Kommentar zur MedTech-Branche
Innovationsrausch – auch ohne Corona
Corona hat die Akzeptanz digitaler Technologien gefördert, aber nicht den MedTech-Innovationsmotor gestartet. Der lief schon lange.
Veröffentlicht:Die Medizintechnikbranche hat sich im vergangenen Jahr die Pole-Position bei der Zahl der Patentanmeldungen in Europa wieder zurückgeholt. Das geht aus dem am Dienstag in München vorgestellten „Patent Index 2020“ des Europäischen Patentamtes (EPA) hervor. Nur 2019 war MedTech einmal nach mehr als einem Jahrzehnt entthront worden – von der Branche der Digitalen Technologien. Innerhalb der Branche verteidigten die deutschen Unternehmen ihren zweiten Platz zwischen den US-amerikanischen auf der Spitzenposition und den japanischen auf dem dritten Rang – auch diese Konstellation ist fast schon in Stein gemeißelt.
Nun liegt ein Trugschluss nahe, wenn man meint, Corona sei der alleinige Innovationstreiber in puncto Digitalisierung. Zwar hat die Pandemie die Nachfrage nach digitalen Versorgungslösungen wie Videosprechstunden auch in Deutschland wesentlich beflügelt – die Technik ist aber keineswegs neu. Innovation ist – und das gilt in Europa gerade für die deutschen Branchenvertreter – das MedTech-Herzblut. Die Medizintechnikbranche ist ein hochinnovativer und wachstumsstarker Industriezweig in der deutschen Gesundheitswirtschaft. Jährlich verbuchen die Unternehmen etwa 30 Milliarden Euro Umsatz. Davon investieren sie neun Prozent in die Forschung und Entwicklung neuer Medizintechniklösungen und -produkte. Rund ein Drittel des Umsatzes erzielt die Branche mit Produkten, die jünger als drei Jahre sind.
Deshalb hat auch EPA-Präsident António Campinos zur Vorsicht bei der branchenübergreifenden Interpretation der Zahlen zu den Patentanmeldungen bei seiner Behörde im ersten Corona-Jahr gewarnt.
Ein Trend lässt sich unter Umständen ablesen, der augenscheinlich mit vom Kampf gegen die Pandemie bestärkt wurde. Vor allem der neben der Medizintechnik auch Pharma und Biotechnologie umfassende Life-Science-Bereich legte im Vergleich zu anderen Branchen bei der Zahl der Patentanmeldungen in Europa gegenüber dem Vorjahr deutlich überdurchschnittlich zu – Pharma um stolze 10,2 Prozent.
Die Weichen sind gestellt. Wie es aussieht, finden zum Beispiel die innovativen MedTech-Unternehmen in den für ihre Anliegen wichtigen Bundesministerien auch zunehmend Gehör, wenn es um erleichterte Rahmenbedingungen für innovative Produktlösungen geht, wenn sie ab 26. Mai dieses Jahres den wesentlich verschärften regulatorischen Anforderungen der novellierten EU-Medizinprodukteverordnung genügen müssen. Es würde stark wundern, befände sich MedTech bei der EPA-Statistik nicht auch 2021 wieder in der Pole-Position.
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