Vergiftete Praxisstimmung
Mit Ich-Botschaften Konflikte schlichten
Knirscht es im Arbeitsalltag zwischen MFA und Ärzten regelmäßig, kann das die Praxisatmosphäre vergiften. Hier hilft eine klare Kommunikation der eigenen Wünsche und Anordnungen.
Veröffentlicht:HEIDELBERG. Was ist zu tun, wenn eine Medizinische Fachangestellte (MFA) sich als Vorzimmerdrachen aufführt oder sogar jede Entscheidung des Chefs torpediert?
"Ich habe eine erste Kraft, die grundsätzlich - egal, was ich anordne - erst einmal dagegen ist", berichtete eine Allgemeinärztin sichtbar genervt.
Konflikte in der Arztpraxis standen in Heidelberg zur Diskussion: "Sinnvoll kommunizieren trotz Stress" lautete das Thema des Workshops beim 21. Heidelberger Tag der Allgemeinmedizin. Eingeladen hatte die Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung des Uniklinikums Heidelberg.
"Ich kann nicht verstehen, warum meine Anordnungen von den Mitarbeiterinnen einfach nicht dauerhaft umgesetzt werden. Wir sprechen in Teamsitzungen darüber, erstellen Checklisten und dokumentieren haarklein. Und dennoch: es klappt nicht", schimpfte eine andere Hausärztin. Einzelfälle?
Wahrscheinlich. Das ist auch den Workshopteilnehmern bewusst. Doch selbst ruhig zu bleiben und angemessen zu reagieren, fällt nicht immer leicht, erzählen sie. Die alltäglichen Belastungen im Praxisbetrieb fordern bereits viel Kraft.
Wenn die Kritikfähigkeit fehlt
Ein anderer Allgemeinarzt erzählte: In seiner Gemeinschaftspraxis macht eine alteingesessene und sehr dominante MFA dem gesamten Team das Leben schwer. Die schwierige Mitarbeiterin vergifte die Atmosphäre im Team.
"Grundsätzlich gilt bei ihr: Fehler machen nur die anderen", so der Praxischef. Das mache sie leider resistent für Selbstkritik und Veränderungen. Am liebsten wolle er sie entlassen, gibt er bei den Gruppengesprächen zu.
Anna Matzenauer kennt einige solcher Fälle. Ihre Erfahrung. "Manchmal heißt es auch: "love it, change it or leave it", bestätigt sie. Wenn es gar nicht mehr klappe, müsse man sich trennen.
Die Heidelberger Supervisorin leitete gemeinsam mit Stefan Nöst von der Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung den Workshop. Grundsätzlich rät sie, das gemeinsame Gespräch zu suchen, Mitarbeitern zuzuhören, aber auch klar die eigenen Wünsche und Anordnungen zu äußern.
Konflikte sind nach Matzenauers Meinung grundsätzlich gut mit einem Eisberg zu vergleichen. Über der Wasseroberfläche sehe man nur den kleinen Teil des Ganzen.
"In einem Gespräch geht es zu 20 Prozent um das tatsächliche Problem, die Sachebene, aber zu 80 Prozent um Emotionen, also die Beziehungsebene", informierte sie.
Die Beziehungsebene könne viel beinhalten: persönliche Animositäten gehörten genauso dazu wie Machtspielchen zwischen Mitarbeitern oder das Kräftemessen zwischen erfahrenen MFA und neuen Weiterbildungsassistenten.
So richtig beruhigen will diese Aussage keinen im Raum. Ein älterer Hausarzt reagierte prompt: "Das macht mir nun richtig Angst." Das zeige doch, wie schwierig die meisten Konflikte aus der Welt zu schaffen seien.
Manchmal braucht es auch Lob
Coach Matzenauer rät dennoch zum gemeinsamen Gespräch. Praxischefs sollten sich dabei nicht scheuen, klare "Ich-Botschaften" zu formulieren. Ein eigenes Patentrezept hatte eine Kursteilnehmerin für ihre Kollegen dazu parat: "Ich lobe gnadenlos", verrät die Medizinerin pragmatisch.
Sieben Jahre lang habe sie bei der Behandlungsliege die Papierauflage bei jedem neuen Patienten immer von der Hälfte der Liege bis ans Fußende weitergezogen, bevor sie mit der Untersuchung hätte beginnen können.
"Ich Blödmann habe mich dabei geärgert und mich gefragt, warum meine Damen die Auflage nicht gleich über die gesamte Liege ziehen können", lacht sie im Nachhinein.
Sie habe im Gesamtteam darüber gesprochen, eine klare Anweisung erteilt und in den folgenden Sitzungen lautstark gelobt: "Das ist ja super! Überall klappt es nun bestens außer im EKG-Raum - aber da wird es wohl auch noch bestens ..."
Ihre Bilanz: "Das hat funktioniert. Allein auf der Sachebene passiert sonst nix." (mm)