Hintergrund
Patienten-Rechtsschutz ärgert Ärzte
Die DAK bietet ihren Mitgliedern eine Zusatzversicherung an, mit der sie sich gegen die Kosten juristischer Auseinandersetzungen um Behandlungsfehler absichern können. Das stößt Ärzten sauer auf.
Veröffentlicht:Krankenkassen lassen sich immer neue Dinge einfallen, um das Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten zu stören, ärgert sich Johannes Dietmar Glaser, Allgemeinmediziner aus dem baden-württembergischen Leimen.
Mit dem Angebot einer Patienten-Rechtsschutz-Zusatzversicherung für ihre Versicherten schießt die DAK aber übers Ziel hinaus, glaubt er.
DAK-Patienten-Rechtsschutz für 3,50 Euro im Monat
Als Teil der Kooperation mit der privaten Hanse Merkur Versicherungsgruppe hat die DAK seit Mitte 2010 eine Patienten-Rechtsschutz-Police im Programm. Die Zusatzversicherung kostet 3,50 Euro im Monat.
Sie bietet den DAK-Versicherten bis zu einer Höhe von 300.000 Euro Schutz vor den finanziellen Folgen eines Rechtsstreits, wenn sie wegen eines vermuteten Aufklärungs- oder Behandlungsfehlers gegen einen Arzt oder einen anderen Therapeuten vorgehen wollen.
Sät Misstrauen gegen behandelnden Arzt, so der Allgemeinmediziner
Nach Einschätzung von Glaser sät die DAK mit einem solchen Angebot bei ihren Versicherten gezielt Misstrauen gegen die behandelnden Ärzte. Dass die Kasse explizit auch Aufklärungsfehler einbezieht, macht ihm besonders Sorgen.
"Wenn es etwa um die umfassende Erklärung der Beipackzettel bei Arzneimitteln geht, stehen wir als Ärzte auf verlorenem Posten", sagt er der "Ärzte Zeitung".
Eine solche Versicherung wird Patienten motivieren, im Zweifelsfall gegen den Arzt vorzugehen und ihn mit dem Vorwurf der nicht vollumfänglichen oder nicht ausreichenden Aufklärung beziehungsweise Beratung konfrontieren, fürchtet Glaser. "Dabei ist überhaupt nicht definiert, was eine ausreichende umfassende Aufklärung ist."
"Gemeinsame Position finden, sonst amerikanische Verhältnisse"
Er hält eine Debatte für dringend notwendig, wie die Ärzteschaft mit dem Vorstoß umgeht. "Wir müssen eine gemeinsame Position finden, sonst bekommen wir hier amerikanische Verhältnisse", warnt Glaser. Es dürfe nicht so weit kommen, dass Ärzte aus Angst vor Haftungsrisiken zunehmend vor Therapien zurückschrecken.
In einem Meinungsbeitrag für das "Ärzteblatt Baden-Württemberg" hat Glaser eine mögliche Reaktion skizziert: Er überlege, sich künftig von Patienten vor der Behandlung schriftlich versichern zu lassen, dass sie keine ärztefeindliche Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben. Bislang hat Glaser die Idee noch nicht umgesetzt. "Ich bin nach wie vor in der Nachdenkphase."
Vertragsärzte haben das Recht, die Behandlung eines Patienten abzulehnen, wenn das Vertrauensverhältnis gestört ist, sagt der Präsident der Ärztekammer Baden-Württemberg Dr. Ulrich Clever. "Ob eine solche Störung bereits durch den Abschluss einer Patienten-Rechtsschutzversicherung vorliegt, müsste allerdings geklärt werden."
Negative Konsequenzen für das Verhältnis von Arzt-Patient
Clever versteht den Ärger Glasers. "Eine solche Police ist ein weiterer Schritt in der Verrechtlichung des Arztberufs", sagt er. Die Entwicklung habe negative Konsequenzen für das Verhältnis von Ärzten und Patienten.
Die Ärzte sähen sich immer höheren Anforderungen an ihre Leistungen gegenüber. "Gleichzeitig schlägt in der Grundhaltung der Gesellschaft und gerade der Kostenträger immer häufiger ein Tonfall durch, der als anti-ärztlich interpretierbar ist", sagt Clever.
Vorwurf der Hetze gegen Ärzte "absurd"
Hanse Merkur-Sprecher Heinz-Gerhard Wilkens weist den Vorwurf als "absurd" zurück, mit der Police sollten Patienten gegen Ärzte aufgehetzt werden. "Zum einen ist der Patientenrechtsschutz eine Ausschnittsdeckung, die in der Regel in jedem guten Familienrechtsschutz beinhaltet ist", sagt er.
Zum anderen gebe der Gesetzgeber den Kassen gar nicht die Möglichkeit, bei Behandlungsfehlern für ihre Versicherten die Kosten für Rechtsanwälte und Sachverständige oder die Gerichtsgebühren zu übernehmen.
"Wir schließen also in unserem Ergänzungsschutz-Angebot für DAK-Versicherte eine Deckungslücke und bringen sie auf Augenhöhe mit den Ärzten", sagt Wilkens. Der Patienten-Rechtsschutz führe nicht zu einer Prozesslawine gegen Ärzte, betont er. Schließlich müsse zunächst ein medizinischer Gutachter eingeschaltet werden.
Entwicklung hin zu größerer Qualitätstransparenz
Die DAK sieht das Angebot als Teil der Entwicklung hin zu einer größeren Qualitätstransparenz. Mängel in der Qualität und mögliche Behandlungsfehler würden häufiger als früher thematisiert, sagt Sprecher Frank Meiners.
"Unser Angebot richtet sich an diese Kunden, die sonst auf sich gestellt wären." Die Patienten-Rechtsschutzversicherung stoße auf ein reges Informations-Interesse der Kunden, sagt er. Die DAK gibt aber keine Auskunft darüber, wie viele Versicherte tatsächlich eine Police abgeschlossen haben.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Keine Angst vor Rechtsschutzpolice!