Praxiseinnahmen

Dickes Plus? Eher nicht!

Ein Plus von 21 Prozent nicht nur bei den Einnahmen, sondern auch beim Reinertrag. Deutschlands Arztpraxis geht es nach neuesten Daten der Statistiker offenbar blendend. Doch die Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl und Anno FrickeAnno Fricke Veröffentlicht:
Viel Plus - aber was bleibt unter dem Strich übrig?

Viel Plus - aber was bleibt unter dem Strich übrig?

© Alterfalter / fotolia.com

BERLIN. Die Zahlen lesen sich mehr als schön: Nicht nur die Einnahmen der Arztpraxen sind von 2007 bis 2011 um rund 21 Prozent angestiegen. Auch der Reinertrag legte innerhalb desselben Zeitraums um 21 Prozent zu.

Dabei erwirtschafteten sich die Praxen in 2011 im Durchschnitt 234.000 Euro an Reinertrag. Vier Jahre zuvor waren es 193.000 Euro. Noch imposanter sind die Ergebnisse bei den Einnahmen: Hier erzielten die Praxen 2011 im Schnitt 483.000 Euro, in 2007 waren es 399.000 Euro.

Zusammengetragen hat die Daten das Statistische Bundesamt. In regelmäßigen Abständen – meist im Vier-Jahres-Rhythmus – erheben die Bundesstatistiker die Kostenstruktur in Arzt- und Zahnarztpraxen.

Dabei sind die Daten, die aus über 6900 ausgewerteten Fragebögen aus den Praxen stammen, derzeit die aktuellste Statistik zu Einnahmen und Aufwendungen in den Praxen.

Denn das Praxispanel, das das Zentralinstitut der kassenärztlichen Versorgung (Zi) aufgelegt hat und das in diesem Jahr seine vierte Befragungsrunde in der Ärzteschaft eingeläutet hat, kann in seinem jüngsten Bericht erst Daten aus 2009 liefern.

Kalkulierter Arztlohn nicht enthalten

Doch die Daten der Bundesstatistiker sind mit Vorsicht zu lesen. Die Statistiker schreiben selbst, dass es sich bei dem Reinertrag um "eine rein rechnerische Größe handelt", die daraus entsteht, dass die Statistiker die Summe der Praxisaufwendungen von den Praxiseinnahmen subtrahieren.

"Der Reinertrag stellt nicht den betriebswirtschaftlichen Gewinn der Praxis dar", so das Statistische Bundesamt. Denn nicht berücksichtigt werden die Ausgaben des Arztes für seine Altersvorsorge, Krankenversicherung etc., ganz zu Schweigen von einem kalkulierten Arztlohn.

Und wenn man in die einzelnen Fachgebiete blickt, ist von dem großen Plus ohnehin zum Teil gar nicht mehr so viel zu spüren. So können sich die Gynäkologen gerade einmal über ein Plus von 3,4 Prozent beim Reinertrag – wohlgemerkt innerhalb von vier Jahren – freuen.

Ihr Reinertrag legt von 179.000 Euro in 2007 auf 185.000 Euro in 2011 zu. Selbst bei den Orthopäden, die zu den umsatzstärkeren Praxen zählen, wird in vier Jahren nur ein Plus von 6,1 Prozent erzielt. Ihr Reinertrag betrug 2007 276.000 Euro. Er wuchs bis 2011 auf 293.000 Euro an.

Hausärzte schaffen Plus von 19 Prozent

Relativ gut stehen sich da die Hausärzte, denn sie erreichen mit ihren 19,8 Prozent fast den Durchschnittswert aller Praxen. Ihr Reinertrag steigt von 151.000 Euro in 2007 auf 181.000 Euro in 2011. Die Internisten und auch die Kinderärzte verzeichnen einen Zuwachs von rund 16 Prozent.

Nichtsdestotrotz belegen für den GKV-Spitzenverband die aktuellen Daten der Bundesstatistiker deutlich, "dass es insgesamt kein Einkommensproblem bei niedergelassenen Ärzten gibt."

