Ärzteverbände und KVen begrüßen Röslers Initiative zu Kodierrichtlinien

Eine Verlängerung der Testphase der Ambulanten Kodierrichtlinien - dieser Rösler-Vorschlag findet breite Zustimmung bei Ärzteverbänden. Auch die meisten KVen sehen die Initiative des Ministers eher positiv.

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Eingabe der ICD-Schlüssel nach den neuen Richtlinien - nur ein unnötiger bürokratischer Aufwand?

Eingabe der ICD-Schlüssel nach den neuen Richtlinien - nur ein unnötiger bürokratischer Aufwand?

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BERLIN. Zustimmung und Erleichterung bei Ärzteverbänden hat der Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) hervorgerufen, die Übergangsfrist für die umstrittenen Ambulanten Kodierrichtlinien (AKR) um ein halbes Jahr zu verlängern.

Der Vorstand der KV Bayerns bezeichnete die Ankündigung als eine "Entscheidung der Vernunft und des gesunden Menschenverstandes". In ihrer jetzigen Form seien sie keinesfalls praxistauglich, erklärte KVB-Vorsitzender Dr. Wolfgang Krombholz.

Sie müssten zunächst gründlich überarbeitet werden, bevor sie bundesweit verbindlich zum Einsatz kommen könnten. Dies sei in der Kürze der Zeit bis zum 1. Juli 2011 nicht umzusetzen gewesen.

Dass die Kodierrichtlinien in Bayern in einer Pilotphase getestet wurden, sei richtig gewesen, ergänzte der stellvertretende KVB-Vorsitzende Dr. Pedro Schmelz. Diesen Praxistest hätten die AKR allerdings nicht bestanden. Der Protest der Haus- und Fachärzte sei daher auch entsprechend heftig ausgefallen und "konnte in Berlin nicht mehr überhört werden", erklärte Schmelz.

"Erheblichen bürokratischen Zusatzaufwand ohne einen entsprechenden finanziellen Ausgleich werden sich die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten auch im nächsten Jahr nicht aufbürden lassen", betonte Schmelz. Zudem müsse klar dargestellt werden, welche Auswirkungen die Anwendung der AKR künftig auf das Honorar der Ärzteschaft habe.

Als "eine gute Nachricht für die Vertragsärzte" bezeichnete Dr. Thomas Kriedel, Vorstandsmitglied der KV Westfalen-Lippe (KVWL) die geplante Verlängerung. "Wir standen den Richtlinien zur Umsetzung der AKR in ihrer jetzigen Form seit Langem kritisch gegenüber", so Kriedel. Jetzt müsse die Zeit für eine grundlegende Vereinfachung genutzt werden.

Kriedel zufolge würden die derzeitigen Regelungen der AKR ausschließlich zu einer erheblichen Mehrbelastung der Vertragsärzte, nicht zu einer verbesserten Dokumentation der Patientenmorbidität führen. Kriedel weiter: "Ärztliches Kodieren kann und darf nicht dazu dienen, Daten zu sammeln. Kodieren muss ärztliches Handeln am Patienten begründen."

Aus anderen Bundesländern sind zurückhaltendere Töne zu hören. So sprachen sich Sachsen-Anhalts Vertragsärzte auf ihrer jüngsten Vertreterversammlung klar für das Morbiditätsprinzip in der Vergütung - und mit ihm für eine praxistaugliche Kodierung aus.

Dr. Burkhard John, Vorsitzender der KV Sachsen-Anhalt: "Wir haben hier eine deutlich höhere Morbidität und die müssen wir mit einem möglichst einfachen Instrument darstellen." Gerade für Ärzte in den neuen Ländern sei die richtige Kodierung wichtig, weil nur so Morbidität abgebildet werden könne.

Schleswig-Holsteins Ärzte und die KV-Spitze verfolgen die Einführung der Kodierrichtlinien weiter mit Unbehagen. Sie halten aber eine Verweigerungshaltung für kontraproduktiv. "Mit einer Komplettverweigerung tun wir uns keinen Gefallen," hatte die KV-Vorstandsvorsitzende Dr. Ingeborg Kreuz deutlich gemacht.

Der KV-Ehrenvorsitzende aus Schleswig-Holstein, Dr. Eckard Weisner erinnerte an die möglichen Vorteile der Kodierrichtlinien für die Ärzteschaft. "Im heutigen Ressourcenkampf hat die Ärzteschaft keine Chance auf zusätzliches Geld ohne entsprechenden Nachweis", sagte Weisner.

Der Hausärzteverband begrüßte ebenfalls die angekündigte Verlängerung der Testphase. Das Projekt der AKR sei "völlig ungeeignet das Krankheitsgeschehen in der ambulanten Versorgung wirklichkeitsgetreu abzubilden, es bringt nichts für die Versorgung der Patienten und muss überarbeitet werden," sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt.

Ähnlich äußerte sich auch der NAV Virchow-Bund: "Wir begrüßen die Initiative des Bundesgesundheitsministers, die Einführung der Ambulanten Kodierrichtlinien (AKR) bis Jahresende auszusetzen", erklärte der Bundesvorsitzende des Verbandes der niedergelassenen Ärzte Deutschlands, Dr. Dirk Heinrich.

Diese Entscheidung nehme den Druck aus dem Kessel und schaffe die Voraussetzungen, eine sachgerechte Lösung zu erzielen: "In dieser Atempause sollten wir tief durchatmen, Luft holen und dann sehen, was an Kodierung wirklich notwendig ist und was nur als Beschäftigungstherapie für Bürokraten dient", betonte Heinrich.

