Praxisklinik Travemünde
Früher belächelt, heute beliebt
Einen interdisziplinären Ansatz über zwei Etagen verfolgt die Praxisklinik Travemünde: Oben eine kleine stationäre Einrichtung, unten mehrere eigenständige Praxen. Das Konzept hat sich bewährt.
Veröffentlicht:LÜBECK. Vor zehn Jahren startete die Praxisklinik Travemünde mit einem damals neuen Konzept: Eine Etage für die stationäre Versorgung, eine für die ambulante.
Inzwischen haben andere Regionen das Konzept kopiert, und die Akteure der ersten Stunde mögen auf die sektorübergreifende Kooperation schon lange nicht mehr verzichten.
Allerdings mussten sie dafür auch einige Widerstände überwinden. Dr. Andreas Mohr erinnert sich, dass die überschaubare Einrichtung von Spöttern einst als "Spielzeug-Krankenhaus" betitelt wurde.
Der Internist und sein Praxispartner Dr. Bernhard Greiling tauschten trotzdem ihren Praxisstandort in exklusiver Lage, weil sie von Beginn an vom interdisziplinären Konzept überzeugt waren.
Anders als an ihrem früheren Standort können sie heute bei Bedarf Rat bei Kollegen in anderen Praxen oder eine Etage höher bei den Klinikkollegen einholen.
Die Lage in einem Gewerbegebiet schreckte sie nicht - heute ist die Umgebung längst belegt und die Verkehrsanbindung mit einer Bushaltestelle vor der Tür gewährleistet. Auch die Vorbehalte externer Praxisinhaber haben sich gelegt. Zum Teil nehmen Hausärzte an den Visiten auf der stationären Etage teil.
Zusammenarbeit zwischen Etagen
Der kollegiale Austausch findet tatsächlich täglich statt. "Wenn bei einem meiner Patienten etwas chirurgisch abgeklärt werden muss, wird er ohne lange Wartezeit in der benachbarten Praxis untersucht", sagt Mohr. Auch die Zusammenarbeit mit den Kollegen auf der stationären Etage bezeichnet er als gut.
In der Praxisklinik sind eine chirurgische, eine internistisch-allgemeinmedizinische, eine HNO- und eine Dialysepraxis untergebracht. Neben der kleinen stationären Abteilung mit Schulterzentrum und Schmerzklinik, die von den Sana Kliniken Lübeck betrieben wird, finden sich auch eine Apotheke, ein Sanitätshaus, eine Physiotherapie und ein Hörgeräteakustiker in der Praxisklinik.
Alles in allem arbeiten rund 60 Menschen hier, denen Klinikgeschäftsführer Klaus Abel eine hohe Identifikation mit dem Haus bescheinigt. Er war seinerzeit auch zu den Sana-Kliniken nach Lübeck gekommen, weil ihn das Konzept der Praxisklinik überzeugt hatte.
Das Stadtteil-Krankenhaus in Travemünde führt nach seinen Angaben zu einer deutlichen Entlastung am Haupthaus in der Innenstadt.
Gebaut wurde es vor zehn Jahren als Ersatz für das nicht mehr wirtschaftlich zu betreibende Priwall-Krankenhaus. Damit gingen eine Verkleinerung und eine Neuausrichtung einher.
Heute werden rund 1200 stationäre und rund 600 ambulante Patienten jährlich von den Klinikärzten behandelt. Deutlich höhere Frequenz herrscht in den Praxen im Erdgeschoss.
Neben kurzen Wegen, gemeinsamer Gerätenutzung und kollegialem Austausch gibt es einen weiteren Vorteil des Konzeptes: Ärzte können in Klinik und Praxis tätig sein.
Dr. Laif Casper betreibt gemeinsam mit seinen Partnern Uwe Knapp und Dr. Rafael Kunze die chirurgische Praxis im Erdgeschoss und ist zugleich ärztlicher Leiter auf der 25 Betten-Station eine Etage höher.
Wechsel in die Niederlassung
Er war vorher als Oberarzt bei den Sana Kliniken tätig und hat 2011 den Wechsel in die Niederlassung in Kombination mit der ärztlichen Leitung vollzogen. "Das habe ich nie bereut", sagt Casper heute.
Sein Praxispartner Knapp ist von Beginn an in der Praxisklinik und hat einen deutlichen Wandel in der Einstellung der anderen niedergelassenen Kollegen in Travemünde wahrgenommen. "Anfangs gab es beträchtliche Vorbehalte, heute ist die Praxisklinik allgemein akzeptiert", berichtet er.
Inzwischen haben sich mehrere Klinikvertreter das Konzept schon vor Ort angesehen. Übertragen wurde es unter anderem auf Fehmarn, wo der gleiche Träger ebenfalls Klinik und Praxen unter einem Dach kooperieren lässt - auch dort mit einem niedergelassenen Chirurgen als ärztlichem Leiter.