Wenn einzelne Arztgruppen oder Ärzte ein zu geringes Honorar erhielten, dann sei das ein Verteilungsproblem innerhalb der Ärzteschaft.

"Die Ärztevertreter müssen sich fragen lassen, ob es fair ist, wenn ein Radiologe in der Großstadt mehr als doppelt so viel verdient wie ein Landarzt. Die jetzt veröffentlichten Zahlen bestätigen, dass aus den Portemonnaies der Beitragszahler ein sehr anständiges Honorar zu den niedergelassenen Ärzten fließt", so der Spitzenverband.

Das Plus bei den Einnahmen und Reinerträgen ist sicherlich da. Gleichzeitig sind jedoch auch die Aufwendungen in einem nicht unerheblichen Maß angestiegen: Im Schnitt aller Praxen genau in derselben prozentualen Höhe wie die Reinerträge, nämlich um 21 Prozent.

Bei den Haus- und Kinderärzten entwickelten sich die Aufwendungen von 2007 bis 2011 etwas moderater, sie stiegen um rund 11,7 Prozent an. Bei den Internisten hingegen um 20 Prozent.

KBV-Chef Dr. Andreas Köhler weist zudem darauf hin, dass die Daten der Statistiker die Inflationsrate noch nicht berücksichtigen.

"Die ausgewiesenen Überschüsse für die Jahre 2007 bis 2011 bedeuten einen jährlichen Zuwachs von vier Prozent. Nach Abzug des Inflationsausgleiches konnten Vertragsärzte somit eine reale Steigerung von jährlich zwei Prozent erzielen", so Köhler.

Hinzu kommt, dass die Kosten in den Praxen in 2011 im Schnitt 51,6 Prozent der Einnahmen ausmachten. Damit blieben den Praxen von den Einnahmen 48,4 Prozent an Reinertrag. Zum Vergleich: 2007 blieben ihnen 48,3 Prozent vom Reinertrag übrig.

Anteil der GKV-Einnahmen sinkt

"Die Daten des Statistischen Bundesamtes sind kein Grund zum Jubel", sagt der Präsident des Berufsverbands Deutscher Internisten, Dr. Wolfgang Wesiack.

Die Steigerung des Reinertrags zwischen 2007 und 2011 helfe den internistischen Praxen nicht aus der Klemme. "Uns fehlt die Investitionskraft."

Investitionen in Geräte für moderne Untersuchungsmethoden müssten aus dem Reinertrag finanziert werden. Die Kosten dafür stiegen und würden bei den Praxiserträgen nicht adäquat abgebildet. "Das ist alles knapp auf Kante genäht."

Was sich in jedem Fall zeigt: Die Praxen versuchen, fehlende Finanzmittel über Privatleistungen quer zu subventionieren. Denn der Anteil an Kassenleistungen in den Praxen über die Jahre hinweg nimmt ab, während der Anteil der Einnahmen aus Privatleistungen steigt.

Das Plus am Reinertrag kommt also nicht nur aus der GKV – obwohl der Eurobetrag, den die Ärzte über GKV-Leistungen erwirtschaften, in den Jahren 2003 bis 2011 ebenfalls zulegte.

Der Kassenanteil an den Praxiseinnahmen lag 2003 jedoch bei noch 75 Prozent, der Privatanteil bei 22,2 Prozent. In 2007 sank der Kassenanteil auf 71 Prozent und in 2011 auf 68,7 Prozent. Der Privatanteil hingegen stieg 2007 auf 25,9 Prozent und 2011 auf 28,3 Prozent.

Auch Köhler weist noch einmal darauf hin: "Der Reinertrag einer Arztpraxis ist nicht mit dem Brutto- oder Nettoeinkommen eines Arbeitnehmers vergleichbar."

Köhler weiter: "Aus dem Überschuss zahlten die Ärzte nicht nur die Einkommenssteuer (rund 47.000 Euro), die Altersvorsorge (etwa 18.000 Euro) sowie die Kranken- und Pflegeversicherung (8000 Euro). Daraus müssten auch Investitionen bezahlt und Kredite getilgt werden, die die Ärzte aufnehmen, um den Praxisbetrieb zu finanzieren."

