Ukraine-Krieg
Auch an der Börse heißt es jetzt, einen kühlen Kopf zu bewahren
Der russische Angriff auf die Ukraine hat an den Börsen bislang nicht zu größeren Kurseinbrüchen geführt. Das könnte sich ändern. Börsenprofis raten davon ab, jetzt Aktien zu verkaufen.
Veröffentlicht:Neu-Isenburg. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat an den Aktienmärkten bislang nicht zu Panikverkäufen mit massiven Kurseinbrüchen geführt. Das könnte sich jedoch ändern, sollte sich der Krieg länger hinziehen oder eine Konfrontation zwischen Russland und der NATO wahrscheinlicher werden. „In den aktuellen Börsenständen sind nicht alle potenziellen künftigen Szenarien des Konflikts diskontiert“, sagt der unabhängige Finanzexperte und frühere Chefvolkswirt der Bremer Landesbank, Folker Hellmeyer.
Der deutsche Leitindex Dax hat in den ersten sieben Tagen des Krieges in der Spitze etwas mehr als fünf Prozent verloren. Der Euro Stoxx 50, der die Kursentwicklung der 50 größten europäischen Konzerne widerspiegelt, ist zeitweise um bis zu knapp sechs Prozent gesunken. Der US-Leitindex Dow Jones hat in dieser Zeit sogar leicht zugelegt und mehr als ein Prozent gewonnen.
Ausharren das Gebot der Stunde
„Profiinvestoren gehen derzeit davon aus, dass der Konflikt schnell ein Ende findet, die Öl- und Gaspreise wieder fallen und die globale Konjunkturerholung von der Corona-Rezession sich fortsetzen wird“, sagt Hellmeyer. Sollte diese Erwartung nicht erfüllt werden, seien „deutlichere Einbrüche an den Börsen nicht ausgeschlossen“.
Dennoch sollten Anleger jetzt nicht den Kapitalmärkten den Rücken kehren, raten Experten. „Wer sich ein Portfolio aus robusten Qualitätsaktien aufgebaut hat, sollte an den Papieren festhalten“, sagt Markus Richert, Finanzplaner beim Vermögensmanager Portfolio Concept in Köln. Den Krieg „auszusitzen, ist bei Aktien von Unternehmen mit gesundem Geschäftsmodell die beste Lösung“. Qualitätspapiere erzielten langfristig Renditen von sechs und mehr Prozent pro Jahr. „An dieser kontinuierlichen Wertentwicklung wird auch der aktuelle Krieg wenig ändern“, sagt Richert.
Dieser Ansicht ist auch Stephan Albrech, Vorstand der Vermögensverwaltung Albrech & Cie in Köln. „Bislang hat noch kein Krieg die Aktienmärkte dauerhaft in die Knie zwingen können.“ Zwar müssten sich Anleger darauf einstellen, „temporäre Rückschläge hinzunehmen“, sagt Albrech. „Die historische Entwicklung der Börsen zeigt aber, dass es lohnend ist, in solchen Situationen die Zuversicht zu behalten und langfristig zu denken.“
Sparplan für unsichere Marktphasen
Beispielhaft zeigt dies die Studie „Stocks, Bonds, Bills and Inflation“ des US-Finanzwissenschaftlers Roger Ibbotson. Danach wurde aus einem US-Dollar, der 1926 in den US-Leitindex Dow Jones investiert wurde, bis zum Jahr 2018 der stattliche Betrag von 7030 US-Dollar. „Das entspricht einer Jahresrendite von zehn Prozent“, sagt Albrech. „Hingegen betrug die durchschnittliche jährliche Inflationsrate über diese 92 Jahre hinweg nur 2,9 Prozent pro Jahr.“ Dabei wurde die US-Börse im Verlauf dieser neun Dekaden von der Großen Depression, dem Zweiten Weltkrieg, den Kriegen in Korea und Vietnam, der Hochinflationsphase der 1970 Jahre und Finanzkrisen erschüttert.
Keinesfalls sollten Anleger jetzt Aktien verkaufen, in der Hoffnung, in ein paar Wochen oder Monaten zu deutlich günstigeren Kursen wieder in den Markt einsteigen zu können, sagt Richert. Kein Experte könne wissen, ob und „wie weit die Kurse noch fallen, wann der Wendepunkt kommt und welche Werte sich zuerst erholen“. Am besten könnten Anleger unsichere Marktphasen mit einem Sparplan durchstehen. Dabei zahlen sie Monat für Monat die identische Summe in einen Aktienfonds ein. „Wird regelmäßig ein fester Betrag investiert, partizipieren Anleger automatisch auch von günstigen Einstiegskursen, wenn die Börsen vorübergehend fallen“, sagt Richert. Alternativ könne auch ein börsennotierter Indexfonds gewählt werden (ETF).
Umgang mit Barbeständen
Anleger, die derzeit über Barbestände verfügen, sollten diese vorerst halten“, sagt Hellmeyer. „Sollte sich der Krieg hinziehen und die Aktienmärkte doch stärker einbrechen, kann dieses Geld genutzt werden, um zu tieferen Kursen in aussichtsreiche Papiere einzusteigen.“ Zu diesen zählten Aktien von Nahrungsmittelproduzenten und Herstellern von Gütern des täglichen Bedarfs sowie Papiere von Pharma- und Chemiekonzernen.
Der Krieg in der Ukraine werde zu einer Neuorientierung in der Energiepolitik führen, sagt Hellmeyer. „Europa stellt gerade fest, wie sehr es noch immer von Erdgas, Kohle und Öl abhängig ist.“ Allein in Deutschland sei Gas der Wärmelieferant Nummer Eins. Jedes zweite Gebäude werde damit beheizt. „Um unabhängig von ausländischen Lieferanten fossiler Brennstoffe zu werden, dürfte die EU zusätzlich zum Ausbau von Wind- und Solarkraftwerken künftig die Wasserstoff-Technologie fördern“, sagt der Finanzmarktexperte. Über Themenfonds, die gezielt in Aktien der in diesem Sektor engagierten Unternehmen investieren, könnten Anleger an diesem Trend partizipieren.