Gesundheitsnetz Frankfurt am Main

Arztnetz in der Großstadt mit Perspektive

Professionelle Strukturen sind entscheidend für Ärztenetze. Was mithilfe einer Netzmanagerin erreichbar ist, zeigt ein Netz in Frankfurt am Main, das jüngst mit einem Preis ausgezeichnet worden ist.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Frauenpower an der Spitze: Netzmanagerin Julia Müller (l.) und GNEF-Vorsitzende Dr. Carola Koch.

Frauenpower an der Spitze: Netzmanagerin Julia Müller (l.) und GNEF-Vorsitzende Dr. Carola Koch.

© Pete Smith

FRANKFURT AM MAIN. "Vernetzung wird immer wichtiger", sagt Dr. Carola Koch, "sie kommt letztlich nicht nur den Patienten, sondern auch uns Ärzten zugute."

Die Allgemeinmedizinerin ist Vorstandsvorsitzende des Gesundheitsnetzwerks Frankfurt am Main (GNEF), das sie 2008 ins Leben gerufen hat. Heute gehören 32 Ärzte aus dem Frankfurter Westen dem Netz an, je zur Hälfte Haus- und Fachärzte.

Für sein Projekt "Versorgungsstrukturen demenzkranker Patienten" hat das GNEF vor kurzem einen der beiden Preise der Gesundheitsnetzwerker 2015 erhalten. Das Projekt, so Carola Koch, sei ein hervorragendes Beispiel dafür, wie man Herausforderungen im Gesundheitswesen durch vernetztes Denken und vernetzte Angebote begegnen kann.

Gesundheitsnetz Frankfurt

Gründung/Standort: gegründet 2008, Netz für die westlichen Stadtteile von Frankfurt am Main

Mitglieder: 32 niedergelassene Ärzte, je zur Hälfte Fach- und Hausärzte

Mitgliedsbeitrag: 85 Euro im Monat

Angebote: u. a. Weiterbildungsverbund zum Facharzt für Allgemeinmedizin; Fortbildungsangebote für MFA; Modellprojekt für demenzkranke Patienten

Website:www.gnef.de

"Wenn wir uns professionalisieren wollen, geht es nicht mit einem Jahresbeitrag von 30 Euro und gesponserten Sitzungen, sondern dann müssen wir uns zu einer festen Unternehmensform zusammen finden", so Carola Koch.

Laut Satzung ist das GNEF eine Genossenschaft mit dem Zweck, die freiberufliche Position und wirtschaftliche Existenz der niedergelassenen Ärzte zu sichern. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 85 Euro pro Monat.

Zentrales Büro koordiniert Projekte

Professionalisierung bedeute, dass man ein eigenes Büro, eine eigene Verwaltung und einen festen Ansprechpartner habe, sagt die Frankfurter Allgemeinärztin.

Daher unterstützt Julia Müller das Gesundheitsnetz seit 2010. Die gelernte Arzthelferin und pharmazeutisch-technische Assistentin koordiniert vom GNEF-Büro in Frankfurt-Sachsenhausen aus die verschiedenen Projekte des Netzwerks, beantwortet Mails sowie telefonische Anfragen und sorgt sich um die Fortbildungen für Ärzte und Medizinische Fachangestellte.

Eines der ersten größeren Projekte des GNEF war der 2010 erstmals veranstaltete Höchster Gesundheitstag, der sich seither mit etwa 2000 Besuchern pro Veranstaltung zur beliebtesten medizinischen Informationsveranstaltung im Frankfurter Westen entwickelt hat.

Dort können Bürger beispielsweise ihren Blutzucker oder ihr Cholesterin bestimmen, ihren Impfstatus prüfen und ihr Schlaganfallrisiko messen lassen sowie praxisnahe Vorträge zu Themen wie Schmerz, Diabetes, Krebs, Depression, Demenz und Hypoglykämie hören.

Alle Referenten stehen im Anschluss an ihre Vorträge zum persönlichen Gespräch bereit. Zudem gibt es Flyer und Infobroschüren zur Vertiefung einzelner Themen. "Unser Schwerpunkt liegt auf der Prävention", sagt Carola Koch, "aber vor jeder Prävention steht die Information."

Der Höchster Gesundheitstag, bilanziert die Allgemeinmedizinerin nach fünf Jahren, habe sowohl der Bevölkerung im Frankfurter Westen als auch dem Gesundheitsnetz gut getan und geholfen, die Marke GNEF zu etablieren. "Wir verstehen uns nicht als Konkurrenz zur KV", betont Carola Koch.

