Direkter Draht zum Patienten
Jetzt berät der Apotheker übers Internet
Telepharmazie ist bislang nur ein Randaspekt der Telemedizin. Geht es nach der Telekom und DocMorris, soll sich das bald ändern. Gemeinsam bringen sie nun den Apotheker zum Patienten - via Internet.
Veröffentlicht:HANNOVER. Was für Ärzte höchstens im Rahmen telemedizinischer Projekte und auch dort - wegen des geltenden Fernbehandlungsverbots - nur begrenzt möglich ist, setzt eine Versandapotheke nun um: die Beratung via Web.
Dass es sich dabei um die niederländische Versandapotheke DocMorris handelt, den Branchenprimus innerhalb Europas, verwundert nicht.
Spannend ist vor allem die Technik hinter dem neuen Online-Berater. Und die Tatsache, dass die Grundidee eigentlich von dem technischen Partner, der Deutschen Telekom, stammt. Wie genau der "LiveBerater" funktioniert, zeigten die beiden Unternehmen in einer Live-Demo am Dienstag auf der Computermesse CeBIT.
Keine zusätzliche Technik nötig
"Wir wollen den Apotheker nach Hause holen", so Dirk Backofen, Leiter Marketing Geschäftskunden Telekom Deutschland GmbH. Dabei ist der "LiveBerater" ein Teilbereich der neuen Cloud-basierten Lösungen, die die Telekom präsentierte.
Und auch nur ein Teilbereich im Segment Healthcare, in dem sich das Unternehmen schon länger bewegt - unter anderem mit Lösungen fürs Telemonitoring von Diabetes-Patienten oder auch als Klinik-IT-Anbieter. Für den Apothekenkunden beziehungsweise Patienten erfordert der neue Service keine Investitionen in die Technik. Der LiveBerater basiere auf einer Videotechnik.
"Wir nutzen dazu Standardprodukte", berichtete Backofen. "Man braucht als Endkunde einen ganz normalen Tablet und einen Webbrowser." Kommt ein Notebook zum Einsatz, sollte dieses allerdings zusätzlich über ein Mikrofon verfügen.
Denn der Apothekenkunde macht nichts anderes, als dass er sich zunächst auf die Website der Versandapotheke einloggt. Dort findet er dann einen Button mit der Benamung "Ich möchte eine LiveBeratung", falls er sich bei einer Arznei oder Symptomen unsicher ist.
"Uns war auch wichtig, dass wir die Privatsphäre des Kunden wahren", so Backofen weiter. "Daher sieht der Kunde zunächst den Berater, aber eben nicht andersherum."
Per Klick zur Videokonferenzschaltung
Über den Button wird dann direkt eine Videokonferenzschaltung zu einem verfügbaren Apothekenberater aufgebaut. Hier kann der Kunde nun seine ganz individuellen Fragen stellen.
Ähnlich wie man es aus dem Fernsehen kennt, sitzt der Berater vor einem sogenannten Bluescreen - nur dass er im Falle von DocMorris in der Unternehmensfarbe grün gehalten ist. Dieser ermöglicht es, dass der Berater für den Kunden auch Informationen, Schaubilder und sogar 3-D-Grafiken einblendet.
Dabei arbeitet der Berater selbst nur mit einem Tablet-PC, auf dem er die Daten aufruft und gewisse Bereiche markieren kann - etwa um dem Kunden zu erklären, wie sich eine Pollenallergie auf den Körper auswirkt.
Er kann auch in gewohnter Tablet-Manier verkleinern und vergrößern. Alle Rechnerprozesse, wie das Einspielen der Grafik für den Kunden, laufen über die Cloud der Telekom.
Vorrangig geht es den beiden Unternehmen zwar um einen Zusatznutzen für mehr Kundenbindung. Beide wollen aber auch mehr Aufmerksamkeit für die Telepharmazie schaffen und deren Vorteile auch fürs Gesundheitswesen mehr in die öffentliche Diskussion einbringen.
"Wir reden viel über Telemedizin, aber das Wort Telepharmazie findet in der öffentlichen Diskussion gar nicht statt", sagte Max Müller, Chief Strategy Officer bei DocMorris. Der LiveBerater bringe die Apotheke hin zum Patienten - und biete damit eine Rund-um-dieUhr-Beratung auch in abgelegenen Regionen.
Kontraindikationen aufspüren
Der Berater kann während des Gesprächs über sein Tablet direkt auf die Kundendaten zugreifen und so etwa Kontraindikationen oder Mehrfachverordnungen aufspüren.
Schließlich machten einen Großteil der insgesamt 2,5 Millionen DocMorris-Kunden Chroniker aus, die regelmäßig ihre Arzneien bei der Versandapotheke beziehen.
Ob DocMorris künftig allerdings auch ein Medikamentenmanagement anbieten will, ließ Müller offen. Auch inwieweit der LiveBerater kostenpflichtig sein könnte.
Bisher verzeichnet die Versandapotheke ca. 25.000 Calls pro Monat, wie Müller berichtete - diese kommen per Mail, Internet oder Telefon.
Der Dienst wird im zweiten Halbjahr in einer Pilotphase zunächst mit OTC-Use-Cases starten. Aber auch den Rx-Bereich, also die Beratung zu verschreibungspflichtigen Arzneien, wird die Versandapotheke in ihr Live-Beratungsangebot aufnehmen.
Der Ausbau des LiveBeraters soll dann nach Indikationen geschehen, da die zugehörige Wissensdatenbank mit den entsprechenden Infomaterialien für die Gespräche gefüllt werden muss.
Beratungstool auch in anderen Branchen geplant
Müller rechnet damit, dass die Pilotphase in sechs bis neun Monaten abgeschlossen sein wird. Die Telekom will das Beratungstool in jedem Fall auch anderen Branchen zur Verfügung stellen.
Vorstellen kann sich Backofen etwa, dass die Touristikbranche, Finanzdienstleister oder Autobauer zukünftig ebenfalls mit dem LiveBerater arbeiten.
Die Daten werden laut Backofen über eine gesicherte Verbindung und verschlüsselt übertragen. Und auch die Datenübertragungsrate soll in ländlichen Regionen - in denen noch nicht überall schnelles Internet zur Verfügung steht - nicht zum Problem werden, für das Beratungstool seien nur wenige 100 kbit/s (kilobit) notwendig.