Hektische Umplanungen
Wie die Bundesländer jetzt mit ihren Corona-Impfkampagnen umgehen
Der vorläufige Impfstopp für die AstraZeneca-Vakzine hat in den Ländern hektische Umplanungen ausgelöst. Ein Überblick.
Veröffentlicht:Berlin. In den Bundesländern haben nach der Aussetzung der Impfungen mit der AstraZeneca-Corona-Vakzine kurzfristige Umstellungen des Impfmanagements begonnen. Wir blicken auf einzelne Länder.
In Baden-Württemberg fallen vorerst 15 000 Impfungen täglich weg, bei denen das AstraZeneca-Vakzin zuletzt eingesetzt wurde. Betroffen sind Erstimpfungen, die zunächst bis zum 22. März ausgesetzt sind. Man versuche zugleich möglichst viele Impftermine durch Umbuchungen auf die Vakzinen von BioNTech/Pfizer und Moderna zu halten, kündigte Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) an.
Absolute Priorität habe nun die Abarbeitung der Warteliste mit Menschen über 80 Jahre sowie von Menschen über 65 aus den bevorzugten Berufsgruppen. Alle bereits gebuchten Termine mit anderen Vakzinen hätten aber Bestand. Dies gelte unabhängig vom Alter für alle Menschen aus der ersten und zweiten Priorität.
Wichtig: Wessen Impftermin nun abgesagt wurde, muss sich um einen neuen Termin bemühen. Grund dafür seien technische Vorgaben im Terminbuchungssystem. Bis 22. März können aber weder telefonisch noch online neue Termine gebucht werden, gab das Ministerium bekannt.
In Bayern hat Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) schnelle Klarstellungen der Europäischen Zulassungsbehörde EMA verlangt. „Das darf jetzt keine Hängepartie werden“, sagte er. Bayern will an der möglichst raschen Einbindung von niedergelassenen Ärzten festhalten.
Für Mittwoch ist dazu ein Treffen der bayerischen Impfallianz geplant, an der KV Bayerns, Apotheker, Regierung und Impfzentren beteiligt sind. Ziel sei es, Vertragsärzte vor allem in Grenzregionen zu Tschechien, wo die Inzidenzen besonders hoch sind, rasch am Impfen zu beteiligen.
In Berlin hat die Aussetzung der Impfungen nach Ansicht von Dr. Peter Velling, medizinischer Koordinators der KV Berlin für die Impfkampagne, für „Riesenverwirrung“ gesorgt. Das Mengengerüst an verfügbaren Impfstoffen für die Fortsetzung der Impfkampagne sei gegenwärtig unklar.
Nach Vellings Ansicht wäre es besser, die Kampagne mit einem anderen Impfstoff als dem von AstraZeneca fortzusetzen. Es sei problematisch, wenn Impfwillige glauben, sie würden einen zweitrangigen Impfstoff erhalten: „Das bekommt man nicht aus den Köpfen raus, auch wenn es nicht logisch ist“, so Velling
Hamburg hat angekündigt, für die temporär weggefallenen Impftermine einen Ersatztermin anzubieten, der innerhalb der nächsten zwei Wochen stattfinden soll. Die Betroffenen sollen dazu vom Impfzentrum kontaktiert werden. Eine Neujustierung der Impfpriorisierung erwähnt die Sozialbehörde bisher nicht.
Fest steht: Unabhängig von Berechtigung oder Dringlichkeit werden derzeit keine Termine vergeben. Auf Menschen in der höchsten Priorisierungsgruppe im Alter von mindestens 80 Jahren hat dies keinen Einfluss, da diese mit dem Impfstoff von BioNTech/Pfizer geimpft werden.
Eine Ausnahme sind in Hamburg Menschen jüngeren Alters, die aufgrund medizinischer Indikation gezielt von Facharztpraxen zur Impfung eingeladen werden. Für sie war der Impfstoff von AstraZeneca vorgesehen. „Nun wird auch hier die Verwendung der anderen zur Verfügung stehenden Impfstoffe geprüft“, teilte die Behörde mit.
