Klinische Forschung
Ein Fall für die Praxis?
Arzneimittelforschung ist nicht nur etwas für große Kliniken. Genügend Patienten in einer Indikation vorausgesetzt, kann aus einer Arztpraxis ein Prüfzentrum werden. Wie das gelingen kann, erklärt Expertin Meike Homann im Interview.
Veröffentlicht:Ärzte Zeitung: Sind niedergelassene Ärzte beteiligt, wenn neue Arzneimittel erforscht werden?
Meike Homann: Fach- und Hausärzte, die sich zum Beispiel auf Diabetologie, Rheumatologie oder Onkologie spezialisiert haben, sind meist ab Phase III der Arzneimittelforschung beteiligt, wenn die Wirksamkeit eines neuen Medikamentes für die Marktzulassung geprüft wird.
Nach der Zulassung können die Behörden Folgestudien zur Auflage machen, auch hier sind Arztpraxen oft eingebunden. Wichtig ist, dass sie genügend Patienten mit der entsprechenden Indikation haben.
Daneben gibt es Anwenderbeobachtungsstudien, die aber eher einen marketingspezifischen Zweck verfolgen.
Welche Anforderungen kommen auf Arztpraxen zu, wenn sie sich als Prüfzentrum bewerben möchten?
Meike Homann
War 16 Jahre als Medizinische Fachangestellte tätig, bevor sie 2007 in die klinische Forschung wechselte.
Gut 30 Auftragsstudien hat sie seither als Study Nurse begleitet, etwa in der Charité, Berlin.
Seit 2013 ist sie als Studienkoordinatorin bei der CMB Collegium Medicum Berlin GmbH tätig. Zudem gehört sie dem Vorstand des Bundesverbandes der Study Nurses und Studienassistenten in der Klinischen Forschung e. V. (BUVEBA) an.
Homann: Prinzipiell gelten für Praxen die gleichen Kriterien wie für Prüfzentren in Krankenhäusern. Die Charité zum Beispiel hat mehr als 100 Prüfzentren, die sich jeweils eigenständig um Studien bewerben müssen.
Ob ein Zentrum die formalen Voraussetzungen erfüllt, entscheiden die Bundesoberbehörden und die Ethikkommission.
Notwendig ist, dass die medizinische Leitung Erfahrungen in der klinischen Forschung nachweisen kann und einen Vertreter benennt. Natürlich muss das gesamte Studienpersonal entsprechend qualifiziert sein.
Hinzu kommen die persönliche Eignung und das Interesse an Studien. Eine Herausforderung ist das Projekt- und Qualitätsmanagement.
Gerade Arztpraxen, die als Prüfzentrum tätig werden wollen, müssen darauf achten, die nötigen Zeit- und Platzkapazitäten bereitzustellen und technisch ausgerüstet zu sein, beispielsweise mit einem temperaturüberwachten Kühlschrank für die Prüfmedikation.
Welche Qualifikationen sind erforderlich?
Homann: Verpflichtend für Prüfärzte und Studienassistenten sind Kurse in Good Clinical Practice, die je nach Bundesland zwischen sechs Stunden und zwei Tagen dauern.
Der Kenntnisstand über die Studienanforderungen nach der GCP-Verordnung und dem Arzneimittelgesetz muss alle zwei Jahre oder bei Gesetzesänderungen aufgefrischt werden.
Notwendig bleibt, dass die Studienteams, Arzt und Fachkräfte, die einschlägigen Regularien kennen und wissen, dass zum Beispiel der Datenschutz und das Abnehmen von Blutproben in Studien wesentlich strenger geregelt sind als in der normalen Behandlung.
Was bedeutet das für die Organisation in der Arztpraxis?
Homann: Die meisten Arztpraxen, die sich an einer Studie beteiligen, haben eine Kassenarztzulassung. Dadurch ist die Arbeitsbelastung für Medizinische Fachangestellte bereits hoch.
Wenn zusätzlich Studien stattfinden, kann das aufgrund von Zeitdruck und Parallelarbeiten leicht zu Fehlern führen, beispielsweise wenn die Prüfmedikation ausgehändigt wird oder wenn ein Patient seinen Termin verschieben möchte, aber nicht sagt, dass er an einer Studie teilnimmt.
Notwendig ist daher, dass die Aufgaben innerhalb der Teams klar verteilt werden. Günstig ist, wenn mindestens eine Assistentin nur für Studienpatienten da ist.
Wie gut sind die Arztpraxen für diese Aufgabe gerüstet?
Homann: Das ist je nach Arztpraxis verschieden. Große Praxen, die als Prüfzentrum etabliert sind, haben sicherlich gute Strukturen geschaffen und die Arbeitsbereiche entsprechend zugeordnet.
Bei kleinen Praxen und Praxen, die sich neu als Prüfzentrum bewerben, besteht oft Nachholbedarf. Es ist Aufgabe des Sponsors, diese Prozesse entsprechend zu überwachen.
Bei der Ausstattung mit speziellen Geräten, die recht teuer sind, ist es möglich, auf Leihgeräte zurückzugreifen. Die Assistentin muss geschult werden, um die Geräte richtig bedienen zu können.
Worin bestehen aus Ihrer Sicht die kritischen Punkte, die den Abschluss einer Studie gefährden?
Homann: Arztpraxen dürfen Studienpatienten nicht als Finanzierungsmodell betrachten wie den Anteil an Privatpatienten, den eine Praxis braucht, um wirtschaftlich arbeiten zu können.
Dafür sind klinische Studien zu komplex. Sie erfordern viel Engagement und eine gute Dokumentation. Was nicht dokumentiert wurde, gilt als nicht gemacht. Die Daten dürfen dann nicht mehr in die Auswertung einbezogen werden. Die Studie verliert an Aussagekraft.
Ein kritischer Punkt sind auch die Ein- und Ausschlusskriterien. Wenn ein Prüfzentrum einen Patienten trotz fehlender Eignung einschließt, verstößt es gegen Recht und Ethik.
Worauf sollten Praxen im Vorfeld achten?
Homann: Wichtig ist, dass das Praxisteam früh Verständnis für klinische Studien erwirbt. Mit der Forschung betritt man eine andere Welt. Wie Studien aufgebaut sind und welche Regularien damit verbunden sind, unterscheidet sich vom Praxisalltag.
Es reicht nicht, nur mehr Untersuchungen und Interventionen zu machen, die Teams müssen mit Leib und Seele dabei sein. Auf der Homepage des BUVEBA listen wir Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Studienassistenten auf.
Weiterführende Informationen unter: