„Ich bin wirklich fassungslos“
Hausärztin verteidigt ihre 585 Hausbesuche im Quartal nach Regressdrohung
Der Beschwerdeausschuss verschiebt die Entscheidung, ob eine Hausärztin in Bayern im Pflegeheim zu viele Besuche gemacht hat. Die Ärztin sucht den Dialog mit der Politik, um die Versorgung zu sichern.
Veröffentlicht:
Regressforderung: Wirtschaftlichkeitsprüfer werfen einer bayerischen Hausärztin zu viele Hausbesuchen vor.
© apops / Fotolia
München. Ohne Ergebnis blieb am Mittwoch eine Verhandlung vor dem „Beschwerdeausschuss Ärzte Bayern“ in München darüber, ob eine Hausärztin aus Rohr in Niederbayern (Lkr. Kelheim) Teile ihres Honorars zurückzahlen muss, weil sie zu viele Hausbesuche im dritten Quartal absolviert hatte. Damit blieb auch offen, wie es um die Versorgung der Patienten in ihrem Bereich weitergeht.
Die Ärztin hatte gegen eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der Prüfungsstelle Einspruch eingelegt, die ihr unwirtschaftliches Arbeiten attestiert hatte und sich eine grundsätzliche Klärung des Sachverhalts erhofft. Am Ende der Sitzung, zu der sich Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung, der Prüfungsstelle und Krankenkassen getroffen hatten, war jedoch immer noch offen, ob die 585 Hausbesuche, die sie im dritten Quartal 2017 gemacht hat, ökonomisch sinnvoll waren oder nicht. „Wegen der ‚Komplexität des Themas‘ wurde dieser Beschluss vertagt“, berichtet Dr. Petra Lütz über den Ausgang der Sitzung, bei der sie 40 Minuten lang dem Ausschuss Rede und Antwort gestanden habe.
Bescheid in zwei Wochen bis vier Monaten
Statt der erwarteten Entscheidung stand am Schluss der mehrstündigen Sitzung die lapidare Auskunft, der Bescheid werde ihr „irgendwann innerhalb der nächsten zwei Wochen oder vier Monate“ per Post zugeschickt. Die Ärztin will nun prüfen lassen, ob eine derart großzügige Gestaltung des zeitlichen Rahmens bei einer solchen Entscheidung überhaupt rechtmäßig ist. „Ich bin wirklich fassungslos. Was soll ich denn machen, bis der Bescheid kommt: Urlaub?“, macht sie ihrem Ärger Luft.
Letztlich geht es für sie dabei nicht nur darum, ob sie Teile ihres Honorars für das dritte Quartal 2017 zurückzahlen und gegebenenfalls auch für die Folgequartale zurückzahlen muss. Es geht auch um die Zukunft der Versorgung der Patienten in dem Seniorenheim in Rohr. Da es in Rohr keine anderen Hausärzte gebe, sei sie alleine für die rund 170 Bewohner der Einrichtung zuständig, unter denen sich überdurchschnittlich viele Palliativpatienten befänden. Da diese andere Betreuung bräuchten, als gewöhnliche Seniorenheimbewohner sei jeder Hausbesuch dringend notwendig gewesen, ist sie nach wie vor überzeugt.
Nach Auffassung der Wirtschaftlichkeitsprüfer hätte sie sich von den 585 Hausbesuchen im dritten Quartal 2017 die Hälfte sparen können. Unwirtschaftlich fanden die Prüfer auch die zeitlichen Intervalle von vier Wochen, in denen die Visiten stattfanden – viel zu kurz. Aus ihrer Sicht sei es ausreichend, Patienten im Abstand von sechs Wochen zu besuchen. Darüber hinaus hätten Hausbesuche aufgeschoben oder zusammengefasst werden können.
Thema Hausbesuche wird in der Region zum Politikum
„Durch die ausstehende Entscheidung eskaliert die Situation weiter“, so Lütz. Denn abgesehen von den drohenden finanziellen Risiken für sie selbst und die Sicherung der Patientenversorgung werde das Thema immer mehr zum Politikum im Landkreis. „Kurz vor den Kommunalwahlen reagieren alle sehr empfindlich auf das Thema - auch, weil das Seniorenheim zu den größten Arbeitgebern gehört“, so Lütz. Insofern kann sie sich der Unterstützung der Vertreter der regionalen Politik sicher sein.
Jetzt will sie den Kreis größer ziehen: „Wir planen im Januar einen runden Tisch mit Landräten, Bürgermeistern, Landtags- und Bundestagsabgeordneten, zu dem wir auch die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml einladen“, beschreibt sie ihre Pläne. Falls diese nicht komme, fahre sie halt mit dem Landrat ins Ministerium nach München. „Wir brauchen einfach eine gute Entscheidung.“ (bfe)