Interview zur Notfallversorgung
„Zuständigkeitsgerangel hilft keinem“
Vertragsärzte und Kliniken müssen sich bei der Notfallreform zusammenraufen, fordert der Gesundheitsweise Ferdinand Gerlach.
Veröffentlicht:Ärzte Zeitung: Angesichts der geplanten Reform der Notfallversorgung streiten Vertragsärzte und Kliniklobby um Zuständigkeiten. Zu Recht?
Professor Ferdinand M. Gerlach: Die rituellen und inhaltlich komplett überflüssigen Grabenkämpfe machen deutlich, wo das Problem liegt: Das sektorenegoistische Zuständigkeitsgerangel hilft keinem einzigen Patienten weiter und ist fataler Ausdruck der in Deutschland besonders ausgeprägten sektoralen Abschottung. Ziel der Reform muss daher sein, diese unselige und für die Patientenversorgung kontraproduktive Trennung zu überwinden.
Warum ist die Notfallversorgung überhaupt in Not geraten?
Gerlach: Die Notfallversorgung ist Ausdruck organisierter Verantwortungslosigkeit. Hier stoßen drei sehr unterschiedlich organisierte, kaum kooperierende Sektoren aneinander: Rettungsdienst, Notaufnahmen von Kliniken und Ärztlicher Bereitschaftsdienst. Es gibt keine bedarfsgerechte Steuerung aus einem Guss.
Viel zu oft ist es reiner Zufall, wo und wie die betreffenden Patienten versorgt werden. Notaufnahmen werden zunehmend von leicht Erkrankten „verstopft“. Es kommt zu vermeidbaren Wartezeiten, Kapazitäten für schwerer Erkrankte werden unnötig gebunden.
Herzstück der Reform sind die „Integrierte Notfallzentren“, kurz INZ genannt. Sinnvoll?
Gerlach: Neben gemeinsamen Leitstellen, in denen Rettungsdienst und Bereitschaftsdienst eine algorithmengestützte Ersteinschätzung und Einsteuerung in die richtige Versorgungsebene vornehmen, sollen niedergelassene Ärzte und Klinikärzte rund um die Uhr und unter einem Dach in INZ zusammenarbeiten. Da höchstmögliche Qualität angestrebt wird, sollen INZ nur an den regional jeweils bestgeeigneten Kliniken eingerichtet werden. Innerhalb der INZ wird an einem Tresen entschieden, wie Patienten bedarfsgerecht versorgt werden können.