Vergewaltigung
Klinikum bietet Opfern sexueller Gewalt vertrauliche Spurensicherung an
Noch ist die Finanzierung nicht geklärt. Warten will man am Nürnberger Klinikum aber nicht mit dem Angebot an Opfer sexualisierter Gewalt, vertraulich Spuren zu sichern. Das verschafft diesen Zeit.
Veröffentlicht:
Gegenwehr nützt Opfern häuslicher Gewalt oft nichts. (Symbolbild mit Fotomodel)
© Arman Zhenikeyev/Westend61/picture alliance
Nürnberg. Im Klinikum Nürnberg haben Opfer einer sexuellen Gewalttat ab sofort die Möglichkeit, Spuren eines Übergriffs vertraulich sichern zu lassen. Diese werden im Klinikum Nürnberg aufbewahrt, sodass auch zu einem späteren Termin noch Anzeige erstattet werden kann. Das Klinikum Nürnberg geht damit nach eigener Aussage in Vorleistung, denn die Finanzierung sei noch nicht klar geregelt.
Gewaltopfer stünden erst einmal unter Schock. Der Gang zur Polizei unmittelbar nach einem sexuellen Übergriff falle vielen nicht leicht; vor allem dann nicht, wenn der Täter aus dem eigenen Umfeld stammt. Dabei wäre es wichtig, Verletzungen so schnell wie möglich zu dokumentieren und Spuren unmittelbar nach der Tat zu sichern. Jede dritte Frau in Deutschland sei mindestens einmal in ihrem Leben von physischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen. Etwa jede vierte Frau wird laut Bundesfrauenministerium mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt durch ihren aktuellen oder früheren Partner. Auch die angezeigten Fälle von Kindesmissbrauch und Misshandlung Schutzbefohlener nähmen deutlich zu. Männer erlitten ebenso sexualisierte Gewalt.
Recht auf vertrauliche Spurensicherung
Die vertrauliche Spurensicherung ermöglicht es Betroffenen, in Ruhe zu überlegen, ob und wann sie zur Polizei gehen wollen. Die Basis dafür ist eine bundesweit geltende gesetzliche Regelung, wonach Opfer einer sexuellen Gewalttat oder einer Misshandlung – gleich welchen Alters oder Geschlechts – das Recht auf eine vertrauliche Spurensicherung haben.
„Ich bin froh, dass wir jetzt damit beginnen“, sagt Roswitha Weidenhammer, die Gleichstellungsbeauftragte des Klinikums Nürnberg. Sie hat sich früh für die vertrauliche Spurensicherung stark gemacht und vertritt das Klinikum Nürnberg in einem entsprechenden Arbeitskreis der Stadt. Ähnlich äußert sich auch Gabriele Penzkofer-Röhrl, Mitglied des Verwaltungsrats des Klinikums Nürnberg und ehemalige Geschäftsführerin des Nürnberger Frauenhauses. Sie hat sich ebenfalls für die vertrauliche Spurensicherung eingesetzt: „Dieses Angebot ist wichtig. Denn manche Frauen schrecken davor zurück, sofort zur Polizei zu gehen, weil der Täter aus dem direkten Umfeld stammt oder weil sie Angst haben, dass ihnen nicht geglaubt wird.“
Mit der Sicherung von Spuren sei das Klinikum Nürnberg prinzipiell vertraut, auch bislang seien schon Spuren gesichert worden – doch nur dann, wenn Gewaltopfer in Begleitung der Polizei gekommen seien. Wer einem sexuellen Übergriff zum Opfer gefallen sei, könne alleine oder mit einer Begleitperson direkt in die Notaufnahmen an den Standorten Nord und Süd des Klinikums oder in die gynäkologische oder urologische Ambulanz am Klinikum Nürnberg Nord kommen. Für Kinder und Jugendliche und deren Eltern beziehungsweise Vertreter sei die Kinderklinik am Klinikum Nürnberg Süd die richtige Anlaufstelle. Auf Wunsch des Opfers könne auch der psychosoziale Kriseninterventionsdienst hinzugezogen werden – bei Bedarf auch Dolmetscher.
Beweisstücke werden nach Fristablauf vernichtet
Sichergestellte Spuren wie Hautpartikel, Haare oder Sperma werden laut Klinikum fachgerecht asserviert. Fotos von Verletzungen – diese würden nur mit Einverständnis angefertigt – würden ebenfalls an einem sicheren Ort aufbewahrt. Alle Beweisstücke würden nur nach dem Eingang einer richterlichen Anordnung über die Beschlagnahme der Untersuchungsproben direkt an die Ermittlungsbehörden übergeben.
Die Spuren würden bei Erwachsenen maximal zwei Jahre lang verwahrt, bei Kindern und Jugendlichen unter 18 maximal fünf Jahre. Innerhalb dieses Zeitraums könnten sich Opfer überlegen, ob sie bei der Polizei doch noch Anzeige erstatten wollen. Nach Ablauf der Frist werden die Beweisstücke automatisch ordnungsgemäß vernichtet, so das Klinikum.
Anonyme Abrechnung
Die Krankenkassen tragen die Kosten für die vertrauliche Spurensicherung, so will es der Gesetzgeber. Die Abrechnung erfolgt anonym, die Identität des Opfers wird gegenüber den Krankenkassen nicht preisgegeben. Der genaue Abrechnungsmodus stehe für GKV wie auch PKV aber noch nicht fest. „Doch das Klinikum Nürnberg fühlt sich den Opfern von sexueller Gewalt verpflichtet und wird unabhängig davon die vertrauliche Spurensicherung gewährleisten“, verdeutlicht Professor Achim Jockwig, Vorstandsvorsitzender des Klinikums Nürnberg. Für die Opfer sei die vertrauliche Spurensicherung in jedem Fall kostenfrei – unabhängig von ihrem Versicherungsstatus.