Onkologika

Das Ende der Zyto-Ausschreibungen?

Die Bundesregierung will den Kassen die Möglichkeit nehmen, zur Versorgung von Krebspatienten mit patientenindividuellen Arzneien Rabattverträge auszuschreiben. Dafür hagelt es Kritik.

Ruth NeyVon Ruth Ney und Christoph WinnatChristoph Winnat Veröffentlicht:
Stein des Anstoßes: Mit Ausschreibungen wollen die Kassen Wirtschaftlichkeitsreserven in der Zytostatika-Versorgung heben.

Stein des Anstoßes: Mit Ausschreibungen wollen die Kassen Wirtschaftlichkeitsreserven in der Zytostatika-Versorgung heben.

© picture-alliance / dpa

BERLIN. Rabattausschreibungen für patientenindividuell in der Apotheke hergestellte Zytostatika stoßen sowohl in der Ärzteschaft als auch bei Apothekern auf Kritik. Moniert wird meist, die überregionale Konzentration der Lieferbeziehungen auf einige wenige Apotheken erhöhe das Risiko für Lieferengpässe und -ausfälle.

Seit das Bundessozialgericht im November vorigen Jahres geurteilt hatte, dass bei der Versorgung mit Zytostatika-Rezepturen die freie Apothekenwahl hinter dem Interesse der Kostenträger an einem wirtschaftlichen Einkauf zurückzustehen habe, häufen sich entsprechende Ausschreibungen der Kassen.

Apothekenwahl contra Qualität?

Dem will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe jetzt offenbar einen Riegel vorschieben. Am Freitag wurde ein Änderungsantrag der Bundesregierung zum Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) bekannt, wonach künftig unter anderem die freie Apothekenwahl (§ 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V) ausdrücklich auch für den Bezug parenteraler onkologischer Zubereitungen gelten soll.

Darüber hinaus soll ein Passus im Sozialgesetzbuch V gestrichen werden, der es den Kostenträgern derzeit noch erlaubt, Lieferverträge und Preisabschläge mit Apotheken für Zyto-Zubereitungen zu vereinbaren. Kommenden Mittwoch soll der Entwurf des AM-VSG vom Kabinett beschlossen werden.

In einer ersten Stellungnahme warnte der Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Dr. Christoph Straub, vor einem Rückschritt. Mit ihrer kürzlich gestarteten Ausschreibung habe die Barmer erstmals auch "zahlreiche rechtsverbindliche Qualitätskriterien für die Versorgung mit Zytostatika definiert, die die Apotheken erfüllen müssen".

Qualitätsverbesserungen in Gefahr

Solche Qualitätsverbesserungen würden durch ein Ausschreibungsverbot verhindert, argumentiert der Kassenchef. Zudem sei das bisherige Versorgungsgeschehen "weitgehend intransparent und dadurch anfällig für Korruption". Zustände, die durch ein Ausschreibungsverbot zementiert würden, so Straub weiter. Und: "Mögliche Wirtschaftlichkeitsreserven, die der Apotheker generiert", kämen "der Versichertengemeinschaft nicht zu Gute".

Zur Erläuterung: Anders als beim Einkauf von Fertigarzneimitteln dürfen Apotheker beim Bezug von Chemotherapeutika, die in Zubereitungen verarbeitet werden, mit dem Hersteller Rabatte aushandeln. Über die Frage, wie viel sie davon an die GKV tatsächlich weitergeben, entbrennt zwischen Offizinbetreibern und Kostenträgern regelmäßig Streit.

DAV-Vorschlag abgelehnt

Aktuell etwa lehnt der GKV-Spitzenverband das Angebot des Deutschen Apothekerverbands (DAV) ab, 150 Millionen Euro bei der Belieferung mit Zytostatikazubereitungen einzusparen. Begründung: Die Offerte halte nicht, was sie verspreche. Der DAV hatte im September vorgeschlagen, im Gegenzug für einen Verzicht auf Zyto-Auschreibungen prozentuale Abschläge auf feste Milligramm-Preise für insgesamt elf unterschiedliche Krebswirkstoffe geben zu wollen.

Bisher üblich ist, dass die Apotheker gemäß Versorgungsvertrag vereinbarte Abschläge auf die Listenpreise der Hersteller gewähren, – was den Kassen aber zuwenig ist.

Der GKV-Spitzenverband hält dem DAV vor, falsch zu rechnen. Tatsächlich beliefen sich die Einsparungen aus dem DAV-Vorschlag nur auf jährlich 109 Millionen Euro (ohne Mehrwertsteuer). Außerdem seien feste Milligramm-Preise für die GKV perspektivisch nachteilig, weil Preissenkungen, die sich im Laufe der Zeit aus dem Wettbewerb der Anbieter ergäben, nicht mehr zum Tragen kämen.

Johann-Magnus von Stackelberg, Vize-Chef des GKV-Spitzenverbandes: "Ausschreibungen halten wir im Bereich der Zubereitungen nach wie vor für sinnvoll, sind aber gerne bereit, über Änderungen am Vertrag zu verhandeln, solange es echte Verhandlungen auf verlässlicher Datenbasis sind."

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