Derzeit sei hierfür der Impfstoff von Moderna vorgesehen. Von diesem Impfstoff werden in den Kalenderwochen 11 und 13 Lieferungen von jeweils rund 10 000 Impfdosen erwartet.
In Rheinland-Pfalz sollen laut Gesundheitsministerium rund 43.000 Bürger, die bis zum 10. April einen Termin zur Impfung mit dem AstraZeneca-Vakzin im Impfzentrum haben, geimpft werden. Dazu erfolge eine Umstellung aller geplanten Termine auf die Impfstoffe von BioNTech oder Moderna, teilte das Ministerium von Ministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) mit.
Die Impfungen bettlägeriger Menschen durch Hausärzte solle wie geplant ab dem 22. März starten. Aufgrund des nunmehr „verschärften Impfstoffmangels“ könnten allerdings zunächst nur Bettlägerige der Prioritätsgruppe 1 geimpft werden und nicht die Kontaktpersonen beziehungsweise Angehörigen der Prioritätsgruppe zwei.
Schleswig-Holstein hat alle Impfungen mit dem AstraZeneca-Vakzin bis 19. März abgesagt. Die Betroffenen sollen per Mail informiert werden. Keine Auskunft gab das Gesundheitsministerium auf Anfrage darüber, ob eine Neujustierung der Impfpriorisierung aufgrund der nun fehlenden Mengen nötig sei.
In Schleswig-Holstein fürchtet das Gesundheitsministerium durch die Verzögerungen in der Impfkampagne keinen dauerhaften Schaden: „Sicher geht hier auch Vertrauen verloren, allerdings ist eine fachliche Auseinandersetzung mit aufgetretenen Komplikationen ein Vorgehen, das erklärbar und vermittelbar ist. Wichtig bei der Kommunikation – nach Abschluss der Prüfungen durch das PEI und die EMA – wird sein, transparent die fachlichen Erkenntnisse über den Impfstoff nach außen zu tragen. Ebenfalls nehmen Impfärztinnen und Impfärzte bei Ihren Aufklärungsgesprächen mit Impfwilligen eine wichtige Rolle ein“, erklärte das Ministerium auf Anfrage der „Ärzte Zeitung“.
In Thüringen sind von der Aussetzung vor allem die zentralen Impfzentren in Gera und Erfurt betroffen. Dort entfallen aktuell pro Tag rund 2800 Impftermine. Dabei geht es ausschließlich um Erstimpfungen. In den kleineren Impfzentren im Land, wo andere Vakzine eingesetzt werden, sollen die Impfungen weitergehen.
Corona-Impfstoffe: In Deutschland regiert die Knappheit
Stand 15. März sind insgesamt 12,5 Millionen Dosen Corona-Impfstoff von drei Herstellern nach Deutschland geliefert worden. Mit 3,427 Millionen stammte gut ein Viertel von AstraZeneca.
Ausweislich einer Aufstellung des Bundesgesundheitsministeriums vom 1. Februar waren für das erste Quartal rund 5,6 Millionen Dosen von AstraZeneca erwartet. Ende vergangener Woche hatte das britisch-schwedische Unternehmen angekündigt, seine Lieferungen an die EU bis Juli wegen Exportbeschränkungen um mehr als die Hälfte zu kürzen.
Corona-Impfungen
AstraZeneca-Impfstoff: Erkenntnisse und Entwicklungen
Für das zweite Quartal waren nach einer Unterlage vom 1. Februar bislang 16,9 Millionen Dosen Impfstoff von AstraZeneca eingeplant, für das dritte sogar 33,8 Millionen.
Erwartete Lieferungen von Johnson&Johnson und eine Zulassung des Impfstoffs des Tübinger Herstellers CureVac könnten die Lage ab dem zweiten Quartal entspannen helfen. (di/af/fst/hom/dpa)