KBV kritisiert Unis

Ärztliche Ausbildung nicht zeitgemäß!

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung warnt vor dramatischen Versorgungslücken: Der hausärztliche Nachwuchs bleibe aus. Schuld an der Misere seien die Unis. Die lassen die Kritik nicht auf sich sitzen.

Von Sunna Giesekeund Rebecca Beerheide Veröffentlicht:
Junge Ärzte: Wie viele davon sind Hausärzte?

Junge Ärzte: Wie viele davon sind Hausärzte?

© Andres Rodriguez / fotolia.com

BERLIN. Es werden immer mehr Hausärzte gebraucht, allerdings gibt es immer weniger Nachwuchs, der die Versorgungslücken schließen könnte.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat daher gefordert, die ärztliche Aus- und Weiterbildung an die Versorgungsnotwendigkeiten der Bevölkerung anzupassen.

Vor allem müsse die ambulante Tätigkeit in der universitären Ausbildung zukünftig eine stärkere Rolle spielen, um dem Trend entgegenzuwirken.

Positionspapier vorgestellt

In einem Positionspapier der KBV-Vertreterversammlung heißt es, dass bis zum Jahr 2020 etwa 48.000 niedergelassene Ärzte altersbedingt ausscheiden werden.

Der Nachwuchs fehle jedoch: "Denn immer weniger junge Ärzte sind bereit, nach ihrer Ausbildung in der kurativen Patientenversorgung tätig zu werden", heißt es in dem Papier, mit dem sich die KBV-VV für den anstehenden Bundestagswahlkampf positionieren will.

Im Jahr 2012 haben der KBV zufolge 10.127 Ärzte ihre Weiterbildung abgeschlossen. "Davon sind lediglich 949 Hausärzte", sagte KBV-Vorstand Regina Feldmann anlässlich der Vorstellung des Papiers am Donnerstag in Berlin.

Das entspreche 9,4 Prozent aller Absolventen. Zum Vergleich: Im Jahr 2005 waren noch 3506 Hausärzte. Die niedrige Anzahl der Absolventen deckt somit keinesfalls den steigenden Bedarf.

"Die Zeit drängt"

Gleichzeitig erfolgten jedoch immer mehr Behandlungen fast ausschließlich ambulant und nicht mehr in Kliniken, so Feldmann. Verschärft werde diese Entwicklung durch den steigenden Behandlungsbedarf einer älter werdenden Bevölkerung mit oft mehreren chronischen Erkrankungen.

Inzwischen könnten diese Patienten aufgrund des medizinischen Fortschritts oft in der Praxis statt in der Klinik behandelt werden. "Die Zeit drängt. Wir müssen jetzt handeln", warnte KBV-Vize Feldmann.

Ihre Prognose: Gehe diese Entwicklung ungebremst so weiter, "können wir die Grundversorgung in den nächsten 15 Jahren nicht mehr sicherstellen". Der Hausarztmangel sei nur ein Teil des Problems. Künftig würden fast alle Grundversorger fehlen - auch bei Augen-, Haut-, und Hals-Nasen-Ohren-Ärzten fehle der Nachwuchs.

Allerdings reagierten Universitäten bislang noch nicht auf diesen negativen Trend. "Junge Ärzte treffen die Entscheidung, ob sie später im Krankenhaus arbeiten oder in die Praxis gehen wollen, oft in der ersten Phase ihrer Ausbildung", heißt es in dem Positionspapier der KBV-VV.

Wunsch, Hausarzt zu werden, sinkt während des Studiums

Nach einer Studie der Universität Trier können sich am Anfang des Studiums noch 40 Prozent der Studenten vorstellen, etwa als Hausarzt tätig zu werden. Am Ende des Studiums sind es nur noch zehn Prozent.

Die ärztliche Ausbildung sei somit nicht mehr zeitgemäß - weder inhaltlich noch strukturell, kritisierte Feldmann. Sie bilde in keiner Weise die Versorgungsrealität ab.

