Privatmedizin

Das Sahnehäubchen wird überlebenswichtig

Die Privatmedizin wird für Ärzte immer wichtiger. Bei vielen Facharztpraxen zeigt sich sogar: Die Einnahmen aus IGeL und Co. sind notwendig fürs Überleben.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:
Viel Sahne, wenig Keks: Bei vielen Fachärzten aus der Grundversorgung sind die Privateinnahmen weit mehr als nur ein Sahnehäubchen.

Viel Sahne, wenig Keks: Bei vielen Fachärzten aus der Grundversorgung sind die Privateinnahmen weit mehr als nur ein Sahnehäubchen.

© Steinach / imago

NEU-ISENBURG. Die Privatmedizin ist ein Milliardenmarkt. Rund 32 Milliarden Euro geben Patienten und private Krankenversicherungen (PKV) für Leistungen für ihre Gesundheit aus, die nicht von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden.

Nicht alles davon fließt den Ärzten zu, aber auch für sie geht es um Milliarden: Die PKV gab 2011 5,4 Milliarden Euro allein für ambulante ärztliche Leistungen aus (+3,2 Prozent), hinzu kommen die Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) mit einem Volumen von geschätzt 1,3-1,5 Milliarden Euro.

Frappierend dabei ist, wie sehr die Abhängigkeit von Einnahmen aus der Privatmedizin in den vergangenen Jahren gewachsen ist. Dieser Trend gilt für alle Ärzte, besonders aber für Fachgruppen wie die Dermatologen, Orthopäden, Urologen, Frauen- und Hautärzte.

Das zeigen die Daten der erst Ende vergangener Woche veröffentlichten Kostenstrukturanalyse des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden zu Arztpraxen im Jahr 2011.

Demnach hat sich der Anteil der Einnahmen aus Privatpraxis über alle Fachgruppen hinweg von 22,2 Prozent im Jahr 2003 binnen acht Jahren auf 28,3 Prozent erhöht.

Sahnehäubchen wird langsam überlebenswichtig

Die Entwicklung spiegelt sich in den Steigerungsraten der Einnahmearten wider: Die Einnahmen aus Kassenpraxis stiegen von 2003 bis 2011 um 25 Prozent, die Einkünfte aus Privatpraxis dagegen um satte 73 Prozent.

Wenn Kasseneinnahmen das Brot- und Buttergeschäft einer Arztpraxis sind, dann wird das Sahnhäubchen langsam überlebenswichtig - und zwar für immer mehr Praxen.

Denn von 2003 bis 2011 stiegen die Aufwendungen von Arztpraxen um 31 Prozent, also deutlich schneller als die Einnahmen aus kassenärztlicher Tätigkeit.

Wie schon in der Studie der Privatärztlichen Verrechnungsstellen (PVS) im Frühjahr dieses Jahres deutlich wurde, sind die Fachgruppen von der zunehmenden Abhängigkeit von Privateinnahmen recht unterschiedlich betroffen.

Nach den Zahlen der Statistiker aus Wiesbaden liegt der Anteil der Privateinnahmen an den Gesamteinnahmen bei Hausärzten zum Beispiel im Durchschnitt bei 18,4 Prozent.

Bei großen Praxen mit einem Umsatz von einer Million Euro und mehr sind es sogar über 25 Prozent.

Extreme Entwicklung bei Hautärzten

Bei Internisten beträgt der Privatanteil insgesamt 22,8 Prozent, Praxen mit Umsätzen zwischen 500.000 und einer Million Euro liegen demnach bei etwa einem Drittel und damit ebenso hoch wie Kardiologen. Neprologen haben laut Kostenstrukturanalyse einen Privatanteil von rund acht Prozent.

Dass Einnahmen aus Privatpraxis überlebenswichtig werden können, zeigt sich bei vielen Fachärzten aus der Grundversorgung, die in den vergangenen Jahren teilweise massiv unter sehr niedrigen Fallwerten bei Kassenpatienten zu leiden hatten.

Extrem stellt sich die Entwicklung bei den Fachärzten für Haut- und Geschlechtskrankheiten dar, die laut Kostenstrukturanalyse 2011 auf einen Privatanteil von fast 48 Prozent kamen. Bei ihnen ist der Kassenanteil an den Gesamteinnahmen mit 50,3 Prozent nur noch unwesentlich höher.

Kaum geringer ist der Anteil aus Privatmedizin bei Urologen und Chirurgen (jeweils rund 41 Prozent), bei Orthopäden (40 Prozent). Auch bei Radiologen, Augenärzten und Frauenärzten stammt mehr als jeder dritte Euro aus der Privatmedizin.

Zum Ärztezeitung Dossier Privatmedizin

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