Schuldenbremse blutet Unikliniken aus
Der Föderalismus bedroht die Hochschulmedizin. Die Spitzenmediziner wollen zurück unter die Fittiche des Bundes. Sie befürchten, dass die Länder den Unterhalt der Universitätskliniken nicht stemmen können.
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Charité in Berlin-Mitte: Mit Reichtum ist sie nicht gesegnet, sie soll zur Bundes-Uni werden. Der VUD fordert allerdings noch mehr Anstrengungen.
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BERLIN (af). Für Professor Rüdiger Siewert ist es eine ausgemachte Sache: "Die Länder werden keine 34 Unikliniken mehr finanzieren können, wenn ab nächstem Jahr die Schuldenbremse für Bund und Länder beginnt zu greifen", sagte der Vorsitzende des Verbands der Universitätsklinika.
"Es wird Gewinner und Verlierer geben." Der Bund müsse wieder in die Finanzierung der Hochschulmedizin einsteigen, und zwar vertreten nicht allein durch das Bildungs- und Forschungsministerium, sondern auch durch die Ministerien für Gesundheit und Wirtschaft.
Die Schuldenbremse hat noch die große Koalition von Union und SPD ins Grundgesetz schreiben lassen. Sie besagt, dass die Länder nach einer Konsolidierungsphase ab 2020 keine Schulden mehr aufnehmen dürfen.
Hauplebensader gekappt
Die Föderalismusreform rührt aus dem Jahr 2006. Damals haben Bund und Länder Mischfinanzierungen weitgehend eingeschränkt und ihre Haushalte entflochten. Damit sei die letzte "Haupt-Lebensader" zum Bund gekappt worden, die 50 Prozent der Kosten für Bauten und Großgeräte abdeckte, bedauert Siewert.
Seit diesem "Kooperationsverbot" sind die teuren Universitätskliniken mit ihren 300.000 Beschäftigten und einem Umsatz von rund 13 Milliarden Euro im Jahr allein Ländersache.
Die Kliniken in den Bundesländern mit stark defizitären Haushalten gerieten damit auf die Verliererstraße. Schon heute gebe es kaum Investitionen in Bauten und Großgeräte mehr.
Vom Non-Profit- zum Renditeunternehmen
Die Kliniken müssten rund 51 Prozent dieser Kosten vorfinanzieren. Eigentlich Non-Profit-Unternehmen müssten sie dafür längst Renditen von 1,5 bis 2,5 Prozent ihrer Umsätze erwirtschaften.
In Gefahr seien zudem die Weiterbildung von Ärzten und Pflegekräften, die zu einem Großteil an den Unikliniken geleistet werde. Die meisten Klinik-Chefärzte seien an einer Uniklinik ausgebildet.
Nachholbedarf sieht Siewert in der klinischen Forschung und darin, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu halten. Zeitweilige Bundesprogramme führten nicht weiter. Die Qualität der Forschung müsse langfristig gesichert werden.
Unikliniken als Forschungstreiber
Nur die Universitätsmedizin sei in der Lage, mit Hilfe klinischer Studien die Ergebnisse aus der Grundlagenforschung in die Krankenversorgung zu überführen.
Bundesuniversitäten durch Fusionen mit Helmholtz-Zentren, wie sie derzeit zum Beispiel für die Berliner Charité diskutiert werde, seien nur für wenige Standorte eine Lösung.
Auch die Gesundheitsforschungszentren seien kein Ersatz für eine Neukonzeption der Finanzierung der Hochschulmedizin.
"Es geht darum, anerkannte Einrichtungen vor dem Verfall zu bewahren und nicht darum, scheinbar innovative Hilfskonstrukte einzuführen", sagte Siewert.
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