Den Stellenwert der ambulanten Medizin könne in den universitären Ausbildungseinrichtungen bestenfalls erahnt werden. An 36 medizinischen Hochschulen werden etwa 0,5 Prozent aller Patienten versorgt, mit einer durchschnittlichen Liegezeit von sieben Tagen.

Pflichtweiterbildung in weiteren Gebieten

Auch bei der Weiterbildung der Ärzte sieht Feldmann Handlungsbedarf. Hier solle eine mindestens sechsmonatige Pflichtweiterbildung über das Fach Allgemeinmedizin hinaus auf weitere patientennahe Gebiete im ambulanten Bereich als Pflichtweiterbildung verankert werden.

"Organisatorisch kann dies über die bestehenden Koordinierungsstellen erfolgen, die derzeit schon dem Arzt in Weiterbildung als Anlaufstelle dienen und ausgebaut werden könnten", heißt es in dem Positionspapier der KBV-VV.

Diese Forderung widerspricht jedoch einem Beschluss des 115. Deutschen Ärztetags. Darin heißt es: "Die Weiterbildungsmöglichkeiten in der Vertragsarztpraxis müssen verbessert werden. Dies sollte nicht durch Zwang geschehen, der nur Engpässe und negative Anreize bewirken würde."

MFT wehrt sich gegen Schuldzuweisungen

Der Medizinische Fakultätentag (MFT) weist die Kritik an der universitären Ausbildung zurück. "Die Schuldzuweisungen sind unangemessen, der Wunsch, als Allgemeinmediziner zu arbeiten ist in den vergangenen Jahren gestiegen", erklärte Dr. Volker Hildebrandt, Generalsekretär des MFTauf Anfrage der "Ärzte Zeitung".

"Allerdings wollen viele als Angestellte arbeiten und fürchten sich vor der finanziellen Belastung einer Praxis." Er betont, dass in einer Umfrage unter Studenten im Jahr 2010 deutlich wurde, dass die Allgemeinmedizin auf Platz zwei hinter der Inneren Medizin rangiere.

Die Ergebnisse der Umfrage wurden damals gemeinsam von KBV und MFT erhoben.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Lernen für die Praxis!

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Kommentare
Dr. Uwe Wolfgang Popert 11.03.201310:28 Uhr

dramatische Versorgungslücken

Frau Feldmann hat (endlich mal) recht: die Ausbildungssituation ist beschämend: etwa ein Drittel der Universitäten hat noch nicht mal eine reguläre Abteilung für Allgemeinmedizin!
Fairerweise muss man dazu sagen: an dem Ärztemangel ist die Politik schuld - 1990 wurde die Zahl der Medizinstudenten um 20% gekürzt. Das spürte man schnell - nach dem (im Rahmen der neuen europäischen Arbeitszeitverordnung) sprunghaft gestiegenen Bedarf an Krankenhausärzten bleibt immer weniger für den ambulanten Bereich übrig.
Das wird vertärkt durch die eigennützige Politik des Marburger Bundes, der dringend notwendige Reformen der Weiterbildung in den Ärztekammern blockiert. Hier ist das System der Selbstverwaltung offensichtlich völlig überfordert - wenn man den Sumpf trockenlegen will, darf man nicht die Frösche entscheiden lassen.
Alle diese Massnahmen kommen spät: die Versorgungskatastrophe ist bereits spürbar. Bis erste Verbesserungen der Weiterbildung greifen, wird es mindestens 6 Jahre dauern; Verbesserungen des Studiums wirken frühestens nach der doppelten Zeit!
In der Zwischenzeit werden Spezialisten in Hausarztpraxen umgeschult, auf das Land gezwungen und Hausbesuche machen müssen.
Oder ein großer Teil der Bevölkerung wird nur noch zu 50% ärztlich versorgt. Und das bereits in der nächsten Legislaturperiode.

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