Nordrhein
Fachärzte ziehen die Notbremse
Weil Röntgenleistungen nicht mehr kostendeckend angeboten werden können, ziehen Fachärzte in Nordrhein die Notbremse und röntgen nur noch in dringenden Fällen. Andere Patienten müssen sich gedulden - oder eine Kostenübernahme beantragen.
Veröffentlicht:KÖLN. Niedergelassene Orthopäden und Chirurgen in Nordrhein ziehen die Notbremse. Weil die teilradiologischen Leistungen hoffnungslos unterfinanziert sind und eine Besserung nicht in Sicht ist, röntgen die Ärzte nur noch in Not- und medizinisch dringlichen Fällen, die anderen Patienten müssen sich gedulden - oder mit einem Kostenübernahmeantrag zur Krankenkasse gehen.
"Wir können die Patienten nicht weiter auf die gewohnte Art und Weise versorgen", sagt der Vorsitzende des Orthopädenverbundes Orthonet NRW, Dr. Ulrich Reinecke. Nach seinen Angaben beteiligt sich rund die Hälfte der nordrheinischen Orthopäden und Unfallchirurgen an der Aktion.
Die Orthopäden in der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNo) mussten nach Reineckes Angaben zwischen 2008 und 2014 Einbußen beim GKV-Honorar von rund 30 Prozent hinnehmen, während andere Fachgruppen im selben Umfang zulegen konnten. "Das Gefüge der gleichmäßigen Verteilung der Mittel funktioniert in der KVNo nicht mehr", kritisiert er.
Obwohl die fachärztlichen Grundversorger in Nordrhein schon länger Probleme haben, hat die Vertreterversammlung beschlossen, jegliche Stützungsmaßnahmen zu stoppen.
Teilröntgen für rund 3,6 Euro
Das Budget für das Teilröntgen ist im 4. Quartal 2014 auf etwa 3,6 Euro gesunken. "Damit kann keine Praxis kostendeckend Röntgenleistungen erbringen", betont der Orthopäde aus Mülheim an der Ruhr. Eine Praxis mit 1000 Fällen könne aktuell ein Röntgenhonorar von 3600 Euro generieren. Dem stünden röntgenspezifische Kosten von 23.000 Euro gegenüber, so Reinecke.
"Wir können nichts anderes mehr machen, als die Budgets umzusetzen." Dringliche Röntgenuntersuchungen erhalten die Patienten sofort. Das gilt etwa für den Ausschluss eines Frakturverdachts, Stellungskontrollen bei Knochenbrüchen oder den Ausschluss osteoporotischer Sinterungen. "Für alles andere werden wir Wartelisten aufbauen."
Den Patienten erläutern die Ärzte die Hintergründe. Gleichzeitig informieren sie über die Möglichkeit, eine Kostenübernahme nach GOÄ bei der Krankenkasse zu beantragen und so die Wartezeit zu verkürzen.
Patienten zeigen Verständnis
Die Patienten seien in der Regel verständnisvoll, allerdings fassungslos über die niedrige Vergütung, berichtet Reinecke. Einzelne Patienten böten an, das Röntgen aus eigener Tasche zu bezahlen. "Ihnen erkläre ich, dass dies nicht geht, weil es sich um eine Kassenleistung handelt."
Die beteiligten Fachgruppen hätten auf allen möglichen Wegen vergeblich versucht, die Situation zu verbessern, sagt auch Dr. Manfred Weisweiler aus Geilenkirchen, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Niedergelassener Chirurgen Nordrhein. Deshalb müssten sie jetzt handeln. "Es geht alles, nur nicht mehr so weiter." Die Vergütungssituation sei schon lange sehr angespannt. "Jetzt ist es eine Katastrophe", betont Weisweiler.
Die KVNo weiß um das Dilemma. "Die radiologischen Leistungen werden nicht so bezahlt, dass sie auch nur annähernd kostendeckend erbringbar sind", sagt Vorstand Bernhard Brautmeier.
Ursache: eine zu geringe Bewertung im EBM
Schuld sei die zu geringe Bewertung im EBM. "Das muss dringend nachbearbeitet werden", fordert er. Da sich die KVNo-VV konsequent für eine stringente Umsetzung des EBM ausgesprochen habe, sei eine Stützung durch die KV aber nicht mehr möglich. Die KV wolle das Thema in die kommenden Honorarverhandlungen mit den Kassen einbringen, kündigt Brautmeier an.
Die Kassen erkennen zwar die schwierige Lage der Orthopäden und Chirurgen an, sehen aber die KVNo in der Pflicht, für Abhilfe zu sorgen. "Die KV muss sich um eine bessere innerärztliche Verteilung kümmern", betont der Leiter des Ersatzkassenverbands Vdek in Nordrhein-Westfalen Dirk Ruiss.
Den Ersatzkassen liegen bislang 80 Fälle von Versicherten vor, die vom Arzt eine Kostenübernahmeerklärung erhalten haben. Mit diesem Vorgehen sind die Kassen nicht einverstanden. "Damit wird Druck auf die Patienten ausgeübt", kritisiert Ruiss. Die Auseinandersetzung um die Vergütung dürfe nicht auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werden.