Humor in der Arztpraxis

Einfach mal lachen!

Von Gesundheitswahn, Humor und Heilung: So lautet das Motto der neuen Ringvorlesung "Was hilft heilen?" an der Uni Frankfurt. Studierenden soll sie helfen, rechts und links vom Curriculum Denkanstöße zu gewinnen. Der Auftakt war prominent.

Von Jana Kötter Veröffentlicht:
Die rote Nase kann helfen, sich selber gut zu fühlen – und das an den Patienten weiterzugeben: Der Hörsaal war zum Auftakt der neuen Ringvorlesung voll.

Die rote Nase kann helfen, sich selber gut zu fühlen – und das an den Patienten weiterzugeben: Der Hörsaal war zum Auftakt der neuen Ringvorlesung voll.

© Alex Kraus (2)

FRANKFURT/MAIN. Humor und Sinnhaftigkeit sind in der Medizin an vielen Stellen auf der Strecke geblieben. Und das sei kein Wunder, sind doch die "Dumpfbacken, die früher nicht wussten, was sie machen sollen und dann BWL studiert haben", heute die Verwaltungsdirektoren der Kliniken - und damit wegweisend.

Für seine offene Schelte erntet Dr. Eckart von Hirschhausen im Frankfurter Hörsaal Applaus, Gelächter, zustimmendes Nicken. Die Rahmenbedingungen für das Arztsein würden schlechter, und durch die Ökonomisierung - deutlich geworden etwa an den Fallpauschalen - finde eine Verzerrung im Gesundheitswesen statt, die zunehmend auch die Patienten wahrnehmen.

Hirschhausen, selber Arzt, Zauberkünstler und Komiker, hat es sich zum Ziel gemacht, die Bedeutung von Menschlichkeit und Humor in der Medizin zu stärken. Gemeinsam mit Professor Ferdinand Gerlach, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Uni Frankfurt, und Professor Tobias Esch von der Uni Witten/Herdecke ist das Konzept einer außergewöhnlichen Ringvorlesung entstanden.

 "Die fünf ausgewählten Vorlesungen sind bewusst gegen den Strich gebürstet und sollen außergewöhnliche Perspektiven ermöglichen", erklärt Gerlach. Themen sind Glück, Wohlbefinden, aber auch der Umgang zwischen Arzt und Patient. "Es geht darum, neben der fachlichen Ausbildung einmal rechts und links des Lehrplans zu schauen."

Klopapier-Test in der Klinik

Die Serie "Was hilft heilen?", so Gerlach, soll Denkanstöße mit auf den Weg geben, die das Arztsein reflektieren lassen.

Zum Auftakt hat Hirschhausen kaum ein gutes Wort am aktuellen Gesundheitswesen gelassen. Das Interesse der Kliniken entspreche nicht mehr dem Interesse der Patienten; und beim "Verkauf" von individuellen Gesundheitsleistungen sei auch der niedergelassene Arzt nicht mehr in seiner Rolle, sondern im Vertrieb tätig.

"Das Aufbegehren ist bisher jedoch größtenteils ausgeblieben", wundert sich Hirschhausen. Die mangelnde Empathie belegt er mit heiteren Beispielen: "Haben Sie etwa schon mal den Klopapier-Test gemacht?" Fragende Gesichter. "Na, wenn in einer Klinik nicht einmal die Rolle nach dem Aufbrauchen des letzten Blattes getauscht wird, ist das nicht ein Zeichen für fehlende Empathie?"

Um es besser zu machen, setzt Hirschhausen auf den medizinischen Nachwuchs. "Auch ich bin langsam in einem Alter, in dem ich auf gute Ärzte hoffen muss", bringt er die anwesenden Ärzte der Zukunft zum Lachen. Es sind vor allem Studierende der ersten Semester, die der Einladung gefolgt sind.

Arztkittel ist kein Superhelden-Kostüm

"Medizin zu studieren ist stressig, und Arztsein ist eine Belastung", verdeutlicht er vor den Studenten. Der Arztkittel sei kein Superhelden-Kostüm, das man überstreift und alle Sorgen vergessen lässt. Doch Hirschhausen gibt einfache Tipps mit auf den Weg: "Freundschaften können helfen, mit dem Stress und unschönen Momenten klarzukommen - und vor allem die außerhalb der Medizin."

 Jeder Mediziner sollte, so der Dozent, ebenso wie heilsame Medikamente auch heilsame Geschichten im Arztkoffer haben. Witze, Metaphern oder Erzählungen könnten helfen, Zugang zum Patienten zu bekommen - vor allem bei Kindern. Auch ein Luftballon in der Tasche könne in diesem Fall Wunder wirken. Die eigene positive Einstellung zu Leben und Beruf sei für all das Voraussetzung.

Für die Zukunft ist es Hirschhausens Traum, Workshops zu Empathie und Humor bereits in der Mediziner-Ausbildung zu etablieren. Die wissenschaftliche Evidenz der Wirksamkeit sei dabei ein wichtiges Thema: So hat jüngst eine Studie der Uni Greifswald einen um 30 Prozent gestiegenen Oxytocin-Spiegel und deutlich verminderte Angstgefühle bei Kindern, die von Klinikclowns besucht wurden, vorgewiesen (die "Ärzte Zeitung" berichtete).

 Hirschhausen gab nun außerdem Einblick in eine Studie in Stuttgart, bei der Patienten mit Angina pectoris sieben Wochen lang gezielt Humortraining erhielten. Die Auswertungen liefen noch, "aber unser Gefühl sagt schon heute, dass das Training etwas bewirkt hat".

Auch in den kommenden Teilen der neuen Vorlesungsreihe werden Glück und Menschlichkeit nicht zu kurz kommen. So erläutert Esch als nächstes die Neurobiologie des Wohlbefindens, Professor Annelie Keil wird den deutschen Gesundheitswahn beleuchten.

"Ich bin die Demografie-Welle, die aktuell auf Sie zurollt", kündigte die 1939 Geborene den Studenten bereits lachend an. Gerlach spricht im Juli unter anderem darüber, "warum ein Stethoskop mehr ist als ein magisch-dekoratives Statussymbol", und Professor James McCormack aus Kanada gibt zum Abschluss Tipps zum Umgang mit Polypharmazie.

Eine Fortsetzung des Auftritts Hirschhausens in Frankfurt wird es schon bald geben, hat DEGAM-Präsident Gerlach in Aussicht gestellt: Er wird im September beim 50. Jubiläumskongress der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin dabei sein - und womöglich auch dort seine rote Nase als Erinnerung an den Humor in der Medizin hinterlassen.

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