Ärger mit den Kassen

Hürdenlauf Hilfsmittel-Rezept

Hilfsmittel sind zwar nicht richtgrößenrelevant. Trotzdem wird die medizinische Notwendigkeit einer Verordnung sehr genau kontrolliert. Ärzte sollten daher auf eine gute Begründung und Dokumentation achten.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Auch bei der Verordnung von Hilfsmittel gibt es für Ärzte Hürden zu überwinden.

Auch bei der Verordnung von Hilfsmittel gibt es für Ärzte Hürden zu überwinden.

© Alexander Raths/Getty images

Nicht alles, was nicht unter die Richtgrößen fällt, ist deshalb frei von jeglichem Ärger für die Praxen. Die Verordnung von Hilfsmitteln ist das beste Beispiel dafür.

Die Verordnung sei zwar nicht Bestandteil der Wirtschaftlichkeitsprüfung, wie Medizinjuristin und Fachbuchautorin Beate Bahner aus Heidelberg erklärt. Die Abgabe von Hilfsmitteln bedürfe jedoch grundsätzlich der Genehmigung durch die Krankenkasse.

Das sorgt oft für spätere Nachfragen der Patienten in der Praxis. Aber auch dafür, dass Ärzte ihre Verordnung gegenüber der Kasse genau begründen müssen, soll der Patient doch noch mit den nötigen Hilfsmitteln versorgt werden.

Richtlinie gibt den Rahmen vor

Vorbeugen können Ärzte dabei nur bedingt. Zunächst einmal gilt für sie die Hilfsmittel-Richtlinie (HilfsM-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA). Und die besagt, dass die Grundsätze der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit bei der Verordnung zu berücksichtigen sind.

"Die medizinische Notwendigkeit wird sehr genau beobachtet beziehungsweise kontrolliert", sagt Abrechnungsexperte und Hausarzt Dr. Peter Schlüter.

Gleichzeitig räumt die Richtlinie den Ärzten aber auch einen gewissen Spielraum ein, denn bei der Versorgung mit Hilfsmitteln seien auch die "individuellen Kontextfaktoren in Bezug auf Person und Umwelt" zu beachten, heißt es in der GBA-Richtlinie (Paragraf 6, Absatz 3).

Das bedeutet vor allem bei geriatrischen Patienten: Hat sich das Praxisteam ein Bild vom häuslichen Umfeld gemacht, etwa bei Hausbesuchen oder gemeinsamen Wohnungsbegehungen mit Pflegedienstmitarbeitern, sollten sie diese Informationen gut und strukturiert in der Praxis-EDV dokumentieren.

Denn daraus lassen sich dann schneller Briefe bei Rückfragen der Kasse generieren. Zumal die Kassen ihren medizinischen Dienst auch prüfen lassen können, ob die Hilfsmittel wirklich erforderlich sind.

Verordnungsfähige Menge beachten

Vor der Verordnung sollten Ärzte zudem einen Blick ins aktuelle Hilfsmittelverzeichnis werfen. Dort wird nicht nur der jeweilige Indikationsrahmen für die Hilfsmittel angegeben, es wird ebenso deutlich deren verordnungsfähige Menge genannt.

Das Verzeichnis wird vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen erstellt und in regelmäßigen abständen überarbeitet.

Das Verzeichnis stellt allerdings keine abschließende Auflistung dar, erklärt die KV Brandenburg auf ihrer Website. Ärzte können also durchaus Hilfsmittel verordnen, die noch nicht in das Verzeichnis aufgenommen wurden. Sie müssen die Verordnung dann allerdings ausreichend begründen, heißt es in der Hilfsmittel-Richtlinie.

Prinzipiell möglich ist nach der GBA-Richtlinie zudem die Mehrfachausstattung. Dies muss allerdings aus "medizinischen, hygienischen oder sicherheitstechnischen Gründen notwendig" sein oder durch die besondere Beanspruchung durch den Versicherten "zweckmäßig und wirtschaftlich" sein.

Auf die Verordnung, die über Muster 16 und damit das normale Kassenrezept erfolgt, gehört neben der Diagnose für Einmalartikel zusätzlich der Tages- oder Monatsbedarf oder der Versorgungszeitraum.

Für Maßanfertigungen ist besonders wichtig, dass die Abmessungen, Zweckbestimmung, Art der Herstellung und ähnliches angegeben werden - sonst sind Rückfragen der Hilfsmittelerbringer programmiert.

Direktverträge im Auge behalten

Es gibt aber noch eine Baustelle, die die Praxisteams nicht unterschätzen sollen: "Die Krankenkassen schließen Direktverträge mit Hilfsmittelerbringern ab", sagt Medizinjuristin Beate Bahner.

Die Patienten werden also vielfach direkt von den Vertragspartnern der Kassen beliefert und haben nicht immer eine freie Wahlmöglichkeit. Das sollten die Praxen den Patienten zuvor mitteilen.

Sie sollten ihnen außerdem mitteilen, dass GKV-Versicherte die Mehrkosten selbst tragen müssen, wenn sie Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen haben wollen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen.

Außerdem gilt in der Hilfsmittelversorgung eine Zuzahlungspflicht von 10 Prozent des Abgabepreises, mindestens jedoch von fünf und höchstens von zehn Euro. Wobei die Zuzahlung nicht mehr als die Kosten des Hilfsmittels betragen darf.

Ärzte sollten aber auch vor der Verordnung die Zuständigkeit der Kasse prüfen. Werden Hilfsmittel etwa infolge eines Berufsunfalls verordnet, müssen nämlich die Unfallversicherer einspringen.

Hilfe im Web: Das aktuelle GKV-Hilfsmittelverzeichnis finden Ärzte unter www.gkv-spitzenverband.de

Einen sehr guten Fragen- und Antwortkatalog zur Verordnung bietet die KV Nordrhein: www.kvno.de

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