Nach ersten Rückmeldungen von Softwarunterenehmen beginnen die Praxen zögerlich, mit den Kodierrichtlinien zu arbeitenn. (sto/zie/di/ava)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 21.02.201107:41 Uhr

Es bleibt ein "Perpetuum Mobile" der KBV

AKR (amb. Kodierrichtlinien) sollen dazu dienen, das jetzige demografische RLV- Pauschal- und Budgetsystem zu Gunsten einer morbiditätsorientierten Vergütung abzulösen, die dann wiederum demografisch pauschaliert und budgetiert wird.

Es soll aber niemand behaupten, ansonsten würden sich die KVen und die KBV nicht bewegen: Die KBV stellte sich sogar an die Spitze der AKR-Gegner: "Verlängerung der Übergangs- und Einführungsphase für die Kodierrichtlinien sei ganz im Sinne der KBV" (KBV-Brief an Dr. med. Philipp Rösler, BGM). "Maßnahmen zur Erleichterung der Handhabung" seien mit Bedingungen zu verknüpfen wie
a) Überdenken der 5-Stelligen Kodierungstiefe
b) hausärztliche Anwenderfreundlichkeit
c) Honorarneutralität der Fristverlängerung (O-Ton KBV).

Ich frage mich ernsthaft, ob die KBV die Online-Petition beim Deutschen Bundestag g e g e n ihre eigene AKR a u c h mitgezeichnet hat? Und ist es nicht so, dass mit dem derzeitigen ICD-10 GM eine Tiefe der informationellen Kodierung erreicht wurde, die alle in der GKV verfügbaren Versicherungsfachangestellten ohne Weiteres morbiditätsmäßig zufrieden stellen müsste?

Für uns Vertragsärztinnen und -ärzte gilt natürlich: Es genügt nicht, eine Morbiditäts- und Krankheitskodierung bereits zu haben, man muss sie auch anwenden. Freundliche, kollegiale Grüße, Dr. med. Thomas G. Schätzler

Dr. Jürgen Schmidt 20.02.201104:39 Uhr

Zeit zum Nachdenken

Was auch immer nach dem Aufschub einer vertieften und arbeitsaufwendigen Kodierung aus den Verhandlungen heraus kommt, rechtfertigt weder die teils hochgespannten Erwartungen an die Honorarentwicklung, noch die verschärften berufspolitischen Angriffe gegen die KBV.

Es ist ein Erfolg der KBV, dass die Verhandlungen über Art und Umfang einer Kodierung, die für eine an der Morbidität orientierte Gesamtvergütung vereinbart worden ist, unter Einbeziehung eines den Ärzten wohl gesonnenen Ministers stattfinden und nicht allein der Selbstverwaltung, d.h. dem Streit mit den Krankenkassen überlassen bleiben. Der Ministertisch wäre der rechte Ort, über die Sinnhaftigkeit einer flächendeckenden Kodierung, die einen Datenberg zur Folge hat, in dem es nach den Goldkörnern zu schürfen gilt, noch einmal nachzudenken.

Man sollte sich an der ärztlichen Basis, zumal jener, die sich zu lautstarken berufspolitischen Bewertungen heraus gefordert fühlt, über einige Punkte klar werden

1. Die Verhandlungslinie, um von der einahmenbezogenen Ausgabenpolitik der Krankenkassen und einer daran orientierten Gesamtvergütung weg zu kommen und die Morbidität als Prüfparameter zu implementieren, war ein langfristig und hartnäckig vorbereiteter Erfolg der KBV - von der gegenwärtigen Regierungskonstellation allerdings begünstigt.

2. Das statistische Resultat einer wie auch immer gearteten Erhebung zur Morbidität, ist noch kein Ergebnis, sondern Rohmaterial, dass von einer Nachprüfung des Leistungsgeschehens begleitetet sein wird. Denn eigentlich finanziert werden soll ja nicht die Morbidität, sondern der Zuwachs an medizinischen Leistungen.

3. Am Ende wird die Schlacht um Glanz und Elend von Statistiken zur Morbidität also auf einem ganz anderen Feld geschlagen, so dass der vermeintliche strategische Vorteil der Verhandlungssituation sich leicht in das Gegenteil verkehren kann.

4. Da am Ende aller Rechenkünste zur Morbiditätsentwicklung keine unwiderlegbare Zahl, sondern bestenfalls eine für die Honorarentwicklung positive Interpretation stehen wird, wäre es zu überlegen, operationale Kriterien festzulegen, die weder von anzweifelbaren Kodierungskünsten der Ärzte, noch von der Pseudologia statistika, noch von der Streitlust der Verhandlungspartner abhängen, sondern von Erhebungen und Bewertungen durch Sachverständige ( eine sinnvolle Aufgabe für das ZI und das Pendent bei den Krankenkassen ). Weitere Sachverständige wird der Staat ohnehin ins Spiel bringen, um die Auswirkungen seiner Politik zu legitimieren.

5. Im Verteilungsstaat ist aber der eigentliche Entscheider über Erfolg und Dauer von Regelungen zur Gesamtvergütung und deren Folgen für die Beitragssätze der Krankenkassen ohnehin immer der W ä h l e r. Die Krankenkassen verteilen Steuergelder und Mittelaufkommen von Gesunden für Kranke. Die Politik hat also den W ä h l e r entweder im Genick oder beizeiten im Auge.

6. Demgegenüber befindet sich die KBV als Verhandler für eine immer inhomogener werdende, in zahlreiche Lager zerfallende Ärzteschaft, die noch dazu ihr Heil außerhalb der Gesamtvergütung über Sonderverträge sucht, in einer schwachen Position. Wer daran etwas ändern will, muss bei der berufspolitischen Bewusstseinsbildung und der ärztlichen Strukturpolitik anfangen.

Schmidt/Ahrensburg

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