Terminservicestellen
Ein Klotz am Bein der KVen
Neue Bürokratie produziert die große Koalition mit den Terminservicestellen. Das Wartezeiten-Management dürfte viele Kapazitäten bei den KVen binden.
Veröffentlicht:BERLIN. Der Sicherstellungsauftrag der KVen wird teurer: Das wird insbesondere an den umstrittenen Terminservicestellen deutlich, die von den Körperschaften eingerichtet werden müssen.
Sie sind gleichsam der Preis dafür, dass die SPD sich in den Koalitionsverhandlungen nicht mit dem Konzept der Bürgerversicherung durchsetzen konnte.
Als Antidot gegen die unterschiedlichen Wartezeiten bei GKV- und PKV-Versicherten blieb die Terminvermittlungsstelle als kleinster gemeinsamer Kompromiss übrig.
Noch viel Kopfzerbrechen
Doch dieser wird der Koalition und der Selbstverwaltung noch Kopfzerbrechen machen. Denn der Regierungsentwurf gibt nur einen Rahmen vor. Die verbleibenden Leerstellen auszufüllen wird Job der Selbstverwaltung sein.
Was fordert der Gesetzgeber? Bringt ein Versicherter eine Überweisung mit, muss die Servicestelle ihm binnen einer Woche einen Behandlungstermin verschaffen.
Die Wartezeit darf vier Wochen nicht überschreiten. Gelingt das nicht, muss die Servicestelle dem Versicherten einen ambulanten Behandlungstermin in einem Krankenhaus anbieten. Der bloße Hinweis auf die Behandlung im stationären Sektor reicht nicht.
Hier beginnen die Fragen: Wie erfährt eine Terminvermittlungsstelle von freien Kapazitäten in einer Klinik? Muss für die Behandlung Facharztstandard gewährleistet sein?
Gelten soll die Vermittlungspflicht ins Krankenhaus nicht bei "verschiebbaren Routineuntersuchungen und in Fällen von Bagatellerkrankungen".
Was ist eine "Bagatelle"?
Im Bundesmantelvertrag, der zwischen KBV und GKV-Spitzenverband geschlossen wird, soll geklärt werden, was eine "Bagatelle" ist. Das Vorhaben gilt als brisant und könnte den Einstieg in eine Priorisierung nach sich ziehen.
Unklar ist auch die Vorgabe, die Entfernung zwischen dem Wohnort des Patienten und dem vermittelten Facharzt müsse "zumutbar" sein.
Dabei, heißt es in den Gesetzeserläuterungen, muss nach der Facharztgruppe, nach der typischen Patientenklientel, die eine Leistung in Anspruch nimmt, differenziert werden - also beispielsweise gebrechliche Patienten.
Schließlich gilt auch die Art der Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln als Faktor, der über die "Zumutbarkeit" im Einzelfall entscheidet.
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Etablierung der Servicestellen einmalig zwischen 13 bis 20 Millionen Euro kostet.
Bei "mittlerer Inanspruchnahme" der Vermittlungsstellen entstehen nach Regierungsmeinung bundesweit laufende Kosten in Höhe von 16 bis 20 Millionen Euro .
Doch wie viele Patienten werden kommen? Die KV Baden-Württemberg etwa geht von jährlich 15.000 bis 150.000 Patienten aus. Wie soll eine KV auf dieser Basis Personal vorhalten?
Kein Wunder, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt hat, die Servicestellen in Kooperation mit den Kassen zu betreiben. Erst ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des VSG müssen die neuen Einrichtungen etabliert sein.