäische Kommission
Ein Jahr von der Leyen: Gesundheitsunion statt „Mondlandung“
Spahn verwies darauf, dass die Mitgliedsländer „intensiven Prüfungsbedarf“ angemeldet hätten. Er selbst sei dafür, klar zu definieren, was auf nationaler und was auf europäischer Ebene geleistet werden solle.
Einschränkungen noch monatelang
Trotz der bevorstehenden Impfkampagnen in Europa müssten sich die Menschen darauf einstellen, sich noch mehrere Monate an die Alltagsbeschränkungen halten zu müssen, mahnte Kyriakides. Dass Europa es geschafft habe, allen 27 Mitgliedsstaaten gleichzeitigen Zugang zu Impfstoffen zu verschaffen, stimme sie für die künftigen Debatten über die Bildung einer Gesundheitsunion optimistisch, sagte die Gesundheitskommissarin.
Spahn verteidigte auf eine entsprechende Frage in der Pressekonferenz hin die Entscheidung, auch nationale Impfstoffkontingente geordert zu haben. „Es kann nicht sein, dass wir auf alle Zeit keine zusätzlichen Impfstoffmengen kaufen“, sagte Spahn.
Da der Impfstoff von IDT aus Dessau-Roßlau von der Kommission nicht nachgefragt werde, gebe es an der Stelle ohnehin keine Friktionen. Die nationalen Impfstoffchargen von BioNTech und Curevac habe man sich erst gesichert, nachdem die EU ihren Bedarf für alle 27 Mitgliedsstaaten gedeckt hatte.
EU setzt auf komplette Zulassung
Dass Großbritannien den Impfstoff von BioNTech bereits zugelassen hat, wollten Spahn und Kyriagidis nicht kritisieren. Es gebe unterschiedliche Herangehensweisen. Während das Vereinigte Königreich eine Schnellzulassung gestartet habe, setze man in der restlichen EU auf ein vollständiges Zulassungsverfahren durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA).
Sicherheit stehe an erster Stelle. Von den Mitarbeitern der Zulassungsbehörden erwarte er gleichwohl Einsatz „Tag und Nacht und an Wochenenden“, um die Zulassung so schnell wie möglich zu gewährleisten.
Das Gesundheitsministertreffen war voraussichtlich das letzte im Verlauf der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands, die zum Jahreswechsel endet. Aufgrund der Pandemie haben sich die Gesundheitsministerinnen und -minister der Mitgliedsstaaten im halben Jahr der deutschen Präsidentschaft nicht physisch getroffen.