Schmerztherapie hilft Patienten und Kassen
Mindestens jeder fünfte Erwachsene leidet an Schmerzen. Werden sie mit Medikamenten sowie Psycho- und Physiotherapie bekämpft, profitieren davon Patienten - und Kassen. Das geht aus dem Schmerz-Atlas hervor, der sich auf Routinedaten von sieben Millionen Krankenversicherten stützt.
Veröffentlicht:BERLIN. Schmerztherapie, die nicht nur auf Medikamente setzt, spart dem Gesundheitswesen Kosten.
Zu diesem Ergebnis kommt ein Versorgungsforschungsprojekt von Grünenthal, der DAK und der AOK Niedersachsen. Multimodale Schmerztherapien beziehen zusätzlich zur Gabe von Medikamenten auch Psycho- und Physiotherapie ein.
Routinedaten der Kassen über sieben Millionen Versicherte
Ausgewertet haben die beteiligten Forschungsinstitute IGES und das Bremer Zentrum für Sozialpolitik von Professor Gerd Glaeske die Daten von sieben Millionen Versicherten in Deutschland.
So ließen sich Gruppen identifizieren, die ein erhöhtes Risiko aufweisen, zu chronischen Schmerzpatienten zu werden. Wichtig sei es dafür, Betroffene rechtzeitig zu erkennen, kommentierte Niedersachsens AOK-Chef Dr. Jürgen Peters die Untersuchung.
Mehr als fünf Schmerzmittel sowie mehr als 42 Arbeitsunfähigkeitstage
Es habe sich gezeigt, dass Versicherte mit Hinweisen auf eine Schmerzchronifizierung höhere direkte Versorgungskosten aufwiesen, sagte Glaeske bei der Vorstellung des "Versorgungsatlas Schmerz" am Donnerstag in Berlin.
Zu verhindern, dass Schmerzen chronisch werde, sorge bei den Kassen für erhebliche Einsparungen. Chronifizierte Schmerzen bedeuten in der Lesart der Studie die Verordnung von mehr als fünf Schmerzmitteln durch mehrere Ärzte sowie mehr als 42 Arbeitsunfähigkeitstage im Jahr.
Chronisch kranker Bandscheibenpatient kostet 5000 Euro mehr
Die Untersuchung beziffert die gesamten Versorgungskosten für einen nicht chronisch erkrankten Bandscheibenpatienten im Jahr 2006 auf 1.875 Euro, die für einen Patienten mit chronischen Schmerzen in Folge eines Bandscheibenvorfalls auf 6.892 Euro.
Der Einsatz multimodaler Schmerztherapie lasse zwar kurzfristig die stationären Kosten steigen, senke aber die Arzneikosten, berichtete Glaeske. Bislang würden aber erst drei Prozent der Versicherten mit Schmerzen nach diesem therapeutischen Ansatz behandelt.
Ergebnisse als Grundlage für Entwicklung von Versorgungsverträgen
Die Ergebnisse des Projektes bezeichnete Professor Herbert Rebscher, Vorstandsvorsitzender der DAK, als Grundlage für die Entwicklung von Versorgungsverträgen.
Das Ziel seiner Ersatzkasse, sich an Versorgungsforschungsprojekten wie dem von Grünenthal zu beteiligen, sei es, das gewonnene Wissen in Selektivverträgen umzusetzen.
Zusatznutzen, der dann auch zu wirtschaftlichen Erstattungspreisen führe
Eine Win-Win-Situation für Kassen und Hersteller. Denn auch Kai Martens, Geschäftsleiter der Grünenthal GmbH Deutschland, saugt Honig aus der Zusammenerbeit.
"In klinischen Studien kann die Versorgungsrealität nicht abgebildet werden", sagte Martens. Diese Realität zu kennen, sei aber wichtig, um mit der Forschung an den richtigen Stellen anzusetzen.
Nur so lasse sich in der Entwicklung von Schmerzmitteln ein Zusatznutzen finden, der dann auch zu wirtschaftlichen Erstattungspreisen führe, sagte Martens.
Bei Selbstmedikation wird oft übertrieben
Ein Fünftel der Erwachsenen oder mehr leide an akuten oder chronischen Schmerzen. Die Schmerzmitteltherapie in Deutschland sei nach wie vor von Über-, Unter- und Fehlversorgung gleichzeitig gekennzeichnet, sagte Glaeske.
Unterversorgung bei verschreibungspflichtigen Medikamenten führe durch Übertreibungen bei der Selbstmedikation zur Überversorgung mit nicht verschreibungspflichtigen Präparaten.
Schmerz-Atlas soll als Grundlage für Produktentwicklung dienen
Glaeske empfahl, die Sekundärdaten durch Primärerhebungen bei Ärzten zu ergänzen, um auch medizinische und sozioökonomische Zusammenhänge besser zu verstehen.
Grünenthal-Geschäftsleiter Kai Martens betonte, dass der Schmerz-Atlas als Grundlage für eine patientenorientierte Produktentwicklung dienen solle.