Kommentar zu Bayerns Corona-“Notfallplan“
Wenn Söder durchgreift
Die Corona-Pandemie bringt das Monopol der KV Bayerns ins Wanken. Die Langzeitfolgen dieses Politik-Experiments sind unabsehbar.
Veröffentlicht:Haifischbecken. So lautet eine gängige Qualifizierung des deutschen Gesundheitswesens aus der Sicht nicht nur von Bundespolitikern. Schrecklich viele Interessengruppen mit unerhört großem Gestaltungsspielraum – Selbstverwaltung genannt. Da fällt Durchregieren schwer, das Gesundheitssystem regiert sich zu einem großen Teil selbst.
Auch diese vermeintlich eherne Konstante gilt in Zeiten der Corona-Pandemie nicht mehr. An vorderster Front agiert Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Sein „Notfallplan“ schreddert mit Verweis auf die Zuständigkeiten des Landes im Katastrophenfall die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns. Der neu geschaffene „Versorgungsarzt“ soll auf Ebene der Landkreise und Kommunen ärztliche Leistungen und die Versorgung mit Schutzausrüstung planen und koordinieren. Die KV Bayerns sowie ärztliche Kreis- und Bezirksverbände sollen ihm zuarbeiten. So sieht Durchregieren in Corona-Zeiten aus.
Es zeichnen sich zwei Schulen ab
Bei der Reaktion auf diesen „Notfallplan“ zeichnen sich zwei Schulen ab. Die KV-Führung in Bayern leistet keinen politischen Widerstand gegen ihre Teilentmachtung. Angesichts des Momentums der Krise wolle man nicht über „Kompetenzen und grundsätzliche Regularien“ diskutieren – eine Bündelung aller Kräfte sei angesagt.
Die andere Schule warnt vor „einem Überbietungswettbewerb an Eingriffsmöglichkeiten“, so Hartmannbund-Chef Dr. Klaus Reinhardt. Ihn und auch andere treiben die Langzeitwirkungen des Söder’schen Politik-Experiments. Wer sagt, dass dieser Präzedenzfall nicht auch auf den Regelbetrieb des deutschen Gesundheitswesens angewendet werden kann – etwa, wenn Durchregieren an der störrischen Selbstverwaltung scheitert? Es gilt, wie die Bundeskanzlerin fordert, die Dinge vom Ende her zu denken.
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