Gegengift?
Immer mehr Menschen suchen Rat bei Göttinger Giftexperten
Rekord beim Giftinformationszentrum Nord in Göttingen: 2022 gab es über 50.000 Anfragen zu Vergiftungen durch Medikamente, Chemikalien, Pilze, Drogen und Gifttiere
Veröffentlicht:Göttingen. Immer mehr Menschen suchen Rat bei den Experten des Giftinformationszentrums Nord (GIZ-Nord) in Göttingen. Das geht aus dem Jahresbericht 2022 hervor, den die zentrale Beratungsstelle für die Bundesländer Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen jetzt vorgelegt hat.
Insgesamt beantworteten die ärztlichen Beraterinnen und Berater 50.796 Anfragen zu Vergiftungen, rund 800 mehr als Vorjahr. Mit dieser Rekordzahl hat die länderübergreifende Einrichtung erstmals die 50.000-er Marke „geknackt“. Dass das Spezialwissen der Göttinger Experten immer stärker nachgefragt wird, zeigt auch der Zehn-Jahres-Vergleich: 2012 hatte es erst rund 36.000 Anrufe gegeben, seitdem hat sich die Anzahl um fast 40 Prozent erhöht. „Dieser kontinuierliche Anstieg zeigt, wie groß der Bedarf an qualifizierter Beratung beim Vergiftungsnotfall ist,“, sagte Professor Andreas Schaper, der die Einrichtung gemeinsam mit Dr. Martin Ebbecke leitet.
Hochkonjunktur während der Pilzsaison
Die meisten Anfragen gab es in den Sommer- und Herbstmonaten. Der Höchststand (4846 Anfragen) wurde im Oktober verzeichnet. Dies war auch in den Vorjahren schon so und hängt insbesondere damit zusammen, dass im Oktober „Pilzsaison“ ist. Dementsprechend sind in der Zeit besonders häufig Informationen zu Pilzvergiftungen gefragt. Insgesamt kam es im Vorjahr zu 24 schweren, 75 mittelschweren und 266 leichten Pilzvergiftungen.
Hauptaufgabe des Giftinformationszentrums ist die Beratung im akuten Vergiftungsfall. Auch viele Mediziner suchen in solchen Fällen Rat bei den Göttinger Giftexperten, knapp 16.000 Anfragen kamen von Ärztinnen und Ärzten. Insgesamt registrierte das GIZ-Nord im vergangenen Jahr knapp 46.500 Vergiftungsfälle, darunter 29 Todesfälle. Mehr als 1.170 Menschen erlitten eine schwere Vergiftung. In knapp 4.900 Fällen wurde eine stationäre Überwachung empfohlen.
Der Jahresbericht zeigt, dass vor allem Kinder besonders gefährdet sind. Knapp 21.000 Verdachtsfälle betrafen Kinder bis vier Jahren. Die mit Abstand größten Gefahrenquellen stellten Medikamente und chemische Produkte dar. In mehr als 6.700 Fällen hatten Babies und Kleinkinder Reinigungsmittel und andere Chemikalien verschluckt. Bei Erwachsenen überwogen Vergiftungen mit Arzneimitteln. Die meisten Vergiftungen (42.426) ereigneten sich im Haushalt.
Sogar Anfragen aus dem Ausland
918 Vergiftungsfälle waren auf Drogen zurückzuführen, darunter auch zwei Todesfälle. In einem Fall war jemand nach dem Konsum von Kokain, in einem anderen Fall nach dem Konsum von Liquid Ecstasy gestorben. Hinzu kamen zahlreiche Alkoholvergiftungen, hier wurden acht schwere und 25 mittelschwere Fälle verzeichnet.
Auch zahlreiche Tierbesitzer konsultierten die Göttinger Giftexperten, mehr als 1.200 Beratungsfälle betrafen Tiervergiftungen. Daneben bekamen die Giftexperten aber auch zahlreiche Anfragen zu Vergiftungen, die durch Gifttiere ausgelöst wurden, unter anderem durch Drachenfische, Süßwasserstechrochen sowie Ottern und Schlangen. Insgesamt waren zwei schwere und 46 mittelschwere Vergiftungen durch Gifttiere zu verzeichnen.
Die meisten Anfragen kamen aus Niedersachsen (39,4 Prozent), gefolgt von Schleswig-Holstein und Hamburg. Aber auch aus allen anderen Bundesländern wandten sich Ratsuchende an die Göttinger Giftexperten, allein aus NRW gab es mehr als 4000 Anfragen. 1500 Anfragen kamen aus dem Ausland.
Das Giftinformationszentrum-Nord in Göttingen ist rund um die Uhr unter der Notrufnummer 0551-19240 erreichbar. Weitere Informationen sowie verschiedene Warnmeldungen über aktuelle Vergiftungsgefahren sind abrufbar unter www.giz-nord.de. (pid)