Keine Komplikationen bei Terminen

Im Frankfurter Westen, zu dem sechs Stadtteile mit zusammen etwa 120.000 Einwohnern zählen, habe sich die Zusammenarbeit der Ärzte seit Gründung der GNEF deutlich intensiviert.

"Eine Termin-Servicestelle braucht man in unserem Netzwerk nicht. Wenn ich für einen Patienten morgen einen kardiologischen Termin brauche, dann bekomme ich den auch."

Ein Schwerpunktthema der vergangenen Jahre war die Patientenverfügung. Hierzu hat das GNEF sowohl zwei Informationsveranstaltungen mit jeweils etwa 300 Besuchern abgehalten sowie eine Broschüre erarbeitet, die sowohl den Patienten als auch den Ärzten zugutekommt.

Für sie haben Carola Koch und ihre Kollegen beim Verlag C.H. Beck die Lizenz für Formulare zur Patientenverfügung eingekauft, die die Bürger nach Lektüre der Hintergrundinformation nur noch ausfüllen und von ihrem Hausarzt abstempeln lassen müssen.

Verbund für die Weiterbildung

Die Patienten müssen sich nicht mehr durch den Dschungel an Informationen und Vordrucke kämpfen, und die Hausärzte ersparen sich die Mühe, immer wieder das prüfen zu müssen, was ihre Patienten im Internet oder anderswo zum Thema zusammengeklaubt haben.

Gemeinsam mit dem Klinikum Frankfurt-Höchst hat das GNEF einen Weiterbildungsverbund für die Facharztausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin gegründet. Das sei nicht zuletzt im Hinblick auf die Nachbesetzung von Arztsitzen geschehen, so Carola Koch.

"Das ist nicht nur ein ländliches Problem. Auch in den Randbezirken der Großstädte steht uns in den nächsten Jahren ein enormer Wechsel vor allem an Hausärzten bevor."

Kollegen, die in der Klinik zu Allgemeinärzten ausgebildet werden, wüssten heute schon, in welche Praxis sie am Ende gehen. "Dann haben wir natürlich die Hoffnung, dass sie auch langfristig in der Region bleiben."

Kostenlose Fortbildungen

Die Mitgliedschaft im GNEF zahle sich für die Kollegen auch im Hinblick auf die vielen Fortbildungen aus, die das Netzwerk kostenlos anbiete, so Carola Koch.

Ihre Kollegin Julia Müller macht sich vor allem für die Fort- und Weiterbildung der Fachangestellten stark. "Sie sind die ersten Ansprechpartnerinnen für die Patienten und müssen den Qualitätsgedanken ebenso verinnerlichen wie die Ärzte", so Julia Müller.

Außer den standardisierten Schulungen in Datenschutz, Hygiene und Notfall biete man ihnen beispielsweise Fortbildungen zum Diabetischen Fuß oder zur Patientenverfügung an. An jeder Schulung nähmen etwa 30 MFA teil.

"Jede Praxis kann so viele MFA schicken, wie sie möchte", sagt Carola Koch. "Schicke ich vier MFA zu vier Schulungen pro Jahr, dann habe ich im Grunde schon meinen Beitrag allein über diese Schulungen wieder heraus."

 Für ihre Kollegen wiederum bietet die Ärztin neben den DMP-Fortbildungen Veranstaltungen zu Themen wie Arbeitsrecht und Datenschutz oder den Neuerungen des Versorgungsstärkungsgesetzes an. "All das, was in den Ärzten in der Praxis auf den Nägeln brennt."

Mit dem vom Land Hessen geförderten Projekt "Versorgungsstrukturen demenzkranker Patienten" hat das GNEF 2013 für den Frankfurter Westen ein ebenso neuartiges wie zukunftsweisendes Konzept entwickelt mit dem Ziel, die Lebensqualität für die betroffenen Patienten, aber auch für deren Angehörige möglichst lange zu erhalten. Haus- und Fachärzte arbeiten dabei eng zusammen.

Darüber hinaus wurde eine Versorgungsassistentin beauftragt, die die Betroffenen zu Hause aufsucht, sowie eine Sozialarbeiterin, die die Angehörigen in allen sozialrechtlichen Fragen berät.

Eine Koordinierungsstelle bündelt alle wichtigen Informationen zum Patienten, um die Kommunikation der Akteure zu beschleunigen und einen Informationsverlust zu vermeiden.

Carola Koch hofft, dass das Projekt auch nach Ablauf der Förderung weitergeführt werden kann und im besten Fall sogar von anderen Regionen, Städten und Kommunen übernommen wird.

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