Patienten brauchen viel Aufmerksamkeit
Mehr Zeit, mehr Einfühlungsvermögen, mehr Verständnis - das ist es, was Patienten für eine gute Arzt-Patienten-Beziehung brauchen. Dabei zeigt eine Studie: Das Gespräch sollte wenigstens sechs Minuten dauern.
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Ärzte müssen nicht eine lange Liste von Wünschen erfüllen, sie müssen vor allem zuhören.
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Patienten haben viel Verständnis für ihre Ärzte und deren Zeit-, Budget- und Bürokratieprobleme. "Was die alles leisten müssen! Sie können gar nicht mehr tun", sagt Brigitta Gibson aus Dietzenbach, Gründungsmitglied der Deutschen Schmerzliga. Sogar Lob gibt es, etwa von Irene Menzel vom Vorstand des Brustkrebs-Selbsthilfevereins Susan G. Komen: "Mediziner gehen heute anders mit ihren Patientinnen um, sie hören zu und nehmen sie wahr." Eine gute Basis also für das Arzt-Patienten-Gespräch.
Und doch bleibt einiges zu wünschen übrig. Es gibt weiterhin Defizite in der Kommunikation. Was Patienten sich wünschen, ist vor allem, dass ihr Arzt ihnen mehr zuhört und ihnen alles verständlich erklärt.
"Entscheidend ist, dass Ärzte die Patienten ernst nehmen. Das heißt, sie müssen ihnen zuhören", sagt Brigitta Gibson, die seit Jahren selbst unter chronischen Schmerzen leidet und die Ärzte-Odyssee vieler Schmerzpatienten kennt.
Ähnlich äußert sich Gabriele Gründl aus Schnaitsee, die Bundesvorsitzende der Deutschen Selbsthilfe Angeborene Immundefekte: "Ich wünsche mir von den Ärzten mehr Verständnis und mehr Zeit, sich mit den Patienten zu unterhalten. Denn die Patienten stecken voller Probleme. Und oft ist es aus Zeitgründen nicht möglich, sie anzusprechen."
Ein weiterer Wunsch ist der nach mehr Erklärungen und Information. Diagnose, verschriebene Medikamente, Rabattverträge, Generika, das alles müssten Ärzte erklären, so Gibson. Auch Brustkrebs-Patientinnen wünschten sich mehr Aufklärung von ihren Ärzten, etwa über alternative Op-Methoden, erläutert Menzel, selbst ehemalige Patientin.
Manchmal müssen Patienten erst zum Sprechen motiviert werden.
Zuhören, Verständnis, Erklärungen sind also die Wünsche der Patienten an ihre Ärzte. Ähnliches ist auch bei verschiedenen Umfragen herausgekommen. Immer wieder wird vor allem der Zeitmangel beklagt - übrigens nicht nur von den Patienten, auch von den Ärzten selbst, wie eine Pilotstudie der MMW und der Stiftung Zuhören in deutschen Arztpraxen im Jahr 2005 gezeigt hat.
Die durchschnittliche Konsultationsdauer in deutschen Allgemeinarzt-Praxen beträgt nur 7,6 ± 4,3 Minuten pro Patient, haben Studien ergeben. Davon spricht der Patient 3,1 Minuten. Durchschnittlich werden Patienten nach 103 Sekunden schon von ihrem Arzt unterbrochen. Von einer "Sprechstunde" kann also nicht die Rede sein.
Eine Studie der Universität Düsseldorf hat außerdem gezeigt: Sind Gespräche nach weniger als sechs Minuten zu Ende, ist die Gefahr, dass psychische Störungen nicht erkannt werden, besonders hoch.
Dauert das Gespräch dagegen zehn Minuten oder länger, sprechen fast alle Patienten ein inneres Problem an.
Manche Patienten schieben einen Arztbesuch lange vor sich her, weil sie unbequeme Wahrheiten fürchten oder Angst haben, etwas Peinliches könnte angesprochen werden.
Sie haben sich oft genau überlegt, was sie dem Arzt sagen wollen - und dann bringen sie das nicht raus. Nach zwei Minuten, so die Ergebnisse weiterer Studien, signalisieren Patienten dem Arzt, dass er das Gespräch übernehmen soll. Nun hängt alles von der Gesprächsführung durch den Arzt ab. Das Zeitproblem ist ein Fakt, der nicht wegzudiskutieren ist. Doch auch in kurzer Zeit ist viel zu erreichen. Entscheidend sind aktives Zuhören und eine verständliche Sprache.
Möglich ist natürlich auch, dem Patienten einen neuen Termin für ein längeres Gespräch anzubieten. Dann können sich Arzt und Patient darauf vorbereiten. Eine weitere Option ist, Patienten einen Fragebogen mitzugeben, in dem sie etwa notieren können, was sich bei ihren Beschwerden verändert hat, ob sie wegen neuer Probleme kommen oder was sie besonders beunruhigt.
Erstaunlich ist, dass Patienten immer wieder anmahnen, sie möchten mit ihren Problemen und Nöten von ihren Ärzten ernst genommen werden. Was eigentlich selbstverständlich sein sollte, scheint doch nicht immer umgesetzt zu werden.
So erzählt Brigitta Gibson von einer Patientin, deren Arzt beim Anblick der Röntgen-Aufnahmen zu ihr gesagt habe: "Mein Gott, wie sieht Ihre Wirbelsäule denn aus! Das ist ja alles Schrott!" So etwas müsse nicht sein, fügt sie hinzu. Aber sie sagt: So ein Verhalten sei eine echte Ausnahme.