Heil- und Hilfsmittel

Für mehr Freiheit würden Deutsche ihre Kasse wechseln

Hätten Patienten bei Medizinprodukten Wahlfreiheit, würde viele ihrer bisherigen Kasse den Rücken kehren – so eine Umfrage. Und: Nicht einmal jeder Fünfte wusste, wer die Medikamentenpreise bestimmt.

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Wahlfreiheit bei Medizinprodukten ist den Deutschen laut Umfrage sehr wichtig.

Wahlfreiheit bei Medizinprodukten ist den Deutschen laut Umfrage sehr wichtig.

© Dan Race / stock.adobe.com

HAMBURG. Gesetzlich Krankenversicherte haben auf die konkrete Auswahl eines rezeptierten Medizinproduktes wie Hörgeräte, Stützstrümpfe oder Rollstühle nur wenig Einfluss – und genau das würden die Deutschen gerne ändern.

Das zeigt die Umfrage "Transparenz von Kassenleistungen" des IMWF Institut für Management- und Wirtschaftsforschung mit Unterstützung des Medizinprodukteherstellers Coloplast. Für die repräsentative Studie befragte das Meinungsforschungsinstitut Toluna rund 1000 Bundesbürger ab 18 Jahren.

Selbst entscheiden als wichtiges Wahlkriterium

Demnach würden 97 Prozent der Deutschen, die für eine längere Zeit auf eine medizinische Versorgung angewiesen sind, gerne selbst darüber entscheiden, welches Medizinprodukt für ihre Bedürfnisse am besten ist.

Vor allem Menschen, die aufgrund einer chronischen Krankheit dauerhaft zum Beispiel eine Versorgung mit einer Gehhilfe benötigen, ist die Wahlfreiheit ohne Aufzahlung besonders wichtig (72 Prozent).

83 Prozent würden ihre Krankenkasse sogar wechseln, wenn sie bei einer anderen Kasse ohne Zuzahlung frei zwischen erhältlichen Medizinprodukten wählen könnten.

Ein weiterer Hinweis darauf, wie grundlegend dieser Wunsch ist, zeigt sich laut Coloplast daran, dass fast die Hälfte der Befragten (44 Prozent) schon einmal einen Aufpreis aus eigener Tasche gezahlt hat, um ein teureres Medizinprodukt zu kaufen, als dasjenige, das von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen wird.

Eine Erklärung für eine Aufpreiszahlung hat über die Hälfte der Deutschen (52 Prozent) in der Apotheke oder im Sanitätsfachhandel erhalten. 34 Prozent wurden von ihrem Arzt informiert – allerdings haben auch 22 Prozent keinerlei Erklärungen für den Grund dieser Zahlung bekommen.

Keine transparente Preisgestaltung?

Wie die Preise für Arzneien, Behandlungen und Medizinprodukte grundsätzlich zusammengesetzt werden, ist für die meisten Deutschen nicht ersichtlich. 89 Prozent der Befragten haben nicht das Gefühl, dass die Preisgestaltung in Deutschland transparent und nachvollziehbar abläuft.

Dementsprechend sehen auch die Antworten auf die Frage aus, wer den Höchstpreis für Medikamente bestimmt, den die Krankenkassen maximal bezahlen müssen. Lediglich 17 Prozent wissen, dass der GKV-Spitzenverband zuständig ist.

15 Prozent gehen davon aus, das sei der GBA, und neun Prozent sind der Ansicht, dies falle in den Zuständigkeitsbereich von Pharmaunternhmen. Fast die Hälfte (42 Prozent) der Deutschen hat keinerlei Kenntnis darüber, wer den Höchstpreis für Medikamente bestimmt. (maw)

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Thomas Georg Schätzler 28.06.201708:32 Uhr

Krasse „Null-Ahnung“ von Toluna und IMWF

Niemand hat die angeblich repräsentativen, rund 1000 Bundesbürger ab 18 Jahren nach dem entscheidenden Passus in der Sozialgesetzgebung (SGB) befragt, der bundesweit für alle gesetzlich Krankenversicherten in der GKV gilt:
„Wirtschaftlichkeitsgebot“ nach §12 Sozialgesetzbuch 5 (SGB V): "Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten" (WANZ-Prinzip wirtschaftlich, ausreichend, notwendig, zweckmäßig).