Konfliktive Honorarverhandlungen

Informationen, die auch die derzeitigen Verhandlungen über das Honorar 2014 anheizen könnten. Köhler rechnet hier mit konfliktiven Verhandlungen. Reizpunkt ist dabei zwar vor allem die Forderung der Ärzte, die haus- und fachärztlichen Grundpauschalen aus der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung herauszunehmen und von den Kassen zu festen Preisen vergüten zu lassen.

Damit würden die Pauschalen nicht mehr der Mengensteuerung unterliegen. Diese Forderung hätten die Vertreter des GKV-Spitzenverbandes bereits abgelehnt.

Es gibt aber zwei weitere Forderungen der Ärzte, die eigentlich gesetzlich geregelt sind. Demnach sollen bestimmte Betriebskosten von Praxen sowie die Inflationssteigerungen automatisch ausgeglichen und die Veränderungen bei der Morbiditätsstruktur von den Kassen auf die Vergütung aufgeschlagen werden.

Dafür wünsche sich die Ärzteschaft Routineverfahren, sagte Köhler. Die Verhandlungen gehen Montagabend in die zweite Runde.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Keine Neiddebatte, bitte!

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Kommentare
Dieter Döring 19.08.201323:30 Uhr

Arzteinkommen

Als Hausarzt in einer mittleren Praxis kann ich nur sagen, dass der Punktwert bei der letzten Abrechnung von 3,5 auf 3,0 und mein Umsatz um 14 % gesunken ist. Die Praxiskosten sind allerdings gestiegen. Ich möchte mal wissen, wie diese Zahlen vom steigenden Arzteinkommen zustande gekommen sind? Alles erstunken und erlogen, unglaublich diese Lügerei.

Dr. Thomas Georg Schätzler 19.08.201319:39 Uhr

KBV und GKV-Spitzenverband – Das Kaninchen starrt auf die Schlange?

KBV-Vorstandsvorsitzender Dr. med. Andreas Köhler gab sich wieder einmal überrumpelt. Die Medien wollten die neuesten Ergebnisse (von 2011) über angeblich exorbitant gestiegene Arzteinkünfte von ihm erläutert bekommen. Ausgangsbasis war eine aktuelle www.destatis.de - Publikation vom 15.8.2013 mit dem sperrigen Titel: "Statistisches Bundesamt - Fachserie 2 Reihe 1.6.1 - Unternehmen und Arbeitsstätten - Kostenstruktur bei Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Praxen von psychologischen Psychotherapeuten 2011"
https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/DienstleistungenFinanzdienstleistungen/KostenStruktur/KostenstrukturAerzte2020161119004.pdf;jsessionid=A8988734012BA446C4091D276CBFC429.cae3?__blob=publicationFile

Daraus hatte nicht etwa die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) eine zusammenfassende Darstellung erarbeitet, um Fakten basiert zu agieren. Die KBV s e l b s t reagierte wieder einmal wie das ''Kaninchen'' auf die ''Schlange'' einer schlagkräftigen Zusammenfassung, welche der Spitzenverband Bund (SpiBu) der GKV-Kassen bereits am Folgetag, dem 16.8.2013, vorlegen konnte:
"Faktenblatt - Thema: Ärztliche Vergütung - 16.08.2013 - Pressestelle GKV-SV 1"
http://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/presse/presse_themen/aerzteverguetung/Faktenblatt__Aerzte_Verguetung_2013-08-16.pdf

Im Wortlaut: "Durchschnittlicher Reinertrag - (Quelle: Destatis)
• „2011: 166.000 Euro je Praxisinhaber
• 2007: 142.000 Euro je Praxisinhaber
• 2003: 126.000 Euro je Praxisinhaber"

