Internet
Dürfen Patienten gegoogelt werden?
Blogs, Facebook, Twitter und Co: Das Internet ist voller Informationen - auch über Patienten. Doch was macht es mit dem Arzt-Patienten-Verhältnis, wenn Ärzte gezielt ihre Patienten googeln? Eine Studie unter Psychotherapeuten versucht, Antworten zu geben.
Veröffentlicht:WIEN. Dass sich Patienten vor einer Therapie im Internet über ihren Arzt oder Psychotherapeuten informieren, ist bekannt und mitunter auch gewollt.
Ist die Website der Praxis oder die Listung in einem Arztbewertungsportal doch ein beliebtes Marketinginstrument. Dass die Patienten bei der Recherche im Internet auch auf private Informationen über den Arzt stoßen können, ist ebenfalls nicht neu.
Doch wie häufig drehen Mediziner den Spieß um und durchforsten das Netz ganz gezielt nach privaten Informationen ihrer Patienten?
Forscher der Universität Wien haben hierzu 207 österreichische und deutsche Psychotherapeuten befragt. Dabei zeigte sich: Rund 40 Prozent haben schon einmal Patienten gegoogelt. 39 Prozent kennen zudem Kollegen, die dies ebenfalls tun.
Meist wird geheim recherchiert
Die - bezeichnenderweise - Online-Umfrage der Forscher (Eichenberg C, Herzberg PY, Do Therapists Google Their Patients? J Med Internet Res 2016;18(1):e3) ist zwar nicht-repräsentativ, sie vermittelt aber einen guten Eindruck darüber, wie Mediziner mit den neuen Medien umgehen.
85 Prozent der teilnehmenden Psychotherapeuten nutzen das Internet ohnehin täglich für berufliche Zwecke.
Diejenigen, die ihre Patienten googeln, tun dies im Schnitt bei 5,8 Fällen. Drei Viertel unter ihnen, ohne sich vorher die Erlaubnis zum Datensammeln im Web bei den Patienten eingeholt zu haben.
Gerade einmal ein Fünftel hat diese Erlaubnis. Und nur vier Prozent führen die Internet-Recherche gemeinsam mit dem Patienten durch.
Interessant ist auch, dass von den 60 Prozent der befragten Psychotherapeuten, die ihre Patienten noch nicht gegoogelt haben, lediglich rund 13 Prozent dies damit begründen, dass die Patienten wohl nicht damit einverstanden wären.
Aber: Gut 37 Prozent haben immerhin ethische Zweifel an der Web-Recherche. Ein Drittel vertraut den Informationen im Internet schlicht nicht. 23 Prozent wollen aber auch keine Extra-Arbeit leisten, die mit der Web-Recherche zwangsläufig anfallen würde.
Erlaubt, wenn Gefahr droht?
Wie auch immer die Ärzte sich selbst verhalten, die Forscher wollten von ihnen wissen, welche Gründe das Googeln eines Patienten rechtfertigen könnte. Für über ein Drittel bleibt die Web-Recherche unvorstellbar.
Zwei Drittel der teilnehmenden Psychotherapeuten finden aber durchaus, dass es mitunter bestimmte Situationen gibt, die trotz des sensiblen Arzt-Patienten-Verhältnisses ein solches Vorgehen erlauben oder gar anzeigen.
Für 13 Prozent ist dies der Fall, wenn Gefahr droht: für den Therapeuten, den Patienten oder andere. So beschreibt ein Umfrageteilnehmer sehr deutlich eine solche Situation mit einem selbstmordgefährdeten Patienten.
Da der dringende Verdacht bestanden hätte, dass der Patient sich mit einer Schußwaffe selbst töten wolle, habe er im Internet geprüft, ob der Patient etwa Mitglied in einem Waffenverein ist und Zugang zu Schußwaffen hat.
Wenn das Gefühl sagt: Der Patient lügt
Rund zehn Prozent der befragten Therapeuten konsultieren das Internet außerdem, wenn sie das Gefühl haben, dass der Patient lügt. Einige nutzen das Internet generell, um die Anamnese zu vervollständigen. Nur eine Minderheit googelt Patienten aus reiner Neugier.
Ein Drittel der Psychotherapeuten mussten aber auch zugeben, dass sie im Internet keine brauchbaren Informationen über die Patienten gefunden hatten.
Die Forscher wünschen sich angesichts der Ergebnisse, dass die Internet-Recherche über Patienten Teil der ärztlichen Leitlinien und vor allem der Ausbildung der Ärzte und Psychotherapeuten werden sollte. Denn sie hätte einen großen Effekt auf die Arzt-Patienten-Beziehung.
Hier braucht es Richtlinien, wann eine solche Recherche angesagt ist, und in welchem Rahmen sie sich ethisch bewegen darf. Lediglich drei der 207 Umfrageteilnehmer hatten solche Informationen während ihrer Ausbildung erhalten.
Mit eigenen Infos sehr vorsichtig
Spannend wird es übrigens, wenn man einen Perspektivwechsel wagt: Also bei der Frage, wie die Psychotherapeuten dazu stehen, wenn sie selbst - auch mit persönlichen Infos - gegoogelt werden.
Immerhin 91 Prozent der Psychotherapeuten haben sich laut der Studie darüber bereits Gedanken gemacht. Hier sorgen sie sich durchaus darum, dass ihre Privatsphäre verletzt wird und darüber, welche Informationen über sie selbst im Netz verteilt werden.
Die Mehrheit (59 Prozent) stellt daher selbst nur geprüfte Infos ins Web. Ein Drittel postet generell keine persönlichen Infos und 47 Prozent nutzen Suchmaschinen, um die Daten über sich selbst im Web im Blick zu behalten. Trotzdem nutzen 40 Prozent der Psychotherapeuten soziale Netzwerke.