Allergie
Zu wenige Praxen für Heuschnupfen-Patienten
Mehr Allergiker, weniger Allergologen: In Deutschland erhält nur ein Bruchteil der Heuschnupfen-Patienten die notwendige Therapie, um einem späteren Asthma vorzubeugen. Die Gründe sind vielfältig.
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Bei der Hyposensibilisierung werden den Patienten Allergene gespritzt.
© Arteria Photography
MANNHEIM. Die Prävalenz der allergischen Rhinitis steigt seit Jahren. Mittlerweile leidet etwa jeder dritte Deutsche an der immunologischen Erkrankung.
Doch während die Fälle zunehmen, sinkt die Zahl derer, die sie behandeln. Immer weniger Praxen in Deutschland bieten eine Hyposensibilisierung zur kausalen Therapie der allergischen Rhinitis an.
Zwischen 2007 und 2010 ging die Zahl der Praxen, die eine solche Therapie anbieten, um 13 Prozent zurück. Die Folge: Nur sieben Prozent der Heuschnupfenpatienten und fünf Prozent der Asthmatiker erhalten eine ursächliche Therapie ihrer Erkrankung, wie die Deutsche Fortbildungsgesellschaft der Hals-Nasen-Ohrenärzte im Rahmen der 47. Fortbildungsveranstaltung der HNO-Ärzte mitteilt.
Dabei empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit 2001 eine frühzeitige und ursächliche Behandlung von Allergien, um das Risiko eines allergischen Asthmas zu reduzieren.
In Deutschland würde dies jedoch kaum beachtet, sagt Professor Ludger Klimek vom Zentrum für Rhinologie und Allergologie in Wiesbaden. Das spiegelt sich auch in der Statistik wider: Zwischen 2007 und 2010 legte die Zahl der Asthma-Patienten um 8,7 Prozent zu.
Eine Frage der Honorierung
"Die Gründe dafür liegen in einem schlechten Honorarsystem", erklärt Klimek. In den Regelleistungsvolumen würden Allergiediagnostik und die langwierigen Hyposensibilisierungsbehandlungen zu schlecht honoriert. Die medizinisch indizierte Therapie scheitert offenbar an wirtschaftlichem Kalkül.
Einen Ausweg zeigen integrierte Versorgungsverträge. Sie bieten Ärzten zumindest regional eine attraktive Vergütung.
"IV-Verträge wie in Bayern sind für die teilnehmenden Ärzte ein Segen, was sich auch in der Versorgungssituation auswirkt", bestätigt Dr. Michael E. Deeg, niedergelassener HNO-Arzt und Allergologe in Freiburg, im Interview mit Ärzte Zeitung/Springer Medizin.
Selbstläufer sind diese Verträge allerdings nicht. Auch die HNO-Ärzte in Baden-Württemberg wünschen sich eigene Vergütungsmodelle. "Es ist aber nicht so, dass die Kassen uns die Bude einrennen", sagt Deeg, der auch Landesvorsitzender des Deutschen Berufsverbandes der HNO-Ärzte in Baden ist.
Außerdem sind die Verträge nicht von Dauer, wie der Fall Bayern zeigt. Der finanzielle Anreiz für die Hyposensibilisierung wird dort nachverhandelt, nachdem der IV-Vertrag ausgelaufen ist. Eine flächendeckende Versorgung resultiert daraus nicht.
Weiterbildung unattraktiv
Es sind aber nicht allein wirtschaftliche Aspekte, die die Zahl der ausgebildeten Allergologen zurückgehen lässt. Die lange Zeit der Weiterbildung scheint viele HNO-Ärzte von der Zusatzqualifikation abzuhalten.
"Die Ausbildung zum Allergologen ist aufwendiger und schwieriger geworden", sagt Deeg. (Video-Interview siehe unten)
Der Wissenszuwachs in den letzten Jahren war enorm, gerade was die Ursachen allergischer Erkrankungen betrifft. Heute ist ein Jahr zusätzliche Ausbildung für Allergologen nötig, die sich nicht in die Facharztausbildung zum HNO-Arzt integrieren lässt.
Dass dies der Versorgungssituation nicht förderlich ist, hat der Deutsche Berufsverband der HNO-Ärzte erkannt. In eigenen Ausbildungskursen versucht er, Kollegen für das Fach Allergologie zu gewinnen.
"Wir haben die Flucht nach vorne ergriffen und eine Initiative gestartet, um das Interesse unserer Mitglieder an der Allergologie wiederzuerwecken", erklärt Dr. Doris Hartwig-Bade.
Mit dem Qualitätssiegel Allergologie haben der Berufsverband und die Fortbildungsgesellschaft vor einigen Jahren einen Fortbildungskurs ins Leben gerufen, der offenbar gut bei den Ärzten ankommt.
Seit 2012 wird der Kurs durch das Allergologie-Update ergänzt. Darüber hinaus wird in diesem Jahr zum ersten Mal ein zweiter Fortbildungskurs angeboten.
Der Berufsverband will interessierten Ärzten so den Einstieg in die Allergologie erleichtern und eine berufsbegleitende Weiterbildung ermöglichen.
Veröffentlicht: 05.11.2013 © Springer Medizin