Hausarztverträge
vdek-Chefin Bender will gleiche Spielregeln für alle Kassen
Das Bundesversicherungsamt macht gegen Hausarztverträge mobil. Die neue Chefin der Landesvertretung des vdek in Baden-Württemberg, Biggi Bender, fordert bei der Kassen-Aufsicht gleich lange Spieße für alle Akteure – und hat dabei die AOK im Blick.
Veröffentlicht:STUTTGART. Die Zukunft der Hausarztverträge ist eingetrübt: Die neuen Vorgaben des Bundesversicherungsamtes (BVA) machen "die Refinanzierung der Hausarztverträge schwieriger". Davon geht Biggi Bender aus, neue Leiterin der Landesvertretung des Ersatzkassenverbands vdek in Baden-Württemberg. Am kommenden Montag wird Bender in Stuttgart offiziell in ihr Amt eingeführt.
Hintergrund ihrer Prognose ist die Aufforderung des BVA, Chronikerpauschalen in den Verträgen zu überprüfen. Denn über dieses Instrument, so die Aufsichtsbehörde, nähmen Kassen Einfluss auf die Zuweisungen. Gegenwärtig überprüften die Ersatzkassen, ob es Anpassungsbedarf bei den Hausarztverträgen gibt, sagt Bender. Die HzV als Versorgungsform werde dadurch aus Sicht der Ersatzkassen "nicht attraktiver". Die Ersatzkassen versichern im Südwesten mehr als drei Millionen Menschen.
Gespaltene Aufsicht über Kassen
Bender, die von 2002 bis 2013 für die Grünen dem Bundestag angehörte, kennt als ehemalige gesundheitspolitische Sprecherin ihrer Fraktion die Langzeit-Baustellen des Politikfelds. Die gespaltene Aufsicht über die Kassen ist für sie ein solches Thema.
Die Politik muss sich aus ihrer Sicht mit der zwischen BVA und Landesozialministerien changierenden Aufsicht stärker beschäftigen, fordert sie. "Es kann nicht sein, dass die AOK bei ihren Hausarztverträgen machen kann, was sie für richtig hält – und wir erhalten die Vorgaben aus Bonn" – dem Sitz des BVA.
Gleichermaßen treibt die Ersatzkassen in Baden-Württemberg der Dauerstreit um den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich um. "Wir sehen, dass die Schere zwischen Über- und Unterdeckungen bei den Krankenkassen weiter aufgeht", klagt Bender.
Baden-Württemberg sei ein Hochlohnland, und man bekenne sich zum solidarischen Ausgleich in der GKV. "Man muss aber die Frage stellen, warum es einen Einkommensausgleich innerhalb des GKV-Systems gibt, einen Ausgleich bei den Kostenstrukturen aber nicht", so Bender.
Gestaltungshoheit behalten!
Zu den anstehenden wichtigen Gestaltungsaufgaben gehört aus Sicht der ehemaligen Grünen-Politikerin der Umgang mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Beispiele aus dem Ausland zeigten, welche Möglichkeiten hier schlummern. Freilich habe auch der vdek "keinen fertigen Ordnungsrahmen" für diese Frage – aber es gebe Ansätze.
Bender erwähnt einen Vorschlag aus der KV Baden-Württemberg. Der KV-Vorstand hat angeregt, "digitale Sprechstundenmodelle zum Teil des Sicherstellungsauftrags zu machen", berichtet Bender.
Das sei ein guter Ansatz, "damit die Selbstverwaltungspartner in dieser Frage die Gestaltungshoheit behalten". Denn Amazon und Co. stünden vor der Tür und wollten dieses Geschäftsfeld für sich erschließen. Vor diesem Hintergrund sieht der vdek das Modellprojekt DocDirekt, in dem die Fernbehandlung ohne vorherigen Erstkontakt erprobt wird, positiv.
Erste Erfahrungen zeigten, dass DocDirekt insbesondere gerne von Familien in Anspruch genommen wird. "Das ist aus meiner Sicht ein Indiz, das hier ein realer Bedarf besteht", sagt Bender. Die neue Leiterin der vdek-Landesvertretung geht davon aus, dass ein Druck entstehen wird, digitale Versorgungsangebote wie DocDirekt zum Teil der Regelversorgung zu machen.
Teil des neuen Versorgungsangebots sollte auch das E-Rezept sein. Es wird jedoch im Rahmen von Doc- Direkt wegen rechtlicher Bedenken nicht realisiert. "Es ist Aufgabe des Bundesgesetzgebers, hier bestehende rechtliche Bedenken auszuräumen", fordert Bender. Patienten müssten die freie Wahl haben, in welcher Apotheke sie das Rezept einlösen.
Mehr Teamarbeit gefordert
Telemedizinische Angebote könnten keine alleinige Lösung für Sicherstellungsprobleme auf dem Land sein, zeigt sich Bender überzeugt. "Wir werden Strukturen verändern müssen." Im Kern gehe es darum, die Begleitung von alten, chronisch kranken Patienten insbesondere auf dem Land sicherzustellen.
Antworten seien künftig vor allem auf die Frage nötig, wie man mit der "knappen Ressource Arzt" umgehen will. "Eine stärkere Teamarbeit von Ärzten und nicht-ärztlichen Praxisassistenten kann aus meiner Sicht sinnvoll durch Telemedizin flankiert werden."
Parallel dazu fordert Bender ein Nachschärfen von Gesetzen, deren Umsetzung lahmt. So bezeichnet sie das Nebeneinander von Mangelversorgung und Überversorgung als ein ungelöstes Problem – "wie wohl die Versorgung in Baden-Württemberg generell nach wie vor gut ist". Doch einzelne Instrumente etwa im Versorgungsstruktur-Gesetz hätten sich als wirkungslos erwiesen. Hier sei Nachbessern nötig, "damit Arztsitze in laut Bedarfsplanung überversorgten Planungsbezirken nicht einfach nachbesetzt werden können."
Biggi Bender
- Seit Januar neue Leiterin der Landesvertretung des vdek in Baden-Württemberg.
- Mitglied des Deutschen Bundestags von 2002 bis 2013; gesundheitspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion. Seither als selbstständige Beraterin im Gesundheitswesen tätig.
- Mitglied des baden-württembergischen Landtags von 1988 bis 2001, unter anderem als Vorsitzende der Grünen-Fraktion