Terminservicestellen
Gröhe steht mit Optimismus alleine da
Helfen die von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe geplanten Terminservicestellen gegen lange Wartezeiten beim Arzt? Im TV-Talk von Günther Jauch blieb der Minister am Sonntagabend mit seinem Optimismus jedenfalls ziemlich einsam.
Veröffentlicht:BERLIN. Drei Fälle, drei dramatische Schicksale: Patienten sterben auf der Warteliste, weil sie beispielsweise nicht rechtzeitig einen Termin beim niedergelassenen Kardiologen bekommen.
Oder sie müssen ihre Krankheitssymptome deutlich übertreiben, um die achtmonatige Wartezeit beim Neurologen zu verkürzen, dessen Verdachtsdiagnose auf einen Hirntumor sich im MRT schließlich bestätigt.
"Das darf es nicht geben. Solche Fälle sollen durch die Terminservicestellen vermieden werden", lautete der Bescheid von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe.
Dauerbrenner in den Medien
Das Phänomen unangemessen langer Wartezeiten ist Dauerbrenner in den Medien, steht mit dem Versorgungsstärkungs-Gesetz auf der politischen Agenda - aber es wird aus der Realität in der Gesundheitsversorgung wohl nicht verschwinden.
Denn mit seinem Optimismus in die Problemlösungskraft der Servicestellen blieb der Minister ziemlich allein.
590 Millionen Behandlungsfälle werden jährlich allein in der ambulanten Versorgung abgearbeitet, so der KBV-Vorsitzende Dr. Andreas Gassen. "Mit einer im internationalen Vergleich sensationell kurzen Warteizeit", wie er findet.
Das Problem seien der niedrigschwellige Zugang zu Ärzten und die hohe Fallzahl - und das könne schwer kranke Patienten benachteiligen. Benötigt werde eine stärkere Steuerung in der Inanspruchnahme des Systems.
Dem pflichtete der Allgemeinarzt und Notfallmediziner Dr. Paul Brandenburg bei: "Das System ist für Ärzte und Patienten auf Masse ausgerichtet." Eine Menge, die keine Grenze kenne.
Das Grundproblem sei eine "simulierte unbegrenzte Verfügbarkeit der Ärzte, deren Leistung mit einer Flatrate von 35 Euro pro Quartal finanziert wird", kritisiert Brandenburg.
Eine Alternative sei jedoch nicht Rationierung, sondern Steuerung über eine Positivliste für notwendige Leistungen, die immer verfügbar sein müssten. Wobei offenblieb, was notwendig ist und wie diese Positivliste entstehen soll.
Derzeitige Bedarfsplanung reicht nicht
Stefan Etgeton, ehemals Verbraucherschützer und Patientenvertreter Mitglied im Gemeinsamen Bundesausschuss, heute bei der Bertelsmann-Stiftung, kritisierte die "Gleichzeitigkeit von zu viel und zu wenig".
Dieses Problem richte sich primär an die Ärzte, die die regional völlig unterschiedliche Verteilung korrigieren müsse. Unbestritten blieb bei allen Diskussionsteilnehmern, dass die derzeitige Bedarfsplanung dazu wenig taugt.
Unterversorgung ist nicht allein ein Problem ländlicher Regionen im Osten. Gassen: Tatsächlich finde dort auch Landflucht statt, und rein statistisch habe sich an der Relation Bevölkerung zur Zahl der Ärzte wenig geändert.
Wenn es dort weniger Praxen gebe, dann verlaufe dies parallel zum Abbau auch in der öffentlichen Infrastruktur, konstatierte Gassen.
Zweckoptimismus hingegen bei Hermann Gröhe: "Es sei eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden, den ländlichen Raum attraktiv zu halten. Wir dürfen ländliche Räume nicht aufgeben", so sein Postulat.
Das müsste dann auch für Duisburg-Hamborn gelten. Dort praktiziert noch ein Augenarzt für 70.000 Menschen. Der Mediziner ist 63 Jahre alt, sein Wechsel in den Ruhestand wird nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Keiner der Diskussionsteilnehmer konnte die Sorge zerstreuen, wie die Patienten dieses Augenarztes in fünf Jahren versorgt werden sollen. Die stoische Ruhe des Bundesgesundheitsministers war durchaus keine Beruhigung.