Die "Verteilung der Einnahmen Praxis 2011" wurden folgendermaßen skizziert: "69 % aus GKV – 28 % aus Privatpraxis (PKV, Arbeitgeber, private Haushalte) – 3 % aus sonstige Einnahmen (69 % der Gesamteinnahmen von 483.000 Euro aus GKV = 333.270 Euro /+17,7 %)". Zum Vergleich dazu die "Verteilung der Einnahmen Praxis 2007 - 71 % aus GKV - 26 % aus Privatpraxis - 3 % aus sonstige Einnahmen (71% der Gesamteinnahmen von 399.000 Euro aus GKV = 282.290 Euro)"

"Einnahmen Arztpraxis insgesamt ohne MVZ Veränderung 2011 gegenüber
2007 in Tausend Euro - Veränderung 2011 gegenüber 2007 in Prozent
GKV +50 +18 % - Privatpraxis +30 +29 % - Sonstige +4 +29 % - insgesamt +84 +21 %."

Besonders berücksichtigt wird hier von mir: "Bei den Einnahmen aus selbstständiger ärztlicher Tätigkeit bei H a u s-Ärzten
• 2011: 79,3 % auf GKV – (18,4 %)* auf Privatpraxis – (2,2 %)* auf Sonstige
• 2007: 82 % auf GKV - 16 % auf Privatpraxis - 2,4 % auf Sonstige
• 2003: 83 % auf GKV - 15 % auf Privatpraxis - 2 % auf Sonstige"
unterliegen die GKV-Angaben dem Vorbehalt der geringen Zahlen, der fehlenden Repräsentativität und damit der Ungenauigkeit ("*Unschärfe von 10-15 Prozent").

Bei den "Arzteinkommen nach Arztgruppen je Praxisinhaber
(gesamte Einnahmen abzgl. Aufwendungen; Quelle: Destatis)" relativieren sich die Zahlenangaben für den primärärztlichen Hausarztbereich:
"2011: 138.000 Euro – Allgemeinmediziner“
Zum Vergleich für die „Jahre 2003 - 2007 – 2011" verdienten "Allgemeinmediziner 104.000 Euro - 116.000 Euro - 138.000 Euro"
Die vergleichende "Facharzt Steigerungsrate" von "2007 auf 2011" betrug beim
"Allgemeinmediziner 18,9 %". Dazu in krassem Gegensatz beim "Augenarzt 34,7 % - Chirurg 33,7 % - Frauenarzt - 0,7 % - Hautarzt 19,3 % - HNO 2,7 % - Internist 16,4 % - Kinderarzt 12,9 % - Neurologe, Psychiatrie, ärztl. Psychotherapeuten 35,1 % - Orthopäde 3,7 % - Radiologe 14,7 % - Urologe 0,6 %".

Zur Definition des Reinertrags von Arztpraxen verweise ich auf die Gesundheitsberichterstattung des Bundes vom 17.08.2013: "Zieht man die Summe der Aufwendungen von der Summe der Einnahmen ab, so erhält man den Reinertrag. Dieser wird jeweils je Praxis und je Praxisinhaber/-in ausgewiesen. Der Reinertrag stellt n i c h t den betriebswirtschaftlichen Gewinn der Praxis dar, da u.a. die Aufwendungen für Praxisübernahme (Ausgaben, die auf das Berichtsjahr entfallen und/oder Abschreibungen für das Beric

Dr. Ingomar F. K. Naudts 19.08.201311:41 Uhr

Honorarplus

Über einen Reinertrag von 180.000 € kannn ich nur staunen.
Kann mir jemand sagen, wie ich mit einer großen allgemeinmed. Gemeinschaftspaxis auf solch einen Verdienst komme?

Gerhard Leinz 19.08.201307:54 Uhr

Psychotherapeutenhonoare werden verschwiegen

Eines steht fest: Psychotherapeuten können nicht zu den Gewinnern gehören. Seit 2009 wurden Psychotherapeuten an den Honorarsteigerungen im kassenmedizinischen Sytem nicht beteiligt. Das Stundenhonorar wurde nicht erhöht. Auch die Honorierung nach GOÄ ist für die Psychotherapie nunmehr seit 1995 unverändert.

Gerhard Leinz
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie

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