Niederlassungen

Die Großstadt verliert ihren Reiz

Eine eigene Praxis eröffnen Ärzte immer später - und dann vornehmend in kleinen oder mittelgroßen Städten. Das zeigt eine neue Existenzgründer-Analyse. Sie belegt auch den kommenden Hausärztemangel.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:
Zum Arzt rechts: Hausärzte, die sich niederlassen wollen, bevorzugen nach wie vor die Großstädte.

Zum Arzt rechts: Hausärzte, die sich niederlassen wollen, bevorzugen nach wie vor die Großstädte.

© chromorange / dpa

DÜSSELDORF/BERLIN. Keine Trendwende in Sicht: Der Anteil der Hausärzte unter den Existenzgründern ist weitaus niedriger als der Anteil der Hausärzte an allen niedergelassenen Ärzten. Das zeigt die kürzlich veröffentlichte Existenzgründungsanalyse Ärzte 2014.

Die Analyse basiert auf 2286 Existenzgründungen von Haus- und Fachärzten, die die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (apoBank) 2013 und 2014 finanziert hat. Die anonymisierten Daten wurden von der Standesbank und dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) gemeinsam ausgewertet.

Demnach lag der Anteil der Hausärzte unter den Existenzgründern 2014 bei 27,8 Prozent, unter allen niedergelassenen Ärzten aber bei 43,7 Prozent.

Die Folge: Der Anteil der Hausärzte an den niedergelassenen Ärzten sinkt langsam, aber stetig, der Hausärztemangel wird damit als Problem zunehmend akut.

Fehlende wirtschaftliche Grundlage

"Letztlich steht die hausärztliche Versorgung vor einer riesigen Herausforderung. Denn wenn in einem kleinen Ort die Einwohnerzahl schrumpft und das letzte Geschäft schließt, dann hat auch eine Arztpraxis keine ausreichende wirtschaftliche Grundlage mehr", kommentiert Georg Heßbrügge, Bereichsleiter Gesundheitsmärkte und -politik bei der apoBank, die Ergebnisse.

Das Problem verschärft sich noch dadurch, dass gerade bei Hausärzten der Anteil der Existenzgründungen auf dem Land, der im Zeitraum 2012/13 noch leicht zugelegt hatte, wieder von 11,5 auf 9,3 Prozent zurückgefallen ist. Nur bei ganz jungen Gründern (Alter unter 35 Jahre) scheint der Trend nach oben zu weisen.

"Wenn das Konzept stimmt - und auch die öffentliche Infrastruktur -, dann scheut die nachfolgende Ärztegeneration die Niederlassung auf dem Land nicht", resümiert Heßbrügge.

Tatsächlich streben Existenzgründer offenbar nicht mehr so stark in Großstädte ab 100.000 Einwohner. Der Anteil der Existenzgründungen hier hat in den vergangenen Jahren um rund drei Punkte auf 46,2 Prozent abgenommen.

Gestiegen ist dagegen der Anteil von Niederlassungen in Klein- und Mittelstädten. Bei Hausärzten zeigt der Trend allerdings in die andere Richtung: Der Anteil der Existenzgründer in Großstädten stieg von 38,6 auf 41,2 Prozent.

Verlängerte Weiterbildung?

Zwei weitere langjährige Trends bestätigt die aktuelle Existenzgründungsanalyse ebenfalls: Das Durchschnittsalter der Ärzte, die sich selbstständig machen, steigt immer weiter an, zuletzt von 41,6 Jahren im Zeitraum 2011/12 auf 42,2 Jahre für den Zeitraum 2013/14.

Das könnte mit längeren Weiterbildungszeiten zusammenhängen, weil junge Ärztinnen und Ärzte in Kinderbetreuungszeiten nur in Teilzeit arbeiten.

Gleichzeitig nimmt auch der Anteil von Frauen an den Existenzgründern weiter zu, besonders bei den Fachärzten, bei denen der Frauenanteil unter den Neuniederlassungen zuletzt von rund 50 auf 54,2 Prozent gestiegen ist.

Bei den Hausärzten blieb der Wert in den vergangenen drei Jahren dagegen bei knapp 52 Prozent stabil.

Beitritt in BAG an der Spitze

Die Investitionen, die für den Weg in die Selbstständigkeit erforderlich sind, variieren stark je nach Fachgruppe, aber auch je nach Niederlassungsform. So haben Hausärzte bei einer Praxisneugründung im Durchschnitt 112.000 Euro investiert, eine Übernahme lag mit 115.000 Euro knapp darüber.

Am günstigsten kamen Hausärzte weg, wenn mehrere Ärzte eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) komplett übernahmen (99.000 Euro), die höchsten Investitionen im Schnitt mussten Hausärzte tätigen, wenn sie zusätzlich in eine bereits bestehende BAG eintraten (140.000 Euro).

Der Beitritt in die BAG hat sich im Vergleich zum Vorjahr um 28.000 Euro verteuert, auch die Neugründung einer Einzelpraxis ist im Durchschnitt um 20.000 Euro teurer geworden.

Das Finanzierungsvolumen inklusive Betriebsmittelkredit lag in diesem Fall bei 151.000 Euro, das bei der Einzelpraxis-Neugründung bei 147.000 Euro im Durchschnitt.

Eher höher als bei den Hausärzten liegen die Investitionen bei den Facharztgruppen. Die Existenzgründungsanalyse von ZI und apoBank greift die Gynäkologen und die Orthopäden als Beispiele heraus.

Demnach haben Gynäkologen im Durchschnitt 176.000 Euro für die Existenzgründung investiert, je nach Niederlassungsform zwischen 142.000 und 197.000 Euro.

Orthopäden mussten für die Existenzgründung nochmals tiefer in die Tasche greifen - im Durchschnitt 303.000 Euro, bei einer Spanne von 267.000 Euro (Überführung Einzelpraxis in BAG) bis 427.000 Euro (Übernahme einer BAG).

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