Ärzteschaft

Debatte um Fernbehandlungsverbot entbrannt

Beim Ärztetag im Mai steht die Lockerung des Fernbehandlungsverbots auf der Agenda. Doch die Diskussion darüber ist nun schon angelaufen.

Veröffentlicht:
Ärztliche Behandlung am Computer - davon sind nur wenige Hartmannbund-Mitglieder begeistert.

Ärztliche Behandlung am Computer - davon sind nur wenige Hartmannbund-Mitglieder begeistert.

© kozirsky / stock.adobe.com

BERLIN. Gut einen Monat vor dem 121. Deutschen Ärztetag in Erfurt steigt die Ärzteschaft bereits in eine Debatte über das Fernbehandlungsverbot ein.

Geht es nach der Bundesärztekammer (BÄK), soll das ausschließliche Fernbehandlungsverbot in der Musterberufsordnung (MBO) in Erfurt fallen.

Wenn es ärztlich vertretbar ist, sollen Ärzte Patienten auch dann per elektronischer Kommunikation behandeln dürfen, wenn es zuvor noch keinen persönlichen Kontakt zum Patienten gegeben hat. Den Entwurf einer dementsprechenden Beschlussvorlage gibt es bereits.

Hoch reflektierte Diskussion

In der Ärzteschaft ist das Thema umstritten. In einer Umfrage des Hartmannbundes unter 3800 ambulant und stationär tätigen Ärzten sowie Medizinstudenten haben sich 62 Prozent der Befragten gegen eine Lockerung des Fernbehandlungsverbots nach Paragraf 7 MBO ausgesprochen (siehe Grafik).

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Die Diskussion in der Ärzteschaft darüber ist hoch reflektiert und wenig polemisch. „Es ist bedachtsam, nicht unbedingt unter den Ersten sein zu wollen – sich aber von vorneherein auf die Letzten festlegen zu wollen, kündet auch nicht von Weisheit“, kommentierte ein Arzt seine Zustimmung zu dem Projekt.

Ein anderer, der ebenfalls zugestimmt hat, schrieb dazu, dass es wichtig sei, sich der Grenzen dieser Behandlungsoption bewusst zu sein.

Haftungsrechtliche Bedenken spielen Rolle

Die ärztliche Verantwortung und haftungsrechtliche Bedenken spielen in der Argumentation der Gegenseite eine große Rolle.

„Es wird interessant sein, wie sich haftungstechnische Aspekte bei dieser Form der Behandlung entwickelt werden“, merkt ein Arzt an. Ein anderer schlägt vor, die Verantwortung für solche Fernbehandlungen komplett auf den Patienten abzuwälzen.

Ein Dritter warnt vor wachsender Beliebigkeit: „Die Neuerungen führen zu weiterer Entfremdung und Entpersönlichung des Arzt-Patienten-Verhältnisses und machen den Arzt immer mehr austauschbar“.

Mitte April startet in Stuttgart und im Landkreis Tuttlingen in Baden-Württemberg das Projekt „Doc Direkt“. Dabei soll die Online-Sprechstunde erprobt werden – ohne persönlichen Erstkontakt zwischen Arzt und Patient. (af)

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Kommentare
PD Dr. Günter Steyer 30.03.201816:25 Uhr

