Neue Teststrategie
Bayern kündigt Corona-Tests für jedermann an
Im Kampf gegen die COVID-19 richtet sich der Blick zurzeit vor allem auf die Hotspots. Bayern macht den Bürgern nun ein ungewöhnliches Angebot. Tests für jedermann sind allerdings nicht unumstritten.
Veröffentlicht: | aktualisiert:München/Gütersloh. In Bayern soll sich künftig jeder auf das Corona-Virus testen lassen können – ganz unabhängig davon, ob er Symptome hat. Die Tests sollen „massiv“ ausgeweitet werden, wie Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) am Sonntag in München erklärte. Sie kündigte eine „Corona-Testoffensive“ an: „Allen Bürgerinnen und Bürgern Bayerns wird deshalb zeitnah angeboten, sich bei einem niedergelassenen Vertragsarzt auch ohne Symptome testen zu lassen.“
Generell gilt: Im Kampf gegen das Virus sind inzwischen in ganz Deutschland Tests auch ohne akute Krankheitsanzeichen auf breiter Front möglich – besonders in sensiblen Bereichen wie Kliniken, Pflegeheimen, Schulen und Kitas. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte vor knapp drei Wochen eine Verordnung verkündet, die eine Reihe zusätzlicher Testmöglichkeiten auf Kassenkosten festlegt. Bis dahin gab es Tests auf Kassenkosten in der Regel nur bei Infektionsverdacht – also wenn man Symptome wie Fieber, Husten, Halsschmerzen oder Geruchs- und Geschmacksstörungen hatte.
Wer die Zusatzkosten trägt, bleibt offen
Bayern ist aber das erste Bundesland, das künftig Tests für jedermann vorsieht. „Ein Eckpunkt unseres bayerischen Testkonzepts ist, dass alle Personen, die auf eine Infektion auf SARS-CoV-2 getestet werden wollen, Gewissheit darüber erhalten sollen, ob sie sich infiziert haben“, betonte Huml. Wer die Kosten dafür trägt, blieb zunächst offen.
Nach dem massiven Coronavirus-Ausbruch beim Fleischbetrieb Tönnies im Kreis Gütersloh ist die Zahl der Infizierten auch in der übrigen Bevölkerung dort „merklich“ gestiegen. Wie der Kreis am Samstagabend mitteilte, wurden in den vergangenen sieben Tagen bis Freitag 75 Menschen positiv auf das Virus getestet, die keinen Bezug zu dem Unternehmen haben. Das waren 28 mehr als im Vergleichszeitraum einen Tag zuvor. Grund für den Anstieg sei wohl vor allem die Ausweitung der Tests, viele der Infizierten zeigten aber keine Symptome, erklärte die Behörde.
Lockdown bis 30. Juni befristet
In den Kreisen Gütersloh und Warendorf gelten wegen des Corona-Ausbruchs in dem Tönnies-Werk mit mehr als 1500 infizierten Mitarbeitern seit vergangenen Mittwoch wieder verschärfte Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Alle Bürger können sich freiwillig testen lassen. Von den Tests in der Allgemeinbevölkerung erhofft sich das Gesundheitsministerium ein Bild, inwieweit sich das Virus ausgebreitet hat.
Da die verschärften Auflagen bis zum 30. Juni befristet sind, muss spätestens am Dienstag eine Entscheidung über Auslaufen oder Verlängerung fallen.
Nach den Vorfällen bei Tönnies muss die Fleischindustrie in Nordrhein-Westfalen künftig Beschäftigte auf ihre Kosten mindestens zwei Mal pro Woche auf das Coronavirus testen lassen. Die neue Vorgabe gilt ab 1. Juli für Schlachthöfe, Zerlegebetriebe und fleischverarbeitende Betriebe mit mehr als 100 Beschäftigten, wie das Landesministerium für Arbeit und Gesundheit in Düsseldorf mitteilte.
Schwerpunkt liegt auf Schlachthöfen
Auch in Bayern soll ein Schwerpunkt der Tests auf Schlachthöfen und Fleischverarbeitungsbetrieben liegen. Ziel sei, „größeren Ausbruchsgeschehen wie in Gütersloh vorzubeugen“, sagte die Gesundheitsministerin.
In 33 weiteren ausgewählten Fleischbetrieben sollen die Mitarbeiter in Bayern reihenweise getestet werden. „Dabei wollen wir auch herausfinden, ob die hohe körperliche Belastung oder die Arbeit bei ungünstigen Klimabedingungen mögliche weitere Risikofaktoren für eine Corona-Infektion darstellen“, sagte Huml.
Bei den ersten umfassenden Corona-Reihentestungen von Mitarbeitern an 51 Schlachthöfen in Bayern waren nach Ministeriumsangaben insgesamt 110 Menschen positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden.
Andere Länder, andere Pläne
Sachsen-Anhalt will seinen Bürgern anders als Bayern vorerst keine flächendeckenden Corona-Tests ermöglichen. „Angesichts der vergleichsweise niedrigen Infektionszahlen in Sachsen-Anhalt hält es das Gesundheitsministerium derzeit für zielführender, weiterhin Infektionsketten sofort ausfindig zu machen, um Ansteckungsherde schnell zu löschen“, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Sachsen-Anhalt am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Ein Beispiel seien die jüngsten Testungen in der Fleischindustrie, wo Land und Kommunen flächendeckende Tests organisiert hatten.
Auch Hamburg will keine Corona-Tests für alle einführen. Das sei nicht geplant, denn das Robert Koch-Institut halte ungezielte Testungen nicht für sinnvoll, teilte am Sonntag ein Sprecher des Hamburger Senats mit.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist ebenfalls für die Ausweitung von Corona-Tests in Deutschland, warnt aber vor einer Überbewertung der Ergebnisse. „Umfangreiches Testen ist sinnvoll, insbesondere um regionale Ausbrüche schnell einzudämmen. Dazu haben wir das Testkonzept des Bundes bereits vor Wochen angepasst“, sagte Spahn am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Zusätzliche Testangebote durch die Länder könnten das ergänzen. „Allerdings ist ein Test immer nur eine Momentaufnahme. Er darf nicht in falscher Sicherheit wiegen.“
Karin Maag: Besser, weiter gezielt zu testen
Die CDU-Gesundheitsexpertin Karin Maag begegnet den in Bayern geplanten Corona-Tests für jeden mit Skepsis. Sie sieht darin Massentests quer durch die Bevölkerung und bezweifelt die Sinnhaftigkeit. „Wenn ich ganz frisch infiziert bin, schlägt der Test noch nicht an. Unmittelbar nach dem Test weiß ich, ob ich positiv beziehungsweise negativ getestet wurde, ich kann mich aber in den nächsten Tagen neu anstecken“, sagte Maag der „Augsburger Allgemeinen“ (Montagsausgabe). Aus ihrer Sicht sei es darum sinnvoll, weiter gezielt zu testen, „wo Menschen leben oder arbeiten, die besonders geschützt werden müssen“.Der bayerischen Staatsregierung warf sie Vorpreschen vor: „Es wäre schön, wenn sich alle, die sich auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt haben, auch daran hielten“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag der Zeitung. (dpa)