Blick in die Zukunft
Die Praxis 2025 ist digital
Der Patient der Zukunft kommt mit einer fertigen Diagnose in die Praxis. Das muss laut Trendforscher Torsten Rehder gar nicht zum Nachteil der Ärzte sein: Die Technologie wird vielmehr zum verlängerten Arm des Arztes in der Therapie. Wir wollen Sie daher mit auf eine Reise in die Praxis 2025 nehmen.
Veröffentlicht:Seit Wochen fühlt sich Günther Bachfeld (Die Handlung und alle handelnden Personen sind von der Redaktion frei erfunden) schlapp und müde - obwohl er keinen Stress in der Arbeit hat und sechs bis sieben Stunden die Nacht auch wirklich durchschläft.
Das hat ihm der Schlafsensor in seiner Matratze bestätigt. Nun hat ihm ein Nachbar den Tipp gegebenen, sich einen dieser neuen Vitalwerte-Sensoren zu besorgen, die es in der Apotheke als durchsichtiges Minipflaster gibt.
Bachfeld loggt sich zu Hause gleich ins Online-Portal seiner Apotheke ein. Den Sensor hat er schnell gefunden, aber ein paar zusätzliche Infos wären nicht schlecht.
Er ruft die Online-Beratung auf und der Apotheker erklärt: "Herr Bachfeld, Sie können den Sensor ganz beliebig unter der Kleidung tragen, das beeinträchtigt die Datenmessung nicht. Die Daten werden einfach über die Haut ermittelt und an die zugehörige App auf Ihrem Smartphone übertragen.
Die App gibt Ihnen dann Hinweise auf überhöhte oder zu niedrige Werte und das zugehörige Krankheitsbild." Außerdem könne er die Daten an seine Gesundheitsakte auf dem Smartphone und später an seinen Hausarzt automatisiert übermitteln lassen.
Das überzeugt Günther Bachfeld. Er bestellt den Sensor, der bereits am nächsten Tag bei ihm eintrifft. Die App meldet ihm nach einer Woche, dass er einen überhöhten Blutzuckerspiegel und damit wahrscheinlich Diabetes mellitus Typ II hat. Bachfeld googelt gleich, was das nun für ihn bedeutet.
Zweitmeinung via Google?
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"Apple, Google & Co: Wie die zunehmende Digitalisierung Ihren Praxisalltag verändern wird" - unter diesem Motto stand ein Kongress von Springer Medizin und Berlin Chemie am 26./27. Juni im BCC in Berlin.
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Die Suchmaschine zeigt ihm einige Websites an, Bachfeld entscheidet, sich einfach durchzuklicken. Sicherheitshalber macht er auch noch einmal einen Symptome-Check.
Aber die Diagnose scheint zu stehen. Mit nur wenigen Fingertipps auf dem Smartphone ist er im Online-Terminsystem seines Hausarztes. "Wunderbar, übermorgen ist noch ein Termin zu haben."
Bachfeld schreibt gleich dazu, worum es geht: "Verdacht auf Diabetes" ... und da ist auch ein Button, über den er die Messdaten aus der Sensor-App direkt weiterleiten kann.
Dienstagvormittag in der Praxis seines Hausarztes Peter Kolkamp* drückt ihm die Medizinische Fachangestellte gleich einen Tablet in die Hand: "Ich würde Sie bitten, im Wartezimmer noch schnell einen kurzen Fragebogen auszufüllen."
Sie hat bereits den Bogen für Diabetes-Risikopatienten aufgerufen. Oben ist schon der Name von Bachfeld und sein Geburtsdatum angegeben.
"Nach dem Ausfüllen einfach auf Senden tippen." In wenigen Minuten hat sich Günther Bachfeld durch die zusätzlichen Fragen zu seinen Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten getippt.
Da ruft ihn die Fachangestellte auch schon ins Sprechzimmer. Dort geht es zunächst auf die Waage - das digitale Gerät spielt die Daten direkt via gesicherter WLAN-Verbindung in Bachfelds Patientenakte ein.
"Guten Tag Herr Bachfeld, wie geht es Ihnen?", begrüßt ihn sein Arzt. "Na ja, ich mache mir Sorgen wegen meines überhöhten Blutzuckerspiegels", sagt Bachfeld.
