MVZ in der Nephrologie
Das TSVG bremst Konzerne nicht – bilden Netze ein Gegengewicht?
Immer häufiger verkaufen niedergelassene Nephrologen ihre Praxen an kapitalstarke Anbieter. Die Risiken hat der Gesetzgeber erkannt, die Reaktion im Terminservicegesetz (TSVG) fällt zurückhaltend aus. Welches Potenzial haben MVZ in der Hand von Ärztenetzen?
Veröffentlicht:Die wachsende Bedeutung von industriellen Anbietern in der ärztlichen Dialyse gefährdet die Zukunft der ambulanten Nephrologie, fürchtet Dipl.-Med. Heike Martin vom Verband Deutscher Nierenzentren (DN). „Wenn die Entwicklung so weiter geht, können sich junge Kollegen nicht mehr niederlassen“, warnte sie beim Regional-Forum NRW des Bundesverbands Managed Care in Düsseldorf.
Immer mehr Kollegen würden ihre Dialysepraxen an Unternehmen verkaufen, sagte Martin, die als Nephrologin in Zwickau niedergelassen ist. Große Anbieter würden dabei sehr viel Geld in die Hand nehmen und das Drei- bis Vierfache des normalen Marktwertes bieten. Zwar gebe es nach wie vor Interesse des Nachwuchses an der Arbeit als Nephrologe. Aber: „Niemand, der sich als junger Kollege niederlassen will, kann da mithalten.“
Martin und ihre vier Kolleginnen und Kollegen, die mit 60 Mitarbeitern in einem Nierenzentrum in Zwickau tätig sind, könnten ihre Praxis für einen zweistelligen Millionenbetrag abgeben, berichtete sie. Die Ärzte hätten sich aber dagegen entschieden, weil sie weiter selbstständig tätig sein wollten. „Und uns geht es nicht schlecht.“
Sorge vor der „Industrialisierung“
Der Verkauf vieler Praxen an Industriekonzerne hat nach ihrer Einschätzung negative Konsequenzen für die Qualität der Patientenversorgung. In der Nephrologie gehe es schließlich um viel mehr als um die ärztliche Dialyse. „Die Nephrologie ist ein Riesenfeld, unsere Hauptaufgabe ist es, Dialyse zu verhindern.“
Bei den Patienten, die dialysepflichtig sind, spiele der Erhalt der Lebensqualität eine große Rolle. Nephrologen kümmerten sich um die Ernährung, die Mobilität und die psychosoziale Betreuung der Patienten, erläuterte sie. Das Ziel sei es, Krankenhausaufenthalte zu vermeiden. Diese Seite der Versorgung sei durch die „Industrialisierung“ gefährdet, fürchtet Martin.
Die Ärztekammer Nordrhein (ÄKNo) beobachtet die Konzernbildung im niedergelassenen Bereich – nicht nur, aber auch in der Nephrologie – schon seit längerem mit Sorge. „Wenn Geld im Bereich der Gesundheitsversorgung investiert wird, dann ist die Frage erlaubt, in welchem Umfang Renditeziele und -erwartungen eine Rolle spielen“, betonte Ulrich Langenberg, geschäftsführender Arzt der Kammer.
Dabei gehe es nicht nur um die Aktivitäten von Private-Equity-Firmen. „Auch andere Investoren, große Krankenhausketten und Medizinprodukte-Hersteller zählen dazu, aber auch Konzernstrukturen, die von Ärzten nach und nach aufgebaut werden.“ Als Vehikel für die Konzernbildung spielten Medizinische Versorgungszentren (MVZ) eine wichtige Rolle, so Langenberg.
Inzwischen habe auch die Politik die Gefahr erkannt, dass in Konzernstrukturen ärztliche Entscheidungen von finanziellen Interessen beeinflusst werden können, sagte Langenberg. Das ärztliche Berufsrecht allein könne das jedenfalls nicht verhindern. „Es braucht Rahmenbedingungen, die den Arzt in seiner freiberuflichen Unabhängigkeit stärken, gerade in den Graubereichen.“ Er sieht den Gesetzgeber in der Pflicht.
MVZ in der Hand von Netzen als Alternative
Die ÄKNo hat gemeinsam mit der KV Nordrhein Vorschläge für gesetzliche Regelungen entwickelt. So sollten Krankenhäuser nur im regionalen Umfeld und mit Bezug zu ihrem Tätigkeitsspektrum MVZ gründen dürfen. „Wir hätten uns auch gewünscht, dass man über Größengrenzen für MVZ redet“, betonte Langenberg.
ÄKNo und KVNo machen sich zudem für eine Begrenzung der Preise für Arztsitze stark und für Transparenz über die Eigentumsverhältnisse bei den Zentren. Die Regelungen im Terminservicegesetz (TSVG) zu MVZ findet Langenberg ernüchternd. Aufgeben will die Kammer aber nicht: „Wir werden am Ball bleiben“, versprach er.
Die Gründung von MVZ durch akkreditierte Netze bietet die Möglichkeit, Arztsitze im ambulanten Setting zu halten, meint Dr. Christian Flügel-Bleienheuft, Vorstandsvorsitzender des Gesundheitsnetzes Köln Süd. „Wir steuern als Netze, wer dabei ist.“ Die Akkreditierungsrichtlinien für die Netze schlössen die Beteiligung industrieller Partner aus.
Flügel-Bleienheuft sieht viel Gestaltungspotenzial in diesem Bereich. Netze könnten über MVZ die Versorgung in strukturschwachen Regionen sicherstellen. „Es gibt ganz verschiedene Arbeitsmodelle, die man entwickeln kann“, sagte er.
MVZ in Händen von Ärztenetzen erlauben es nach seiner Ansicht, die Delegation und die Substitution ärztlicher Leistungen ebenso zu erproben wie Telemedizin. „Ich sehe die Netze als digitale Treiber.“ Klar sei, dass ein solches Engagement mit großen Aufwand verbunden ist.