Digitalisierung fördert Patient Engagement

Smartphones, Tablets und Apps gehören langst zu unserem Alltag. Warum soll die medizinische Betreuung nicht davon profitieren? Patienteninformiertheit über das Internet, Interoperabilität von IT-Systemen und medizinischen Netzen, Patientenportale (wo Patienten über Apps Zugriff auf ihre Behandlungsdaten in stationären Einrichtungen haben) gehören prägen mehr und mehr nicht nur den medizinischen Behandlungsprozess, sondern auch präventive Maßnahmen und das Gesundheitsverhalten der Bürgen. Wir bei Exkursionen 2017 im Tampa General Hospital und 2018 im Children''s Hospital Los Angeles zu erfahren war (aber auch auf der jährlichen weltgrößten IT-Messe im Gesundheitswesen "HIMSS"), haben inzwischen ca. 95% der US-Bürger Zugriff auf ihre medizinischen Behandlungsdaten, um u.a. im Rahmen von Patient Engagement ihr Gesundheitsbewusstsein zu stärken. Die Abschaffung oder zumindest Lockerung des Fernbehandlungsverbots wäre ein großer Schritt in die richtige Richtung. Wenn dann auch noch der "Dauerbrenner" elektronische Gesundheitskarte (eGK) durch moderne Kommunikationstechnik ersetzt oder ergänzt werden würde, könnte die Digitalisierung auch in Deutschland die Arzt-Patienten-Kommunikation revolutionieren. Schließlich fußt das Milliardengrab "eGK" immer noch auf Technik vor 14 Jahren (Konzipierung war 2003/2004). Also blicken wir optimistisch in die Zukunft?

Dietrich Lenk 29.03.201801:56 Uhr

Moderne Pat.-kommunikation? Wer braucht denn sowas?

In fast allen Branchen gibt es 5% Innovationseinführer, Technikbegeisterte, Vorreiter u. Fortschrittliche. Bei Ärzten eher 0,5%, denn sie arbeiten heute noch immer viel mit analogen Faxgeräten und schweren Karteischränken. Schon vor 10 Jahren sagte mir ein Arzt aus Österreich: "Ja Entschuldigung, ich habe kein Faxgerät, mit Technologie aus dem letzten Jahrtausend arbeite ich schon lange nicht mehr".
Es sind gerade die Ärzte und Apotheker die eine tolle Patienten/Kundenbindung durch Digitalisierung erreichen können und bald dadurch wesentlich mehr Pat. helfen werden und somit auch mehr verdienen. Angst vor weniger Pat. durch Onlineberatung sind verstaubte Denkweisen. Es ist auch die Onlineberatung nicht neu, weltweit werden schon mehrere Millionen Pat. derart beraten und therapiert. Deutschland steht hier sehr weit hinten an - noch.

Dr. Hans-Jürgen Kühle 28.03.201809:05 Uhr

Fernbehandlung ist eine Chance!

Seit Jahren führe ich jede Woche eine Telefonsprechstunde durch. Jeder, der einen besonderen Versorgungsbedarf erfüllt, kann damit auch überregionalen Patienten die Chance zu sachlicher und gleichzeitig fallbezogener Information bieten.
Das ist für beide Seiten sehr wertvoll. Ich sehe mehr Chancen als Risiken. Liebe Kolleginnen und Kollegen, habt Mut zur Zukunft!

Dr. Wolfgang Bühmann 27.03.201813:21 Uhr

Fernbehandlungsverbot

Deutschland ist ein Entwicklungsland im Hinblick auf die Telemedizin. Alle Ärzte sind überlastet, haben keine Zeit für die Patienten und bekommen zu wenig Honorar pro Patient: all das ist richtig. Ist eine Lösung in Sicht, verweigern sich alle, weil sie eine völlig unbegründete Angst vor Patientenverlust haben.
Schauen Sie in unser hoch innovatives Nachbarland Schweiz, wo es seit gut 15 Jahren komplette telemdizinische Behandlungen gibt ohne Präsenzkontakt, inklusive Rezept- und Überweisungsdispositionund weltweiter telemdizinischer Beratungen im Outback von Nepal oder im Nordmeer - und das alles 365 Tage im Jahr 24 Stunden pro Tag. Die PatientInnen sind hochzufrieden, weil es eine maximale Qualitätssicherung gibt, die der einer präsenzorientierten Praxis deutlich voraus ist. Die Dokumentation ist lückenlos und unangreifbar. Das beste Qualitätsargument: Patienten, Ärzte und Versicherungen sind gleichsam zufrieden. Vorschlag: einfach auf den Knopf drücken und das System übernehmen, statt rund 15 Jahre preussischer Bürokratie-Orgasmen zur Verhinderung vorzuschalten und zu missbrauchen.

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