Niedersachsen
Schluss mit Bürgerbegehren gegen Klinikneubauten
Bürger sollen bei neuen Klinikstandorten nicht mehr das letzte Wort haben. Mit einer Novelle des Kommunalverfassungsgesetzes will die Landesregierung Niedersachsen jahrelange Verzögerungen durch Bürgerbegehren bremsen.
Veröffentlicht:Hannover. Die große Koalition in Niedersachsen will Bürgerbegehren über Klinikstandorte künftig verhindern. Deshalb plant das Land eine Novelle des Kommunalverfassungsgesetzes. Das Gesetz sieht schon jetzt den Ausschluss von Bürgerbegehren bei bestimmten Themen vor. Diese Liste soll nun um die Bürgerbegehren zu Krankenhausstandorten erweitert werden. Der Gesetzentwurf befindet sich in der Entwurfsphase. Im März soll eine Verbändeanhörung erfolgen.
Schon jetzt dürfen Bürgerbegehren sich nicht auf Planfeststellungsverfahren etwa von Mülldeponien beziehen oder auf wasserrechtliche Zulassungsverfahren. Nun hat die Landesregierung eingebracht, dass sie sich auch nicht auf Angelegenheiten beziehen dürfen, die die Kommune als Trägerin von Krankenhäusern oder des Rettungsdienstes betreffen.
Forderung der Spitzenverbände
Die Änderung gehe auf die Forderung der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände zurück, teilte das niedersächsische Innenministerium der „Ärzte Zeitung“ mit. Die Initiative sei auch von der Enquetekommission zur Sicherstellung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung in Niedersachsen aufgenommen worden.
Mit der Gesetzesänderung reagiert die große Koalition auf die zum Teil jahrelange Verzögerungen von Klinikneubauten durch Bürgerbegehren. Derzeit läuft zum Beispiel im niedersächsischen Heidekreis eine sehr emotionale Debatte um den Neubau eines zentralen Krankenhauses in Bad Fallingbostel, das die beiden Häuser in Walsrode und Soltau ersetzen soll.
Fallingbostel liegt im südlichen Heidekreis. Ein Bürgerbegehren gegen den Standort schien zunächst aus formalen Gründen gescheitert. Aber das Verwaltungsgericht Lüneburg hat Anfang Januar dem Begehren doch noch grünes Licht gegeben. Es verlangt, dass der Neubau in Dorfmark stehen soll, im nördlichen Heidekreis. „Bürgerbegehren torpedieren regelmäßig die Standortentscheidungen vor Ort“, kritisiert eine Sprecherin des niedersächsischen Gesundheitsministeriums.
Schlechte Chancen auf Zuschüsse
In der Tat könnte die Verzögerung jetzt teuer werden, wie Jörg Niemann sagt, Leiter der vdek-Landesvertretung Niedersachsen. Denn die Chancen, Geld aus dem 1,4 Milliarden Euro schweren Krankenhausstrukturfonds für den Neubau zu erhalten, schrumpfen.
„Der Heidekreis war zunächst gut aufgestellt, weil er sich vergleichsweise frühzeitig auf einen Klinikneubau festgelegt hat. Dieser Vorsprung schmilzt nun dahin“, erklärt Niemann. „Irgendwann wird das Land im Einvernehmen mit den Krankenkassen und den anderen Partnern der Krankenhausplanung entscheiden müssen. Dabei werden sich naturgemäß Vorhaben durchsetzen, die gut durchgeplant sind und in der Region getragen werden. Wenn das Heidekreis-Projekt in einem Dauerstreit zerrieben wird, gehen die Finanzmittel in andere Regionen.“
Kommentar zu Niedersachsens Bürgerbegehren
Bürger verzögern zu oft die Krankenhausplanung
„Grundsätzlich unterstützt die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft die vorgesehene Änderung“, sagt Helge Engelke, Direktor der NKG der „Ärzte Zeitung“. Denn das Thema sei „zu komplex ist, um es über Bürgerentscheide lösen zu können.“ Das habe schon zu Problemen geführt.
Tatsächlich hat der Bau einer Großklinik in Georgsheil als Ersatz für die Krankenhäuser in Emden, Aurich und Norden in Ostfriesland eine lange Auseinandersetzung hinter sich. Ein Bürgerbegehren verhinderte 2018 zunächst den Neubau. Ein weiteres im Mai 2019 ermöglichte ihn.
Entscheidung besser bei Kommunen
Auch an weiteren Orten werden kleinere Krankenhäuser zu einem Haus zusammengelegt. So soll in Twistringen ein Großkrankenhaus entstehen, das die kleineren Häuser in Bassum, Sulingen und Diepholz ersetzen soll. Ein Neubau soll auch die Kliniken in Vechta und Lohne ersetzen. Die Standortsuche läuft hier noch.
Um Bürgerbegehren zu stoppen, sprach man in der Landeshauptstadt offenbar auch darüber, die Entscheidungen über Krankenhausstandorte dem Land zu übertragen. „Das wurde zwar diskutiert“, so die Sprecherin. Aber aus fachlicher Sicht befürworte man das im Sozialministerium in Hannover nicht. „Denn die Hoheit für die Krankenhausentscheidungen liegt bei den Kommunen, das ist richtig und gut. Da wollen wir uns nicht einmischen.“