Stattdessen wird in einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts Toluna im Auftrag des IMWF Institut für Management- und Wirtschaftsforschung auf ein fiktives Wahlfreiheitsgebot bei Medizinprodukten und damit bei vertragsärztlichen Hilfsmittelverordnungen abgehoben: Klar, dass 97 Prozent der Deutschen und in der GKV versicherten Ausländer, die für eine längere Zeit auf eine medizinische Versorgung angewiesen sind, gerne selbst darüber entscheiden wollen, welches Medizinprodukt für ihre Bedürfnisse am besten ist. Aber das muss im Einklang mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot stehen, das doch nicht ernsthaft nur und ausschließlich für uns Vertragsärzte gelten sollte?

Vor allem Menschen, die aufgrund einer chronischen Krankheit dauerhaft zum Beispiel eine Versorgung mit einer Gehhilfe benötigen, ist die Wahlfreiheit ohne Aufzahlung besonders wichtig (72 Prozent). 83 Prozent würden ihre Krankenkasse sogar wechseln, wenn sie bei einer anderen Kasse ohne Zuzahlung frei zwischen erhältlichen Medizinprodukten wählen könnten. Da dies in der Regel nur für Einfach-Versionen und –Ausführungen gilt, sind Zuzahlungen nicht die Ausnahme sondern die Regel bei a l l e n GKV-Kassen.

Laut
https://www.kvwl.de/arzt/verordnung/arzneimittel/info/invo/verbandstoffe_invo.pdf
liegen z. B. die Preise des Medizinprodukteherstellers Coloplast®, der die Umfrage "Transparenz von Kassenleistungen" des IMWF Institut für Management- und Wirtschaftsforschung gesponsert hat, in der Gruppe der Verbandsstoffe regelmäßig im hohen Preis-Segment, während die Produkte der Firmen ConvaTec®, Smith&Nephew® und anderen oft im höchsten Preis-Segment zu finden sind.

Dagegen stehen systematisch überproportionale Zuzahlungen und finanzielle Extra-Belastungen bei unseren einkommensschwächsten Patientinnen und Patienten: Alle gut verträglichen, nicht rezeptpflichtigen Medikamente, Präparate, Heil- und Hilfsmittel sind für Sie oft unerreichbare Selbstzahler-Leistungen. Diese „Gerechtigkeitslücke“ hat noch nicht einmal die SPD für sich entdeckt!

Gipfel empirisch-sozialforscherischer Unbedarftheit ist die Frage, wer den Höchstpreis für Medikamente bestimmt, den die Krankenkassen maximal bezahlen müssen, ausgerechnet in eine Befragung über nicht-medikamentöse Hilfsmittel einzuflechten:
Dass lediglich 17 Prozent wissen, der GKV-Spitzenverband sei zuständig. 15 Prozent davon ausgingen, es sei der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) und neun Prozent der Ansicht seien, dies falle in den Zuständigkeitsbereich der Pharmaunternehmen selbst bzw. 42 Prozent keinerlei Kenntnis darüber hätten, wer den Höchstpreis für Medikamente bestimmen würde, belegt die krasse „Null-Ahnung“ des Meinungsforschungsinstituts Toluna bzw. des Instituts für Management- und Wirtschaftsforschung:

Bei den mehrheitlichen Medikamenten m i t Rabattverträgen sind Vertrags-Formen und -Inhalte derart streng geheim, dass nicht einmal wir vertragsärztlichen Haus- und Fachärzte davon Kenntnis haben dürfen, geschweige denn unser Budget danach einschätzen könnten.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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