Umfrage zeigt

Digitalisierung überfordert sehr viele Senioren

Ein Großteil der älteren Menschen in Deutschland tut sich schwer in der digitalen Welt. Das offenbart eine Umfrage. Für die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung ist das keine gute Nachricht.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Viele Senioren gestehen, im Umgang mit dem Internet nicht sicher zu sein.

Viele Senioren gestehen, im Umgang mit dem Internet nicht sicher zu sein.

© Yuri Arcurs / stock.adobe.com

BERLIN/GÜTERSLOH. Digitale Gesundheitsangebote insbesondere für ältere Menschen drohen ins Leere zu laufen. Anlass zu dieser Sorge gibt eine am Mittwoch vorgestellte Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung.

Demnach hat eine Mehrheit der Senioren in Deutschland noch große Defizite hinsichtlich digitaler Kompetenzen. Unter den 60- bis 69-Jährigen fühlen sich nur 41 Prozent sicher oder sehr sicher, was den Umgang mit dem Internet betrifft. Bei den über 70-Jährigen gibt das sogar nur jeder Dritte (36 Prozent) an.

Das Marktforschungsunternehmen Kantar befragte für die Studie insgesamt 1000 Personen ab 14 Jahren.

Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann-Stiftung, sprach von einem besonderen Handlungsdruck, älteren Menschen digitale Fähigkeiten zu vermitteln. „Auch die ältere Generation benötigt digitale Kompetenzen, um sich im Alltag selbstständig zurecht zu finden und möglichst lange autonom in der vertrauten Umgebung zu bleiben.“

Stiftung sieht „Nachholbedarf“

Digitale Technologien böten älteren Menschen „große Chancen“ und nähmen auch vermehrt Einfluss auf deren Leben, hieß es. Dazu zählten zum Beispiel persönliche Assistenzsysteme, Smart-Home-Technologien oder Anwendungen im E-Health-Bereich (siehe nachfolgende Grafik).

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Die digitalen Kenntnisse der Senioren beschränken sich laut Studie nicht nur auf das Bedienen neuer Geräte. Das Bewusstsein, dass durch Internetdienste persönliche Daten weitergeben würden, gehöre genauso dazu. Hier besteht offensichtlich Unsicherheit bei vielen „Silver Surfern“.

Das zeigt sich auch bei der Selbsteinschätzung eigener Kenntnisse hinsichtlich digitaler Anwendungen und möglicher Risiken durchs Web: Unter den 14- bis 29-Jährigen stufen 89 Prozent der Befragten entsprechende Kenntnisse als gut bis sehr gut ein.

Bei den 60- bis 69-Jährigen sind es 50 Prozent, bei den über 70-Jährigen nur 36 Prozent. „Auch wenn ältere Menschen vermehrt digital leben, sind sie bei den Kompetenzen weiterhin abgehängt“, heißt es in der Studie.

Nötig seien vermehrt digitale Lernangebote oder aber „reale Orte“, an denen ältere Menschen ihre persönlichen Erfahrungen austauschen könnten. Die Angebote seien niedrigschwellig zu halten.

Berührungsängste ansprechen

Für den Praxisalltag dürften die Befunde der Studie interessant sein. So sieht das geplante Digitale Versorgung-Gesetz (DVG) vor, dass Ärzte künftig Apps wie etwa Diabetes- oder Schmerztagebücher auf Kassenkosten verschreiben können. Telemedizinische Sprechstunden sollen ausgebaut werden. Profitieren sollen davon explizit auch chronisch kranke und ältere Menschen.

Hardy Müller, Beauftragter der Techniker Krankenkasse für Patientensicherheit, hatte kürzlich in einem Gastbeitrag für die „Ärzte Zeitung“ betont, digitale Anwendungen im Gesundheitswesen seien nur dann erfolgreich, wenn es Vertrauen in die Anwendungen gebe. Ohne vertrauensvolle und sinnvolle Nutzung bringe die beste Technik nichts.

Befragt wurden im Rahmen der Bertelsmann-Studie auch Personen, die digitale Kompetenzen an Senioren vermitteln.

Dabei zeigt sich, dass familiäre Kommunikation der größte Motivator ist, sich Kenntnisse im Umgang mit dem World Wide Web und Apps zu verschaffen – gefolgt vom Wunsch nach besserer Alltagsorganisation oder sozialem Miteinander.

Gesundheit rangiert bei der Abfrage zwar im hinteren Drittel der Gründe, warum ältere Menschen digitale Kompetenzen erwerben wollen, dürfte aber insgesamt an Bedeutung gewinnen.

Wir haben den Beitrag aktualisiert am 24.07.2019 um 16:52 Uhr.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Digitale (In-)Kompetenz

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Kommentare
Carsten Windt 31.07.201907:13 Uhr

Digitale Kompetenz nicht mit technischen Fähigkeiten verwechseln

Tatsächlich ist doch die digitale Kompetenz bei älteren und erfahrenen Nutzern eher höher. Diese Gruppe macht sich Gedanken, was mit ihren Daten passiert (schließlich waren das auch die Menschen, die sich gegen eine "Volkszählung" gestellt haben.). Dagegen macht sich die jüngere Generation überhaupt keine Gedanken, was bei der Nutzung von Handy´s, Tablet´s oder PC´s mit deren Daten passiert. Es vergeht kein Tag, wo nicht über Cookies, Tracker also Schnüffelsoftware berichtet wird und dennoch wird munter über Facebook und Co gepostet, was das Zeug hält (Wozu eine Volkszählung, wenn man doch Facebook hat).
Das ältere Menschen kritisch gegenüber der sogenannten digitalen Revolution zeugt daher eher von Vorsicht und nicht unbedingt Überforderung.

Christine Becker 27.07.201912:08 Uhr

Digitale Technologien sind nur Instrumente, nur Mittel zum Zweck

Warum sollten alte Menschen digitale Technologien einsetzen, wenn dies zu weniger menschlicher Berührung, Nähe, auch Körperkontakt führt?
Ja, wenn auch ihr Hausarzt oder ihre Pflegekräfte wüssten welche Vorteile AAL, smart Home und Telemedizin für die Selbstständigkeit und Sicherheit böten; wenn also auch der Nutzen für die gesundheitliche Versorgung von Vertrauenspersonen vertreten würde, dann wäre der Mehrwert von Videokonferenzsystemen, Apps usw. klar und die Akzeptanz würde steigen, inklusive der Bereitschaft dafür auch selbst zu zahlen.
Ich gebe hier mal ein Beispiel für einen guten Einsatz eines Digitalsystems.
In dem Filmbeitrag des BR wird deutlich, wie der Einsatz von MemoMoto im Seniorenwohnstift Erlenbach sinnvoll wird: https://www.youtube.com/watch?v=9dIJ0ZotG5w

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