Mobiles Breitband
So bringt 5G die Notfallmedizin voran
Im Notfall ist schnelles Handeln angesagt. Inwieweit der neue Mobilfunkstandard 5G helfen kann, die Patientenversorgung durch einen schnellen Datenaustausch zur aufnehmenden Klinik zu beschleunigen, untersuchen Forscher in Leipzig.
Veröffentlicht:Neu-Isenburg. Der neue Mobilfunkstandard 5G verspricht der medizinischen Versorgung viel Potenzial – ob im telemedizinischen oder im Notfallkontext.
Nach dem Ende der spektakulären Bundesauktion der 5G-Frequenzblöcke im Juni – die vier Netzbetreiber Deutsche Telekom, Vodafone, Telefónica und Drillisch zahlten insgesamt 6,55 Milliarden Euro – ist es erst einmal ruhig geworden. Der Netzausbau in Deutschland habe einen deutlichen Dämpfer erhalten, da die Anbieter mehr auf den Tisch legen mussten, als sie offenbar veranschlagt hatten.
Am Montag wurde nun öffentlich, dass offenbar auch der umstrittene chinesische Mobilfunkanbieter Huawei beim 5G-Treiben in Deutschland mitmachen darf.
BMBF fördert mit 6,2 Millionen Euro
Wie das Breitband die Notfallmedizin voranbringen könnte, wird nun in Leipzig erforscht. Im Mittelpunkt des MOMENTUM-Forschungsprojektes steht dabei nach Angaben der Uni Leipzig Medizintechnik, die miteinander kommuniziert und aktuelle Daten vom Unfallort an das Krankenhaus liefert.
Die Wissenschaftler nutzen dabei die 5G-Infrastruktur, um Geräte im Rettungswagen zu synchronisieren und wichtige Kennwerte gleich in die Notaufnahme zu senden, noch bevor der Patient dort eintrifft.
Mit 6,2 Millionen Euro fördert das Bundesforschungsministerium (BMBF) das Vorhaben, an dem 14 Partner beteiligt sind. Von BMBF-Seite trieb Professor Johanna Wanka (CDU), Anja Karliczeks Vorgängerin im Amt der Bundesforschungsministerin, das Thema 5G und die medizinische Versorgung voran.
Suche nach optimierten Prozessen
Federführend beim Projekt MOMENTUM („Mobile Medizintechnik für die integrierte Notfallversorgung und Unfallmedizin“) ist das Innovationszentrum für computerassistierte Chirurgie (ICCAS) der Uni Leipzig. Kernanliegen sind besser abgestimmte Abläufe am Unfallort und in der Klinik in Notfallsituationen, wenn der Rettungswagen (RTW) gerufen wird.
„Wir entwickeln zum einen eine Technologie, die alle Medizingeräte im Rettungswagen miteinander kommunizieren lässt. Zum anderen bringen wir die Patientendaten in kürzester Zeit in die Notaufnahme der Klinik, in die der Patient dann eingeliefert wird“, erläutert Professor Thomas Neumuth, Projektleiter und stellvertretender Direktor des ICCAS-Forschungszentrums der Medizinischen Fakultät. Im Detail sollen zum Beispiel einige diagnostische Verfahren zum Einsatzort hin verschoben werden.
So könnten die Notfallsanitäter oder der Notarzt beispielsweise schon einen Ultraschall durchführen und die Bilder unmittelbar ans Klinikum senden. Von dort erhielten sie telemedizinische Unterstützung bei der weiteren Behandlung am Unfallort. Gleichzeitig könne sich das Ärzteteam in der Notaufnahme auf das Ankommen des Patienten vorbereiten und ihn nahtlos weiterbetreuen.
Abdeckung und Interoperabilität im Fokus
„Wir untersuchen im Projekt auch, wie gut sich 5G in einem abgeschlossenen System, hier dem Rettungswagen, eignet, um Medizingeräte miteinander zu vernetzen. Die gesammelten Daten werden mithilfe von 5G-Technologie aus dem Wagen in eine darüber liegende Infrastruktur übertragen, wo alle Informationen sinnvoll zusammengefasst und für die Ärzte in der Klinik visualisiert werden“, erklärt Max Rockstroh, Projektmitarbeiter am ICCAS.
Zum Projektstart stehen die Wissenschaftler nach Uniangaben vor zwei Herausforderungen. Sie müssen zunächst Medizingeräte unterschiedlicher Hersteller miteinander vernetzen. Hier habe das ICCAS in langjähriger Forschungsarbeit schon erste Ansätze entwickelt und sei aktiv an der Entwicklung und Verbreitung der IEEE 11073-SDC Standardfamilie zur Medizingerätevernetzung beteiligt.
Zum anderen müssten sie mit den Gegebenheiten vor Ort umgehen: Während in der Stadt die Daten via LTE schnell ans Krankenhaus übermittelt werden könnten, sehe es mit der Mobilfunkabdeckung auf dem Lande ganz anders aus.
Projekt hat dreijährige Laufzeit
„Wir müssen Lösungen finden, wie wir mit schlechter Netzwerk-Infrastruktur vor Ort umgehen und uns überlegen, welche Daten noch übertragen werden können. Vielleicht lässt sich dann nur die Herzrate an die Klinik senden und nicht die komplette EKG-Kurve“, so Rockstroh.
In einem ersten Schritt hospitieren die Forscher in verschiedenen Notaufnahmen und analysieren den Istzustand. Im Gespräch mit den Ärzten wollen sie dann herausarbeiten, welche Technologien sinnvoll sind und den Praktikern vor Ort einen Mehrwert bieten. Das entwickelte System soll anschließend in Notfallszenarien erprobt werden, heißt es. Das Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren.
Da beim 5G-Ausbau zunächst die Industrie 4.0 – und damit die vernetzte Produktion – im Fokus steht, dürfte sich an den Herausforderungen für die Notfallversorgung bis Projektende aber wohl nichts Bahnbrechendes verbessert haben.