Praxischef muss Überstunden Riegel vorschieben - oder blechen
Scheidet eine Kraft aus der Praxis aus, so muss ihr der Chef Überstunden auszahlen. Jedenfalls dann, wenn er diese stumm geduldet hat und nicht eingeschritten ist.
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Macht ein Mitarbeiter Überstunden und der Chef duldet dies - muss er sie auch auszahlen.
© Oliver Berg / dpa
BERLIN (mwo). Ärzte, die ihren Mitarbeitern beim Überstunden-Machen quasi zuschauen, müssen diese Mehrarbeit dann auch bezahlen. Gleiches gilt in Kliniken, Medizinischen Versorgungszentren oder auch großen Praxen, wenn dort ein Vorgesetzter von Überstunden weiß und sie duldet.
Das geht aus einem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg in Berlin hervor.
Konkret sprach das LAG einer Angestellten einen Gehaltsnachschlag von 4370 Euro für 372 Überstunden zu. Sie war für 15 Monate im Bereich der Wohnungswirtschaft tätig.
Urteil: Chef hat Überstunden geduldet
Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses hatte ihr Vorgesetzter sie angewiesen, Beginn und Ende ihrer täglichen Arbeitszeit sowie Pausen in einer Computerdatei einzutragen. Das tat die Arbeitnehmerin dann auch. Die Firma freilich wollte die so dokumentierten Überstunden nicht bezahlen.
Das muss sie aber, urteilte jetzt das LAG. Denn der Vorgesetzte habe die Überstunden geduldet. Er habe gewusst und hingenommen, dass die Angestellte weit über ihre reguläre Arbeitszeit hinaus im Betrieb war. Dies müsse sich das Unternehmen als Arbeitgeber zurechnen lassen.
Als Konsequenz müsse es die Überstunden auch bezahlen. Die Behauptung des Arbeitgebers, die Frau habe langsam gearbeitet und viel privat telefoniert, tue nachträglich nichts mehr zur Sache.
Laut LAG gilt das Urteil jedenfalls für "schlichte Büroarbeit" und andere normale Tätigkeiten. Eine Ausnahme gelte nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vom 17. August 2011, Az.: 5 AZR 406/10) lediglich für leitende Angestellte und andere "Dienste höherer Art".
Az.: 6 Sa 1941/11