"Ja ich habe Ihre Daten gesehen, vielen Dank, dass Sie sie mir gleich mit rübergeschickt haben. Wir sollten da was tun, aber ganz so schlimm sieht es gar nicht aus", beruhigt ihn Kolkamp.
"Vielleicht schauen wir uns die Daten direkt einmal an." Auf seinem PC-Bildschirm sind tatsächlich die Blutzuckerwerte von Bachfeld in einer Kurve dargestellt. Kolkamp zeigt seinem Patienten mithilfe eines kurzen Animationsfilmes aber erst einmal, was Diabetes überhaupt ist.
Mehr Einblick in die Therapie
Bachfelds Werte sind noch einigermaßen im Rahmen, mit einer Ernährungsumstellung und mehr Bewegung könne er schon viel Positives bewirken, erläutert Kolkamp. "Ich weiß, das ist im Alltag nicht immer einfach." Aber es gebe spezielle Internet-Programme und Apps, die ihm helfen würden.
Das sei gerade beim Diabetes-Tagebuch, das Bachfeld die nächste Zeit führen soll, hilfreich. Kolkamp vermittelt Bachfeld auch, warum ein Insulin bei ihm gar nicht notwendig, sondern eine andere Therapie der richtige Weg ist.
Gemeinsam richten sie ihm ein Diabetes-Tagebuch ein, Bachfelds Sensor soll dort künftig automatisch die Blutzuckerdaten und andere Werte einspielen. Zugriff auf das webbasierte Tagebuch haben Arzt und Patient. So kann auch Bachfeld anhand der Vitalkurven sehen, wie es um seine eigene Adhärenz steht.
Damit es mit der Ernährungsumstellung und dem Bewegungsprogramm in Zukunft klappt, meldet sich Bachfeld zudem auf dem vom Arzt empfohlenen Online-Portal an. Dort gibt es nicht nur ergänzende Hintergrundinfos und Erklärungsvideos, die er sich zu Hause in Ruhe ansehen kann.
Per Smartphone kann er dort auch ein Ernährungstagebuch führen, mehr als ein Foto vom Essen auf seinem Teller zu schießen, muss er dafür nicht tun. Per App erhält er dann direkt Ernährungstipps.
Er muss auch nicht in ein Fitness-Studio gehen, der Trainer kommt virtuell zu ihm nach Hause. Sein Sensorpflaster kommuniziert dazu mit einer Bewegungs-App und zählt etwa die Schritte, die er pro Tag zurücklegt und misst die Anstrengung beim regelmäßigen Work-out.
Es erinnert ihn aber auch an sein regelmäßiges Training. Für letzteres loggt sich Bachfeld über eine Smartbrille ein - und schon steht er mitten in seinem Wohnzimmer im virtuellen Sportstudio, wo er Bewegungs-Anweisungen erhält. Die Bewegungs-App erinnert ihn daran, wann es Zeit fürs Training ist.
Sein Hausarzt Dr. Kolkamp bekommt alle wichtigen Daten zur Therapie in die Patientenakte überspielt - die er sich in regelmäßigen Abständen anschaut und bei den Besuchen Bachfelds in der Praxis mit ihm bespricht.
Laufen Werte aus dem Ruder, bekommt der Arzt eine Meldung von der Praxis-EDV und kann eine Nachricht an den Patienten schicken oder zur Video-Konsultation einladen. (reh)
Zukunftsmusik?
Torsten Rehder vom Trendforschungsunternehmen „Trend One“ zeigte auf dem Kongress „Apple, Google & Co: Wie die zunehmende Digitalisierung Ihren Praxisalltag verändern wird“ in Berlin, was Digital Health schon heute kann:
Google Knowledge Graph: In den USA erhalten Nutzer oberhalb der Suchergebnisse redaktionell bearbeitete und von Spezialisten verifizierte Infos und Grafiken zu Krankheiten.
Apple Health-Kit wird mit dem neuen Betriebssystem (iOS 8) ausgeliefert und soll Daten aus Apps und tragbaren Geräten synchronisieren.
Vital-Sensor: Forschern der University of Michigan ist es gelungen, mithilfe eines tragbaren Sensors die über die Haut abgegebenen Chemikalien zu messen.