Pflegezeit: Das kommt auf Praxischefs zu
Das neue Gesetz zur Familienpflegezeit tritt 2012 in Kraft. Wenn Praxismitarbeiter einen nahen Angehörigen pflegen wollen, geht das für sie jetzt leichter. Der Chef muss für die Pflegezeit auf einige Besonderheiten achten.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Ab Januar 2012 wird es leichter, einen nahen Angehörigen zu pflegen. Dann wird das "Gesetz zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf" (kurz: das Familienpflegezeitgesetz) in Kraft treten. Das hat der Bundestag beschlossen. Die Zustimmung des Bundesrates gilt als sicher.
Auf was müssen Praxischef achten, wenn Mitarbeiterinnen das neue Gesetz in Anspruch nehmen wollen? Und was wird sich dadurch für Arbeitnehmer verbessern?
Die Entscheidung, Angehörige zu pflegen, soll Arbeitnehmern erleichtert werden
Das neue Familienpflegezeitgesetz soll es Arbeitnehmern, die einem pflegebedürftigen nahen Angehörigen beistehen wollen, leichter als bisher machen, diese Entscheidung zu treffen.
Dies vor allem dann, wenn es für sie nicht möglich ist, dafür bis zu sechs Monate ohne Arbeitsverdienst auskommen zu müssen.
Beruf und familiäre Pflege besser vereinbaren
Das neue Gesetz sieht leichter begehbare Wege vor. Die Möglichkeiten zur Vereinbarung von Beruf und familiärer Pflege werden verbessert.
Dies allerdings - anders als bisher für Beschäftigte in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten - ausschließlich auf freiwilliger Basis. Und das wird so aussehen:
Wochenarbeitszeit kann reduziert werden - Verdienst wird aufgestockt
Arbeitnehmer, die einen pflegebedürftigen Angehörigen "in häuslicher Umgebung" (also nicht unbedingt "zu Hause") pflegen wollen, können ihre wöchentliche Arbeitszeit reduzieren - auf maximal 15 Stunden pro Woche und maximal 24 Monate lang.
Es versteht sich, dass die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen vom Beschäftigten nachgewiesen werden muss. Die Pflegekasse wird dafür die entsprechende Bescheinigung ausstellen.
Der Arbeitgeber stockt den Verdienst auf, so dass der Mitarbeiter 75 Prozent seines bisherigen regelmäßigen Arbeitsverdienstes bekommt.
Er kann dafür ein zinsloses Darlehen von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) erhalten. Allerdings können die Beschäftigten ihre Arbeitsleistung um maximal 50 Prozent reduzieren. Für Mitarbeiter ohne feste Arbeitszeiten wird es Sonderregelungen geben.
Nach Ablauf der vom Arbeitnehmer in Anspruch genommenen Pflegezeit (in der "Nachpflegephase") soll der Aufstockungsbetrag dadurch ausgeglichen werden, dass bei jeder Entgeltabrechnung ein Betrag in der Höhe einbehalten wird, "um den das Arbeitsentgelt in dem entsprechenden Zeitraum während der Familienpflegezeit aufgestockt" worden ist.
Das heißt: Die Arbeitszeit ist dann wieder auf "100 Prozent" angestiegen, Lohn oder Gehalt betragen aber nur 75 Prozent.
Der Beschäftigte hat für den Fall seines Todes oder seiner Berufsunfähigkeit eine "Familienpflegezeitversicherung" abzuschließen.
Dies für den Fall, dass er das in der Phase seiner Pflegetätigkeit erworbene "Wertguthaben" (75 Prozent Arbeitsentgelt bei 50 Prozent Arbeit) nicht mehr ausgleichen kann. Anstelle des Beschäftigten kann auch der Arbeitgeber diese Versicherung eingehen.
Die Prämie dafür ist "unabhängig vom Geschlecht der versicherten Person". Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben wird dafür einen Gruppenvertrag anbieten, dem auch Mitarbeiter kleinerer Firmen, wie Arztpraxen beitreten können.
Kündigungen nur in besonderen Fällen möglich
Der Arbeitgeber hat in dieser Zeit auch einige arbeitsrechtliche Regelungen einzuhalten. So darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis während der Dauer der Familienpflegezeit sowie in der Nachpflegephase grundsätzlich nicht kündigen.
"In besonderen Fällen", so das neue Gesetz, darf er das aber doch, benötigt dafür jedoch die Zustimmung der in den Bundesländern zuständigen Behörde, etwa des Integrationsamtes.
Andererseits hat der Arbeitnehmer das Recht, vorzeitig an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren, wenn der Anlass für die Pflegetätigkeit entfallen ist, etwa wegen eines Heimaufenthaltes der pflegebedürftigen Person oder deren Tod.
Gekürztes Gehalt auch bei verringerter Arbeitszeit
Das Recht des Arbeitgebers, in der Nachpflegephase das Arbeitsentgelt trotz 100-Prozent-Arbeitszeit um 25 Prozent zu kürzen, bleibt auch dann in unveränderter Höhe bestehen, wenn der Beschäftigte die übliche Arbeitszeit verringert.
Im Falle von Kurzarbeit sinkt der Rückzahlungsbetrag in entsprechendem Umfang, was die Nachpflegephase entsprechend verlängert.
Anspruch auf Rückzahlung erlischt, wenn Arbeitgeber das Verhältnis aus betrieblichen Gründen beendet
Wird das Arbeitsverhältnis in der Nachpflegephase gekündigt (also in dem Zeitraum, in dem der Arbeitgeber noch das Recht hat, die Rückzahlung seines Aufstockungsbetrages zu verlangen), so hat der Beschäftigte die Raten dennoch weiterzuzahlen.
Hat der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen beendet, so erlischt sein Anspruch auf Rückzahlung.
Auch "Auszeit" noch möglich
Aber auch das bisheriges Recht gilt weiter: Die "Auszeit" für die Pflege eines nahen Angehörigen nach bisherigem Muster, die 2008 im "Pflegezeitgesetz" eingeführt wurde, kann auch künftig in Anspruch genommen werden.
Für Mitarbeiter von Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten als Rechtsanspruch, für kleinerer Firmen auf freiwilliger Basis.
Und in beiden Fällen kann "kurzfristig" bis zu zehn Arbeitstagen die Arbeit im Betrieb niedergelegt werden oder per "Pflegezeit" bis zu sechs Monate lang bei voller oder teilweiser Freistellung von der Arbeit.
Unbezahlte Freistellung
Das Arbeitsverhältnis bleibt bestehen - allerdings unbezahlt, soweit es die Freistellung betrifft. Das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis bleibt in der Zeit der vollen Freistellung allerdings nicht bestehen.
Wer als Pflegeperson nicht durch den Ehepartner kranken- und pflegeversichert ist, der kann sich freiwillig weiterversichern.