Nach Bund-Länder-Treffen
Vorerst keine neuen Corona-Verschärfungen
Bund und Länder haben eine Zwischenbilanz des Anfang November verhängten Teil-Lockdowns gezogen. Weitergehende Corona-Verschärfungen soll es erst nächste Woche geben. Das gefällt nicht jedem.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Berlin. Koalitionspolitiker haben die Ergebnisse des Bund-Länder-Treffens zur Eindämmung der Corona-Pandemie kritisiert. Die Beschlüsse von Montagabend seien „klar enttäuschend“, kommentierte der SPD-Gesundheitsexperte Professor Karl Lauterbach per Kurznachrichtendienst Twitter. „In zehn Tagen werden die Maßnahmen umso härter ausfallen müssen“, so Lauterbach.
Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) stufte die Ergebnisse der Beratungen als ungenügend ein. „Es reicht noch nicht“, sagte Söder im Anschluss an die Gespräche. Bei dem für Mitte nächster Woche geplanten neuen Bund-Länder-Treffen sei zu schauen, ob die jetzt formulierten Appelle zu Kontaktbeschränkungen in Form von rechtswirksamen Beschlüssen verschärft werden könnten.
Kritik kam auch von Oppositionsvertretern. Statt sinnvollem, konsequentem Handeln sei „wertvolles Vertrauen verspielt und wichtige Zeit verloren worden“, erklärte der Grünen-Gesundheitspolitiker und Arzt Janosch Dahmen per Twitter. Schulen ließen sich so nicht offenhalten und kranke und alte Menschen nicht besser schützen. Auch die Intensivstationen drohten zu kollabieren.
Lindner: Beschränkungen wissenschaftlich begründen
FDP-Chef Christian Lindner warnte derweil davor, „fortwährend mit Vorgaben und Verboten“ zu experimentieren, ohne zu erklären, welche Schritte wirksam seien. „Jede Freiheitsbeschränkung muss präzise wissenschaftlich begründet werden.“
Der FDP-Gesundheitspolitiker und Infektiologe Professor Andrew Ullmann nannte es peinlich, dass Bund und Länder erst jetzt erkennen würden, dass es eine langfristige Pandemie-Strategie brauche. „Diese hätte spätestens im Sommer entwickelt werden müssen“, sagte Ullmann der „Ärzte Zeitung“ am Dienstag. Familien, Schüler, Beschäftigte und Unternehmer müssten sich auf etwas einstellen können. „Es geht schließlich um ihre Zukunft und sie tragen die Konsequenzen noch jahrelang nach der Pandemie.“
Bund und Länder hatten am Montag über mehrere Stunden hinweg Zwischenbilanz der seit Anfang November geltenden Corona-Maßnahmen gezogen. Eine „Trendumkehr“ bei den Infektionszahlen sei noch nicht erreicht worden, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am späten Montagabend vor Journalisten. Gleichwohl sei es gelungen, die Dynamik der Neuinfektionen zu brechen.
Von der Inzidenz von 50 Infizierten pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen sei Deutschland aber noch „ein großes Stück entfernt“, sagte Merkel. Nur bei einer solchen Inzidenz sei es den Gesundheitsämtern aber möglich, Kontakte von Infizierten nachzuvollziehen. Die Bundesbürger seien aufgerufen, Kontakte auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. „Jeder Kontakt, der nicht stattfindet, ist gut für die Bekämpfung der Pandemie.“
Darüber hinaus verständigten sich Bund und Länder auf diese Punkte:
- Personen mit Atemwegserkrankungen sollen sich telefonisch bei ihrem Arzt melden und krankschreiben lassen. Dabei soll auch besprochen werden, ob Symptome so relevant sind, dass ein Test auf das Corona-Virus nötig ist.
- Private Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten sollen auf einen festen weiteren Hausstand beschränkt werden. Das schließt auch Kinder und Jugendliche in den Familien mit ein.
- Auf freizeitbezogene Aktivitäten und Besuche in Bereichen mit Publikumsverkehr sowie nicht notwendige private Reisen und touristische Tagestouren soll verzichtet werden.
- Besuche bei älteren und besonders gefährdeten Personen sollen nur unternommen werden, wenn alle Familienmitglieder frei von Krankheitssymptomen sind.
- Die Länder sollen Impfzentren so vorhalten, dass eine kurzfristige Inbetriebnahme möglich ist.
- Ab Dezember erhalten besonders gefährdete Personen wie alte Menschen und chronisch Kranke je 15 FFP2-Masken gegen eine geringe Eigenbeteiligung. Zur Definition besonders vulnerabler Gruppen wird der Gemeinsame Bundesausschuss einbezogen. Die Kosten für die Abgabe von FFP2-Masken trägt der Bund.
- Krankenhäuser, die wegen schwerer Corona-Verläufe einen hohen intensivmedizinischen Behandlungsbedarf haben, sollen erneut unter einen Rettungsschirm genommen werden. Das Hilfspaket soll mit dem dritten Bevölkerungsschutzgesetz auf den Weg gebracht werden. Bundestag und Bundesrat wollen das Gesetz an diesem Mittwoch beschließen.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) betonte: „Wir haben viel erreicht, aber noch längst nicht genug.“ Die weiterhin hohe Zahl an Neuinfektionen habe konkrete Auswirkungen auf das Geschehen auf den Intensivstationen. Allein in den Berliner Kliniken würden rund 1000 COVID-19-Patienten versorgt. „Das kann man nicht wegdiskutieren“, sagte Müller, der auch Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist.
Keine Zwischen-Rechtsänderungen
Merkel machte keinen Hehl daraus, dass sie sich weitreichendere und verbindlichere Beschlüsse erwartet habe. Die Länder seien jedoch mehrheitlich der Ansicht gewesen, vor Ablauf der derzeitigen Vorschriften Ende November keine „Zwischen-Rechtsänderungen“ vorzunehmen.
Vor allem mit Blick auf die Schulen hatte der Bund in einem Entwurf zur Beschlussvorlage strengere Vorgaben – darunter eine Teilung der Klassen und eine verbindliche Maskenpflicht auf dem Schulhof und im Unterricht – vorgeschlagen. Das war von den Länderchefs einkassiert worden.
Die nächsten Beratungen sind für den 25. November geplant. Erst dann sollen Vorschriften womöglich verschärft werden.